KAPITEL 67
Fünf Minuten später bewunderten sie in der St. John’s Church die bestickten Knieschoner in der »Präsidentenbank« in diesem Haus der Andacht.
»James Madison. John Quincy Adams«, las Chapman, als sie die Knieschoner betrachtete. »Eine beeindruckende Liste von Männern.«
»Der Meinung war Ihre Heimat damals bestimmt nicht. Man nannte sie Revolutionäre, sogar Terroristen«, erwiderte Stone.
»Nach ein paar Hundert Jahren können selbst die erbittertsten Differenzen überwunden werden.«
Die in eine grüne und khakifarbene Uniform gekleidete Frau betrat die Kirche und nahm den Hut ab. Sie entdeckte Chapman und Stone und kam zu ihnen.
»Mir ist aufgefallen, dass Sie unsere Aufmerksamkeit erregen wollten«, begrüßte Chapman die Frau. »Danke, dass Sie sich mit uns treffen.«
»Ich weiß aber nicht, ob es etwas zu bedeuten hat. Und ich darf nicht zu lange wegbleiben.«
»Wie heißen Sie?«
»Judy Donohue.«
»Okay, Miss Donohue«, sagte Stone. »Was macht Ihnen zu schaffen?«
»Etwas, das gesagt wurde, als Sie mit Mr. Sykes gesprochen haben.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Chapman. »Er war allein.«
Donohue sah verlegen aus.
»Wie lange sind Sie schon beim Park Service?«, fragte Stone.
»Zehn Jahre. Der Job gefällt mir sehr gut.«
»Kommen Sie aus der Gegend?«
Sie lächelte ein wenig herablassend. »Nein. Ich komme von so weit weg, wie man von hier nur weg sein kann.«
»Und wo ist das?«, fragte Chapman.
»Mitten im Nichts in Montana. Gottes Land. Ich war mein Leben lang an der frischen Luft.« Sie hielt die Hand hoch. Auf dem Handrücken war ein Vogel tätowiert. »Das ist ein Sturnella neglecta, der Westliche Lerchenstärling, der Staatsvogel von Montana. Das habe ich mir tätowieren lassen, als ich sechzehn war. Meine Freundinnen bekamen Herzen und die Namen von Jungs, ich die Tierwelt.«
»Was ist nun mit Mr. Sykes’ Aussage?«, fragte Stone. »Ich nehme an, Sie waren in der Nähe.«
»Ja. Ich wollte nicht lauschen. Ich arbeitete in der Nähe an einem Projekt.«
»Und haben etwas gehört«, sagte Chapman freundlich. »Völlig verständlich.«
»Was haben Sie gehört?«, fragte Stone.
»Mr. Sykes hat gesagt, wir hätten auf den Baumpfleger gewartet, der sich den Baum ansehen sollte. Und dass wir Spezialerde und Nährstoffe zusammengesucht hätten.«
»Das stimmt«, sagte Stone. »Aber das haben Sie nicht getan, oder?«
»Doch.«
»Was war dann das Problem?«
»Ich weiß, dass ich es nicht sehr gut erkläre. Vermutlich arbeite ich deshalb mit den Händen, nicht an einem Schreibtisch.«
»Lassen Sie sich Zeit, Judy«, ermunterte Chapman sie.
»Nun, Sie müssen wissen, dass der Baumpfleger sich den Baum bereits angesehen und ihn für gesund erklärt hatte. Als er im Boden eingesetzt wurde, warf er noch einen Blick darauf, aber nur, um sich zu vergewissern, dass dem Baum die Belastung durch den Kran nicht geschadet hatte. Die Erde und die vorbereiteten Nährstoffe standen bereit.«
»Sie wollen damit sagen, dass keine Notwendigkeit bestand, das Loch nicht sofort zu füllen?«, sagte Stone.
»Genau. Die gab es eigentlich nicht. Ich weiß noch, dass ich das Absperrband an den Pfosten befestigt habe und es albern fand, das Loch so zurückzulassen. Was, wenn jemand hineingestürzt wäre?«
»Was ja auch passiert ist«, sagte Chapman.
»Jedenfalls, ich fand es merkwürdig.«
»Wie hat Sykes erklärt, dass Sie das Loch offen lassen sollen?«, fragte Stone.
»Er gab uns keine Erklärung. Er ist der Chef. Wir tun, was man uns sagt.«
»Als Agent Gross sie besuchte, waren da alle anwesend, als er seine Fragen stellte?«
»Eine Zeit lang schon, aber dann ging er mit Mr. Sykes weg.«
»Kam die Sache mit dem nicht gefüllten Loch zur Sprache, als sie alle da waren?«
»Ich weiß noch, dass der FBI-Agent darauf zu sprechen kommen wollte, aber dann sagte Mr. Sykes, es wäre Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen, und er würde sich um die restlichen Antworten kümmern.«
»Hat sich noch ein anderer Arbeiter die Frage gestellt, warum das Loch nicht gefüllt wurde?«, wollte Chapman wissen.
»Ich glaube nicht. Aber ich bin da etwas unabhängiger. Und nachdem ich gehört hatte, was Mr. Sykes Ihnen gesagt hat, fand ich, dass Sie das wissen sollten.«
»Das haben Sie richtig gemacht, Judy«, sagte Chapman.
»Ich muss jetzt zurück.«
»In Ordnung.« Stone nickte ihr zu. »Das war sehr hilfreich. Aber erwähnen Sie es niemandem gegenüber.«
Donohue nickte, schien aber nervös zu sein. »Glauben Sie, Mr. Sykes hat etwas Falsches getan?«
»Das werden wir mit Sicherheit herausfinden«, sagte Stone.