KAPITEL 94

Stone eilte durch das Washington Field Office, Agentin Ashburn dicht auf den Fersen. Er hielt sich nicht mit Anklopfen auf. Er stieß einfach die Tür auf und trat ein.

Verblüfft schaute ihn der Direktor des FBI an. Ihm gegenüber saß Riley Weaver am Konferenztisch.

»Verdammt, was soll das?«, fragte der Direktor.

Stone beachtete ihn gar nicht. Sein Blick richtete sich auf Weaver. »Was haben Sie ihr alles erzählt?«

»Was?«, fauchte Weaver. »Falls Ihnen das nicht klar sein sollte, Stone, wir sind mitten in einer Besprechung.«

Stone kam mit einem so finsteren Blick um den Tisch herum, dass Weaver mit geballten Fäusten aufstand und unwillkürlich eine Verteidigungshaltung einnahm für den Fall, dass Stone ihn angriff.

»Ashburn, was geht hier vor?«, fuhr der Direktor ihn an. »Warum haben Sie ihm den Zutritt gestattet …«

»Was haben Sie Friedman über mich erzählt, Weaver?«, rief Stone.

»Ich habe kein Wort mit dieser Frau gewechselt. Ich habe Sie gewarnt. Wenn Sie mich beschuldigen, irgendwelchen Schwachsinn …«

»Bevor ich Ihnen verraten habe, dass sie hinter allem steckt«, unterbrach Stone ihn. »Zu der Zeit haben Sie doch mit ihr gesprochen, oder nicht?«

Langsam ließ Weaver sich wieder auf den Stuhl sinken. Der Direktor starrte ihn über den Tisch hinweg an. Ashburn musterte ihn von der Tür aus. Weaver erwiderte jeden Blick, bevor er sich wieder Stone zuwandte.

»Sie war eine meiner Außenagentinnen. Natürlich habe ich mit ihr gesprochen, das war mein gutes Recht.«

»Was haben Sie ihr von mir erzählt? Dass ich es herausgefunden habe? Dass ich den Secret Service gewarnt habe? Dass der Plan meinetwegen gescheitert ist?«

»Und wenn es so war?«, plusterte Weaver sich auf. »Damals wusste ich noch nicht, dass sie eine Verräterin ist. Und ehrlich gesagt, ich weiß es immer noch nicht. Genauso gut könnte man sie entführt oder sogar umgebracht haben.«

Chapman kam ins Zimmer. »Hat man aber nicht. Und sie ist eine Verräterin. Sie hat uns eine Falle gestellt. Hat uns abgelenkt, während sie zwei von Stones Freunden entführen ließ.«

»Was?«, riefen der FBI-Direktor und Ashburn wie aus einem Munde.

»Woher wissen Sie das?«, fragte Weaver neugierig. »Wir haben den Zug nach Miami durchsucht. Sie war nicht unter den Passagieren. Aber irgendetwas sagt mir, dass Sie das bereits wussten.« Er warf dem Direktor einen Blick zu. »Enthalten Sie uns Informationen vor, Stone?«

»Falls Sie das Rundschreiben nicht bekommen haben: Ich arbeite nicht mehr für die Regierung.«

»Schwachsinn!«

»Es ist Schwachsinn, dass Sie mit Friedman gesprochen und das keinem von uns mitgeteilt haben. Ich wette, Sie haben sie die ganze Zeit auf dem Laufenden gehalten. Ich habe mich gefragt, wieso der Gegner unsere Pläne immer schon im Voraus kannte. Jetzt weiß ich es. Das waren Sie, oder?«

»Ich schulde weder Ihnen noch sonst jemandem eine Erklärung für meine Handlungen.«

»Das kann ich dann ja meinen Freunden sagen, wenn ich ihre Leichen finde«, fauchte Stone.

Ashburn schaltete sich ein. »Haben Sie eine Ahnung, wo man sie festhält?«

Stone beruhigte sich wieder. »Nein«, log er.

»Warum sind Sie dann hier?«, wollte Weaver wissen. »Sollen wir Ihnen helfen?«

»Nein. Ich wollte nur wissen, bei wem ich mich dafür bedanken muss, dass er mich an Friedman verraten hat.«

»Verflucht, das war keine Absicht«, brüllte Weaver.

Aber Stone hatte den Raum bereits verlassen. Seine Schritte hallten laut durch den Korridor.

Ashburn wandte sich an Chapman. »Was geht hier vor?«

»Das hat er doch gesagt. Seine Freunde sind verschwunden, und Friedman hat sie.«

»Sind Sie sicher?«, fragte der FBI-Direktor.

»Wir wissen es von der Quelle.«

Ashburn warf einen Blick in den Korridor. »Was hat er vor?«

»Was glauben Sie?«, erwiderte Chapman.

»Allein kann er das nicht schaffen.«

»Wir haben Möglichkeiten, die er nicht hat«, fügte der Direktor hinzu.

»Das ist ja alles gut und schön, aber er ist John Carr. Und ehrlich gesagt hat er Möglichkeiten, die Sie nicht haben. Und kein Mensch auf der Welt hat eine bessere Motivation als er, diese Frau zu erwischen.«

»Und Sie wollen uns allen Ernstes weismachen, dass Stone nicht weiß, wo man sie festhält?«, fragte Ashburn.

»Falls er es weiß, hat er es mir nicht gesagt.«

»Wo sind Sie auf diese Informationen gestoßen?«

»In der South Bronx«, sagte Chapman.

»Die South Bronx!«, rief Ashburn. »Wie sind Sie denn auf die South Bronx gekommen?«

»Das müssen Sie Sherlock Holmes fragen. Ich bin nur der gute alte Watson.«

»Agent Chapman …«, setzte der Direktor an.

Sie unterbrach ihn. »Sir! Wenn ich etwas Nützliches wüsste, würde ich es Ihnen sagen.«

»Warum glaube ich das nicht?« Er hielt inne und musterte sie. »Ich glaube, ich sehe hier genau, wem Ihre Loyalität gehört.«

»Meine Loyalität, Sir, befindet sich ungefähr dreitausend Meilen von hier und gehört einer netten alten Dame, einem ehrgeizigen Premierminister und einem alten Mann mit Schuppen und einem erstklassigen Verstand.«

»Sind Sie sicher?«

»Dessen war ich mir immer sicher.« Chapman wandte sich zur Tür.

»Wo wollen Sie hin?«, fragte Weaver.

»Holmes braucht seinen Watson.«

»Das ist nicht Ihr Kampf«, sagte der Direktor.

»Vielleicht nicht. Aber es wäre schrecklich unhöflich, jetzt aufzuhören.«

»Ich kann Sie daran hindern«, meinte der Direktor.

»Ja, könnten Sie. Aber ich glaube nicht, dass Sie das tun.«

Sie eilte Stone hinterher.

Der Auftrag
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