KAPITEL 25

McElroy setzte sich Stone gegenüber.

»Tröstlich zu sehen, dass Sie noch so gut lügen wie eh und je«, sagte Stone.

»Eine notwendige Fertigkeit in unserem Gewerbe, wie Sie sehr wohl wissen.«

»Wie groß war die Lüge?«

»Ich weiß seit geraumer Zeit von Fuat. Wir haben übrigens mit den Amerikanern zusammengearbeitet, um diese Mission endlich abzuschließen.«

»Ich kann Ihnen jedenfalls sagen, dass Sie mich gezwungen haben, unglaublich viel Zeit zu verschwenden, indem Sie mich im Dunkeln gelassen haben, aber das wissen Sie ja schon.«

»Ohne jetzt Entschuldigungen vorbringen zu wollen, Oliver, ich muss mich ebenfalls gegenüber höheren Stellen verantworten.«

»Und die wollten, dass Sie mir die Wahrheit vorenthalten?«

»Ja. Aber ich habe aus zwei Gründen beschlossen, diese Scharade zu beenden. Erstens war sie Ihnen gegenüber nicht fair. Zweitens ist sie ineffizient.«

Stone blickte Adelphia an. »Ich nehme an, er hat dich gebeten, zu mir zu kommen?«

Adelphia nickte. »Aber ich wollte das schon seit Langem. Ich habe unsere Plaudereien vermisst. Unsere Freundschaft.«

Stone schaute wieder zu McElroy. »Sind Sie lediglich hier, um mir zu sagen, dass es Ihnen leidtut, und mir den Kopf zu tätscheln, oder wollen Sie mich jetzt einweihen? Und weiß Chapman davon?«

McElroy zog ein Taschentuch hervor, putzte sich die Nase und schüttelte den Kopf. Er trug das gleiche blaue Sakko, aber ein frisches Hemd und andere Hosen. Sein Gesicht war verkniffen, und die Augen kündeten von dem körperlichen Schmerz, unter dem er litt. »Nein, sie weiß nichts.«

»Na schön«, sagte Stone misstrauisch.

»Um auf Ihre erste Frage zurückzukommen … Wir haben uns entschieden, es Ihnen zu sagen, weil Sie es vielleicht selbst herausgefunden hätten. Ich weiß, wie beharrlich Sie sein können. Es war ein überaus unglückliches Timing, dass Fuat im Park war, als es passierte.«

»Und Sie sehen keinen Zusammenhang?«, fragte Stone.

»Ich wünschte, es wäre so. Das würde wenigstens ein wenig Sinn eine Sache bringen, die bislang unerklärlich ist.«

»Sind Sie sicher?«

»Dass Fuat nicht das Ziel war? Ziemlich sicher. Die Mission hat gerade erst begonnen. Und Fuat steht nicht an der Front. Die Operation befindet sich noch im Planungsstadium, eine empfindliche Zusammenarbeit zwischen mehreren ähnlich denkenden Staaten, aber sie beinhaltet eine neue Herangehensweise mit neuen Bodeneinsätzen. Daher der Zwang zur Geheimhaltung. Adelphia repräsentiert einen dieser Staaten. Mein Interesse ist ja wohl offensichtlich.«

»Und was sind Ihre Interessen, Mr. Turkekul?« Stone sah den anderen Mann an.

»Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ging meine deutsche Mutter in die Türkei, wo sie meinen Vater kennenlernte«, sagte Turkekul. »Er hat wahrscheinlich nichts von ihrer ethnischen Herkunft gewusst. Im Krieg wurden die offiziellen Unterlagen von Millionen Menschen vernichtet. Ich selbst fand es erst heraus, als ich längst erwachsen war. Ich wurde in der Türkei geboren, ganz in der Nähe von Konstantinopel, wuchs aber in Pakistan auf, obwohl meine Familie eine Zeit lang in Afghanistan lebte. Ich bin Moslem wie mein Vater, verachte aber die Menschen, die für den 11. September verantwortlich sind. Sie haben das Konzept des Dschihad aufgegriffen und es zu etwas Hässlichem und Unverzeihlichem verdreht, um ihren eigenen Hass auf andere zu fördern.«

»Fuat ist gewissermaßen eins unserer Asse im Ärmel«, sagte McElroy. »Er hat innigen Kontakt nicht nur zur moslemischen Gemeinschaft – auch in dem Gebiet, in dem wir unser Ziel vermuten.«

»Das Bergland zwischen Pakistan und Afghanistan?«, erwiderte Stone.

Turkekul lächelte. »Mit einer Flugdrohne werden sie den Mann nie erwischen. Dafür ist er zu gerissen. Und vielleicht ist er in diesen Bergen, vielleicht aber auch nicht.«

»Und es wurde entschieden, Sie ausgerechnet jetzt zum Einsatz zu bringen? Warum nicht früher?«, fragte Stone.

Turkekul wollte antworten, doch McElroy kam ihm zuvor. »Darauf müssen wir nicht näher eingehen, Oliver. Nehmen Sie mich einfach beim Wort.«

»Na schön, aber wenn Sie so gute Verbindungen haben, Mr. Turkekul, wird es auch einige Leute geben, die den Verdacht haben, Sie könnten für den Westen arbeiten. Vielleicht haben sie einen Präventivschlag versucht.«

»Maschinenpistolen und Bomben, und sie haben den armen Fuat verfehlt, der ohne Deckung dastand? Eher unwahrscheinlich«, sagte McElroy.

