Kate

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Verschwitzt fiel Kate aufs Bett, mit hochroten Wangen und zerzausten Haaren. Rasch deckte sie sich mit dem Laken zu und versuchte, wieder zu Atem zu kommen.

»Das«, keuchte Tommy, »war der Hammer!« Er drehte sich zu ihr um und zog sie mit einem starken, verschwitzten Arm an sich. »Sie sind ein heißes Gerät, Miss Biggs!«

Kate musste grinsen. Als heißes Gerät hatte sie noch nie jemand bezeichnet. Aber andererseits hatte sie sich auch noch nie wie ein heißes Gerät gefühlt.

»Mir gefällt dieser verschwitzte Look«, zog Tommy sie auf und fuhr mit der Hand über ihre feuchte Haut. »Das wird der neue Trend.«

Sie lachte.

Tommy strich ihr mit den Fingerspitzen die Haare aus dem Gesicht und schaute ihr in die Augen. Ihr ganzer Körper kribbelte unter seinen sanften und doch bestimmten Berührungen.

»Du bist wunderschön«, sagte er leise.

Scheu erwiderte Kate seinen Blick. Sie staunte, wie zärtlich er sie ansah.

Eigentlich hatte sie gar nicht vorgehabt, so schnell mit Tommy im Bett zu landen. Dafür hatte sie immerhin ihre persönliche Sechs-Dates-Regel gebrochen. Vor Jahren schon war sie zu dem Schluss gekommen, dass es besser war, nicht zu schnell mit einem Mann zur Sache zu kommen. Wenn man als Frau leicht zu haben war, hielten einen die Männer nur für »was zum Spaß haben«, aber als potenzielle neue Freundin kam man nicht infrage. Mit Mitte zwanzig war es eher die Regel als die Ausnahme gewesen, dass ein lustiger Samstagabend mit betrunkenem, lüsternem Sex auf der Couch irgendeines Fremden endete. Aber sich vor einer Kurzzeitbekanntschaft auszuziehen, war Kate ehrlich gesagt schon immer etwas unangenehm gewesen, weshalb ihre selbst auferlegte Sechs-Dates-Regel fast eine Erleichterung gewesen war. Womit sie dabei allerdings nicht gerechnet hatte, war die Tatsache, dass diese Vorgabe am Ende auf beinahe null Sex hinauslaufen würde. Die wenigen Männer, die sie kennengelernt hatte, hatten sich spätestens nach der dritten unergiebigen Verabredung in Luft aufgelöst.

Außerdem, musste Kate sich eingestehen, als sie sich glücklich an Tommys warmen Körper kuschelte, hatte sie nicht erwartet, dass der Sex mit ihm so gut sein würde. Ihr letztes Mal war mittlerweile schon so lange her, dass sie beinahe völlig vergessen hatte, wie es eigentlich war, mit einem Mann zu schlafen. Vage erinnerte sie sich an eher peinliche Begegnungen in schmuddeligen Junggesellenbuden; schnelles, unbefriedigendes Gefummel, bei dem ihr Gegenüber irgendwann müde einschlief und schnarchend neben ihr im Bett lag, während Kate sich leise ins Bad schlich, um die Zähne zu putzen, mit Zahnseide zu fädeln, sich die Haare zu kämmen und sich dann adrett auf das Kissen zu drapieren, wo sie heimlich davon träumte, am Morgen das Frühstück ans Bett gebracht zu bekommen. Aber nach dem Aufwachen konnte sich der verkaterte Kerl neben ihr im Bett kaum mehr daran erinnern, wo seine eigene Küche war, geschweige denn, dass er ihr Kaffee und Croissants serviert hätte.

Aber heute Abend, mit Tommy, war alles anders gewesen. Sie hatten einen Riesenspaß gehabt in dem Comedy Club. Und im Taxi hatte sie keinen einzigen Gedanken daran verschwendet, allein nach Hause zu fahren.

Und dann der Sex. Tommy hatte ihr den Rock ausgezogen, und kleine Stromstöße hatten ihren Körper durchzuckt, als seine nackte Haut ihre gestreift hatte. Plötzlich sehnte sie sich danach, dass er sie anfasste. Sie hatte ganz vergessen, wie gut sich nackte Haut auf nackter Haut anfühlte – wie schwindelerregend erotisch es sein konnte. Sanft hatte er ihren halb nackten Körper an seine Brust gezogen, und es hatte ihr fast den Atem verschlagen. Sie hätte sich am liebsten die ganze Nacht zärtlich von ihm streicheln lassen.

