27. KAPITEL
An: troy14@ncr.tr.com
Von: crypto@ncr.zk.com
Betreff: Kansas City, MO
Lieber
Troy,
komme gerade in Kansas City an. Es war eine
lange Fahrt. Aber mach dir keine Sorgen, ich habe alles unter
Kontrolle.
ZK
Ein Highway. Wieder einmal. Graue Asphaltbänder, die sich bis in die Ewigkeit zogen. Er wünschte, er hätte mehr Zeit. Dann würde er von der Interstate abfahren und die Landstraße durch die Kornfelder nehmen. Get your kicks on Route 66. Führte die Route 66 durch Missouri? Er glaubte schon, konnte es aber nicht mit Gewissheit sagen. Vorsichtig drückte er sein Knie gegen das Lenkrad und griff nach seinem neben ihm liegenden Notizbuch. Alle paar Minuten schaute er kurz auf die Straße, während er sich eine kurze Notiz machte.
Verlauf Route 66 nachschlagen.
So war er. Er war ein sehr wissbegieriger Mensch. Trotz seiner Schwierigkeiten in der Vergangenheit liebte er es, zu lernen. Er hatte nicht das beste Gedächtnis der Welt, deshalb musste er sein Wissen ab und zu auffrischen.
In Denver war alles so gut verlaufen. Es war die beste seiner drei bisherigen Städte gewesen. Noch besser als die erste, San Francisco. Er hatte immer gedacht, seine Jungfräulichkeit zu verlieren wäre der Höhepunkt seines Lebens gewesen, aber Denver hatte ihn eines Besseren belehrt. Es würde immer besser und besser und besser werden. Er wurde immer selbstbewusster. Das half. Das Herumgezappel und das viele Blut in Vegas schob er darauf, dass er Angst gehabt hatte. Lampenfieber, sozusagen. Er hatte sich Sorgen gemacht, dass er, wenn es drauf ankäme, versagen könnte. Dieser Gedanke hatte ihn so aufgeregt, dass seine Nerven mit ihm durchgingen und er das Messer zu früh zog. Damit hatte er das große Finale versaut. Er hatte nicht richtig sehen können, wie die Angst in ihren Augen zu einem Nichts verblasste, als sie starben.
Aber Denver … heilige Muttergottes. Denver war perfekt. Das Cherry Creek Reservat war wie gemacht für einen Mord. Die sich windenden Pfade, die verschneite Straße. Blutstropfen auf der weißen Leinwand seiner Welt. So ungemein elegant. Es war kein Jackson-Pollock-Gemälde, aber … Warte, hieß der Künstler so? Jackson? Oder Johnson?
Er holte erneut sein Notizbuch hervor.
Einhundert Meilen bis Kentucky. Und er lag perfekt in der Zeit. Er neigte den Kopf nach links, dann nach rechts, zog seine Schulter zusammen und spürte, wie seine Muskeln sich streckten. Er war so eingeengt in diesem Auto. Er brauchte einen größeren Wagen, in dem er mit seiner Größe bequem sitzen konnte. Einst hatte er einen Freund gehabt, der einen Prius fuhr. Es hatte keine Stunde gedauert, dann hatte er darin Wadenkrämpfe bekommen.
Jetzt dauerte es nicht mehr lange. Er war auf der letzten Etappe seiner Reise.
Ihr furchtloser Anführer hatte die Opfer so perfekt ausgesucht. Troy hatte ihm versichert, dass das Mädchen auf die Anzeige auf Craigslist antworten würde. Rollerblades. Im Winter. Er fragte sich, woher der Mann so viel wusste, schob den Gedanken dann aber beiseite. Wenn es an der Zeit war, würde er es schon erfahren. Wenn er das Spiel gewann, würde der Meister alles mit ihm teilen – sein Geld, seine jahrelange Erfahrung, seinen echten Namen. Sie waren angewiesen worden, ihn Troy zu nennen. Wenn er ehrlich zu sich war, klang Troy nicht wie ein Mann, der eine Operation wie diese hier planen und organisieren konnte. Aber er hatte dem Sieger den Gewinn versprochen. The winner takes it all. Die eine Million Dollar Siegprämie. Mit dem Geld könnte er so viel anstellen.
Und sobald er gewonnen hatte, wäre er auserwählt. Troy würde seinen neuen Lehrling schleifen und ausbilden, damit er weiter auf die Jagd gehen konnte, ohne je gefasst zu werden.
Er war sich seiner noch nicht ganz sicher. Die Vorstellung, zum Serienmörder zu werden, hatte ihren Reiz. Aber in Wahrheit brauchte er einfach das Geld. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er es so sehr genießen würde.
Troy. War das nicht der Name der Stadt mit dem falschen Pferd? All das Blut, das wegen einer Frau vergossen worden war. Wie hieß sie noch mal? Hera? Nein, das war eine Göttin. Zeus’ Frau. Halley? Nein, das war der Name des Mädchens, das er gerade umgebracht hatte. Helena? Helena. Das klang richtig.
Er schrieb es in sein Notizbuch – nur für den Fall.