»Da bin ich Ihrer Meinung. Aber was ist mit der Gruppe aus dem Jemen, die die Verantwortung übernommen hat?«

»In meinen Augen genauso unwahrscheinlich, aber ich muss eingestehen, dass die Yankees es anders sehen.«

»Warum ein Treffen im Lafayette Park?«

McElroy warf Adelphia einen Blick zu. »Niemand rechnet damit, dass man an einen so auffälligen Ort geht, um ein geheimes Treffen zu veranstalten«, sagte sie.

»Dunkle Gassen und noch dunklere Kneipen«, stimmte McElroy mit einem gespielten Schaudern ein. »Wie im Kino. Aber natürlich völliger Blödsinn. Dort sitzen jede Menge Cops und halten nach Spionen Ausschau, während sie ihr Bierchen trinken.«

»Warum bist du an diesem Abend nicht gekommen, Adelphia?«, fragte Stone erneut.

»Das Treffen wurde von meinen Vorgesetzten abgeblasen. Sie haben mir keinen Grund dafür genannt«, antwortete sie. »Ich wusste, wenn ich nicht zu einer bestimmten Zeit dort bin, wird Fuat wie vereinbart wieder gehen. Ist schon bekannt, von wem die Bombe stammt?«

»Nein, noch nicht.«

»War es ein Selbstmordattentat?«, fragte Turkekul. »Das ist ihre bevorzugte Angriffsweise, nicht mit einem improvisierten explosiven Apparat. Das weiß ich von dieser Gruppe im Jemen. Sie halten sich mit beinahe religiösem Eifer an diese Regel.«

Stone blickte zu McElroy hinüber, der kaum merklich den Kopf schüttelte. »Es ist eine laufende Ermittlung.«

»Werden Sie diesen Kontakt Ihren Vorgesetzten melden müssen?«, fragte Turkekul.

McElroy räusperte sich. »Oliver, ich kann Ihnen nicht offiziell befehlen, was Sie zu tun haben. Aber ich möchte Sie bitten, sorgfältig über diese Frage nachzudenken. Ein Bericht zum jetzigen Zeitpunkt, selbst ein zensierter, könnte sehr wahrscheinlich dazu führen, dass diese Mission abgebrochen wird, noch bevor sie auch nur eine Chance auf Erfolg hat.« McElroy neigte den Kopf und schien auf eine Antwort zu warten.

Stone zögerte nicht lange. Er wandte sich an Turkekul. »Ich werde vorerst nichts darüber verraten. Doch trotz allem, was Sie gesagt haben, gehe ich davon aus, dass Sie informiert werden wollen, sollte sich herausstellen, dass Sie das Ziel des Anschlags waren, nicht wahr?«

»Ihre Annahme ist richtig«, sagte Turkekul. »Und dafür danke ich Ihnen.«

»Ich werde Chapman über alles informieren.«

»Eigentlich muss sie das doch gar nicht wissen«, sagte McElroy rasch.

Stone schüttelte den Kopf. »Ich verheimliche meinem Partner nichts. Wenn ich etwas weiß, weiß sie es auch.«

McElroy wirkte unschlüssig. »Dann überlasse ich die Entscheidung Ihnen.«

Stone erhob sich vom Sofa. »Eine letzte Frage, Adelphia. Wie verlief die Kommunikation zwischen Ihnen beiden, was den Treffpunkt betraf?«

»Ich habe eine Nachricht am Schwarzen Brett auf dem Campus von Georgetown hinterlassen«, sagte Adelphia. »Sie war in einem Kode geschrieben, den Fuat und ich uns ausgedacht haben.«

»Derselbe Kode, den wir beide benutzt haben, als wir noch im Park demonstrierten?«

»Er kommt ihm sehr nahe«, gestand sie.

»Vertraust du sicheren elektronischen Kommunikationen nicht?«, fragte Stone.

»So etwas gibt es nicht, mein Freund«, sagte Turkekul. »Mehrere meiner Kollegen haben das zu ihrem großen Nachteil herausgefunden.«

»Die Unsicherheit der elektronischen Systeme hat uns in mancher Hinsicht gezwungen, auf die alten Spionagetricks zurückzugreifen«, erklärte McElroy. »Sie sind nicht ganz so wirksam, und wir müssen uns auf unseren Einfallsreichtum verlassen statt auf Maschinen, die das für uns erledigen. Mir persönlich gefällt es so viel besser. Aber ich bin ja auch ein Überbleibsel des Kalten Krieges.«

Er begleitete Stone hinaus. »Es tut mir leid, dass es so laufen musste. Ich hätte einen anderen Weg vorgezogen, Oliver. Es war Ihnen gegenüber nicht fair.«

»Das Leben ist selten fair.«

»Wie ich gehört habe, kommt die Ermittlung nur langsam voran.«

»Falls überhaupt.«

»Irgendwie muss es Sinn ergeben. Wenn nicht, geht viel von dem verloren, woran ich im Leben glaube.«

»Muss ich noch weitere Überraschungen in dieser Hinsicht erwarten?«

»Ich hoffe nicht. Was ist mit Chapman?«

»Ich werde es ihr sagen. Und Sie können mich nicht überzeugen, es ihr zu verschweigen.«

»Sie haben wahrscheinlich recht.«

»Passen Sie auf sich auf, Sir James.«

»Achten Sie darauf, was sich hinter Ihnen tut, Oliver.« Er hielt inne. »Und auch vor Ihnen«, fügte er dann hinzu.

»Wissen Sie etwas, was ich nicht weiß?«

»Nein, aber die Antennen des alten Überbleibsels klingeln ziemlich heftig.«

»Noch einmal«, sagt Stone. »Halten Sie sonst noch etwas vor mir zurück?«

»Viel Glück, Oliver. Und bitte befolgen Sie meinen Rat.«

Der Auftrag
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