Was sie aber natürlich nicht getan hatte. Nein, sie waren viel weitergegangen. Und im von sanftem Kerzenschein beleuchteten Schlafzimmer hatte sie sich nicht geschämt, sich nackt vor ihm zu zeigen. Tommy hatte einen so männlichen, muskulösen Körper, dass sie keinen Moment befürchten musste, ihre Hüften seien vielleicht zu breit oder sie könne ihn mit ihrem Gewicht erdrücken. Oder – noch schlimmer – er könne es sich anders überlegen und sie wieder nach Hause schicken, wenn er erst ihren nackten Hintern gesehen hatte. Nein, sie fühlte sich richtig sexy! Tommy fuhr ihr mit den Fingern durch die Haare und knabberte an ihren Brüsten, packte mit beiden Händen ihren Po und hob sie sanft auf seinen Schoß. Er stöhnte zufrieden, und zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte Kate sich wirklich wie ein rattenscharfes Ding. Unvermittelt kam ihr ein Gedanke: So musste sich Lou beim Sex fühlen. Kein Wunder, dass es ihr so viel Spaß machte.

Mit einem unsanften Knall landete sie wieder auf dem Boden der Tatsachen. Während Tommy ihr zärtlich über das Gesicht strich und der Schweiß auf ihrem Körper langsam trocknete, bekam Kate plötzlich ein flaues Gefühl im Magen.

Seit ihrem Streit hatte sie nicht mehr mit Lou gesprochen. Wie sie so neben Tommy im Bett lag und er sie in seinen Armen hielt, fühlte Kate sich auf einmal schrecklich einsam. Wenn sie etwas Tolles erlebt hatte, rief sie sonst immer auf der Stelle Lou an. Es war fast so, als wäre es gar nicht passiert, ehe sie Lou nicht alles bis ins kleinste Detail erzählt hatte.

Kate schaute Tommy an, und ihr ganzer Körper kribbelte. In diesem Moment wusste sie, dass sie Lou nichts davon erzählen würde. Irgendwas hatte sich verändert. Es gab kein Zurück mehr.

»Normalerweise mache ich so was nicht«, hörte sie sich flüstern.

»Was denn, mit einem Mann schlafen?«, witzelte Tommy.

»Nein! Ja! Ich meine, normalerweise mache ich das nicht, du weißt schon, so schnell

Tommy guckte sie verdutzt an.

»Nicht vor dem sechsten Date.«

»Warum denn das?«, platzte es aus ihm heraus.

»Weil nette Mädchen das nicht machen … nicht so schnell.«

Tommy warf den Kopf in den Nacken und brüllte vor Lachen. »Und das wollen wir Männer, ja? Nette Mädels?«

»Nein!«, entgegnete Kate spröde. »Ihr wollt böse Mädels, die sofort mit euch ins Bett gehen.«

Tommy stützte sich auf den Ellbogen und schaute sie durchdringend an.

»Willst du mir damit sagen, deine Strategie Männer betreffend war bisher die, ihnen nicht zu geben, was sie wollen?«

»Irgendwann bekommen sie es natürlich doch«, argumentierte Kate. »Aber Männer respektieren Frauen eher, wenn sie sie warten lassen. Und außerdem ist Vorfreude die schönste Freude. Man nennt das Belohnungsaufschub.«

»Also darum warst du so lange Single!«, rief Tommy lachend. »Kate, glaub mir, so kompliziert sind wir Männer nicht! Unsere Aufmerksamkeitsspanne entspricht der eines Goldfischs. Wenn wir zu lange auf etwas warten müssen, vergessen wir, worauf wir es eigentlich abgesehen hatten. Darum haben wir auch so eine innige Beziehung zu unserer Fernbedienung. Sonst hätten wir schon vergessen, warum wir eigentlich aufgestanden sind, noch ehe wir beim Fernseher angekommen sind.«

Kate schaute ihn verdutzt an.

»Aber wenn du eine Frau wirklich willst, dann vergisst du das doch nicht so schnell«, erklärte sie beharrlich. »Im Gegenteil, du willst sie umso mehr, weil du sie nicht sofort bekommst.«

»Du spinnst ja!« Lachend drehte sich Tommy um. »Das weißt du aber selbst, oder?«

Kate erstarrte vor Schreck, und Panik machte sich in ihr breit. Sie hatte sich ihm doch viel zu früh körperlich hingegeben, und nun hatte sie sich auch noch zum Affen gemacht, weil sie ihm von ihren Überlegungen erzählt hatte.

»Habe ich es versaut?«, fragte sie nervös.

»Muss ich mit den versauten Sachen nicht bis zum siebten Date warten?«

»Hey!«, rief Kate lachend und warf ihr Kissen nach ihm.

»Wie gut, dass ich immer schon eine Schwäche für verrückte Hühner hatte, hm?«, zog Tommy sie auf, streckte sich quer auf dem Bett aus und zog Kate zu sich heran. »Vor allem für verrückte Hühner, die so leicht zu haben sind.«

Und dann schlang er die Arme um sie.