KAPITEL 62
Sie verließen Adelphias Wohnung ohne Antwort.
»Wie sind Sie darauf gekommen, dass sie gar nicht hinter bin Ladens Nachfolger her sind? Und dass Turkekul sich an dem Abend mit jemand anderem treffen wollte?«, fragte Chapman.
»Ich hatte den Verdacht, dass beides zutrifft. Adelphia hat es mir nur bestätigt.«
»Aber sie hat doch gar nichts gesagt.«
»Das ist ja die Bestätigung.«
»Aber was hat Ihr Misstrauen überhaupt erst geweckt?« Die MI6-Agentin ließ nicht locker.
»Man beauftragt keinen Mann mit der Jagd auf bin Ladens Erbe, um ihn dann im Westen auf einer Universität als Professor zu installieren, es sei denn, man glaubt, dass Osamas Nachfolger sich irgendwo an der Ostküste versteckt. Es ergibt keinen Sinn. Darum habe ich ihn von Harry beschatten lassen. Weniger, um für seinen Schutz zu sorgen, sondern um herauszufinden, was er so macht. Oder vielmehr nicht macht.«
»Und wie sieht es damit aus, dass Adelphia nicht im Park war, um ihn zu treffen?«
»Man arrangiert kein derartiges Treffen und taucht dann nicht auf. Sie hatten auf dem Schwarzen Brett eine Vereinbarung getroffen. Das Treffen sollte am späten Abend stattfinden. Von Georgetown bis zum Park sind es mit dem Taxi zehn Minuten. Turkekul hätte das Schwarze Brett direkt vor seinem Aufbruch überprüfen können. Wäre Adelphia etwas dazwischengekommen, hätte sie diese Information noch bis wenige Minuten vor seinem Aufbruch dort anbringen können. Meine Nachricht hat sie sofort beantwortet, und das verrät mir, dass sie es ständig überprüft. Es gab keinen Grund für Turkekul, im Park herumzustehen und auf sie zu warten. Das ist dumm. Und potenziell tödlich.«
»Aber wenn nicht sie, wen dann? Und hat er sich überhaupt mit jemandem getroffen?«
»Nicht, soweit ich es gesehen habe.«
»Und was sagt Ihnen das?«
»Dass das Treffen möglicherweise außerhalb der üblichen Zeiten stattfinden sollte.« Er hielt inne. »Etwas, von dem seine Vorgesetzten nichts wissen.«
»Wenn das der Fall ist, warum ihn dann decken?«
»Falls Turkekul ein wertvoller Aktivposten ist, wäre er nachträglich geschützt. Und selbst wenn dieses Treffen außerplanmäßig war, bedeutet das nicht automatisch, dass es nichts mit der Mission zu tun hat und darum für seine Vorgesetzten von Bedeutung wäre.«
»Könnte man ihm eine Falle gestellt haben?«
»Sie haben ihn nicht ermordet. Das wäre problemlos zu machen gewesen. Sie hätten nur ein paar Minuten früher schießen müssen. Nein, er war nicht das Ziel.«
Chapman rieb sich die Schläfen. »Mein armer Kopf wird buchstäblich mit Möglichkeiten überschwemmt, aber leider ergibt nichts davon einen Sinn.«
Sie kehrten zum Park zurück. Stone ging ihn von Norden nach Süden und von Osten nach Westen ab, während Chapman ihm pflichtbewusst folgte und abwechselnd neugierig und gelangweilt aussah.
»Hoffen Sie auf eine plötzliche Inspiration, wenn Sie den Tatort ablaufen?«, fragte sie schließlich.
»Ich suche nicht nach einer Inspiration, sondern nach Antworten.« Stone blickte zu dem Gebäude, aus dem aller Wahrscheinlichkeit nach geschossen worden war. »Schüsse werden abgefeuert. Jeder rennt los. Padilla hechtet in das Loch. Die Bombe geht hoch.«
»Die Bombe wurde verfrüht gezündet. Und wir müssen herausfinden, wer das eigentliche Ziel war. Darauf läuft es immer wieder hinaus. Eigentlich sollte diese Bombe in dem Moment explodieren, als dieser Park mit VIPs gefüllt ist. Können wir das Ziel ermitteln, können wir uns von dort zu den Leuten zurückarbeiten, die dahinterstecken. Zumindest besteht diese Möglichkeit.«
Stone schüttelte den Kopf. »Wir übersehen immer noch irgendetwas. Das Bild ist noch nicht richtig. Nicht einmal annähernd.« Nachdenklich schwieg er. »Also gut, ändern wir für eine Minute die Richtung und versuchen es mit einem simplen Eliminierungsprozess.«
»Wie denn?«
»Wenn Turkekul nicht Adelphia treffen wollte, wen dann?« Stone blickte sich im Park um. »Nicht Ihren Sicherheitsmann. Offensichtlich auch nicht Alfredo Padilla. Oder mich.«
Chapman schnippte mit den Fingern. »Warten Sie. Meinen Sie die Frau?«
Stone nickte. »Marisa Friedman.«