♦ SECHSUNDFÜNFZIG
Kacy hatte den Kopf noch nicht wieder frei. Ihr war übel, und sie war völlig benommen von dem Kopftreffer durch Napoleons Betonzweispitz. Das Sehvermögen hatte sie auch vorübergehend im Stich gelassen. Sie hörte jedoch Stimmen. Es waren die Stimmen der Ninja-Vampire, die sie über den Fußboden zu der Stelle geschleift hatten, wo Dante lag, in noch schlimmerer Verfassung als sie.
»He! Lass noch ein paar Verbände für uns übrig. Wir müssen auch noch das Mädchen einwickeln.«
»Zieh sie einfach nur aus. Wir wickeln sie dann ein.«
»Warum darfst du sie einwickeln?«
»Weil ich das Verbandszeug habe, du Trottel.«
Eine dritte Stimme mischte sich ein. »Ich helfe dir, sie auszuziehen.«
»Okay. Halte sie aufrecht, während ich ihr die Hose herunterziehe.«
»In Ordnung, aber mach schnell. Es sieht danach aus, als käme sie wieder zu sich.«
Als sie hörte, dass man ihr die Hose herunterziehen wollte, tat Kacy wirklich ihr Bestes, um ihre sechs Sinne zurückzugewinnen. Sie spürte, wie zwei Hände in ihre Achselhöhlen glitten und sie vom Boden hochhoben. Eine weitere Gestalt bückte sich vor ihr und machte sich daran, ihr die Jeans aufzuknöpfen. Der Vampir arbeitete auch ziemlich schnell. Mühelos sank die Jeans unter die Knie.
»Leck mich doch am Arsch! Seht euch nur diese Beine an!«
Kacy blinzelte ein paarmal und konnte allmählich wieder sehen, wenn auch leicht verschwommen. Die Jeans hatte man ihr inzwischen bis auf die Knöchel heruntergezogen. Der vor ihr hockende Ninja arbeitete derweil hektisch daran, ihr die Sneakers auszuziehen.
Während sich das Sehvermögen zurückmeldete, senkte der Vampir, der sie von hinten gepackt hielt, die Hände und griff an den unteren Saum ihres Sweatshirt. Er riss es ihr über den Kopf, wo es sich verhakte, ihr Gesicht verhüllte und ihr erneut die Sicht raubte. Jetzt wurde sie von zwei Vampiren, die sich einen Dreck darum scherten, wie sie das fand, in alle Richtungen gebogen. Selbst wenn sie nicht ganz benommen gewesen wäre, hätte sie sich kaum nennenswert wehren können.
Sie spürte, wie ihr die Sneakers ausgezogen wurden, und hörte, wie man sie zur Seite warf. Augenblicke später rupfte jemand heftig an der Jeans und entfernte diese völlig von Kacy. Sie spürte, wie die kalten knochigen Hände des Vampirs an ihren Beinen herauffuhren und sich dabei der Unterwäsche näherten (ein winziger rosa Slip, den Dante ihr gekauft hatte und in den die Worte FREIER EINTRITT in schwarzen Buchstaben eingenäht waren). Hinter ihr war der andere Ninja noch immer schwer damit beschäftigt, ihr das Sweatshirt über den Kopf zu ziehen.
Als sie spürte, wie die kalten Vampirfinger an ihrem Slip herumhantierten, hörte sie ein lautes Knallen. Der Griff der Vampirfinger um ihre Unterwäsche löste sich; dann fielen dem Vampir die Hände ganz herab und ließen den Slip in der ursprünglichen Position zurück, wenn auch nur knapp.
Der Ninja hinter ihr hörte auf, am Sweatshirt herumzuzerren. »Was zum Teufel?«, fragte er und klang verwirrt.
BÄÄÄM!
Kacy spürte den Luftzug einer Kugel, die an ihrem Schädel vorbeipeitschte. Der Vampir hinter ihr ließ sie augenblicklich los, und sie kippte rückwärts und schlug sich den Kopf heftig am Fußboden. Wie sie dort auf dem Rücken lag, fühlte sie sich benommener als zuvor und fragte sich, was passiert war. Sie zuckte bei den Schmerzen kurz zusammen, die ihr dieser erneute Schlag auf den Kopf zufügte, kam dann wieder zu sich und erinnerte sich an ihre Zwangslage. Sie griff nach dem Sweatshirt und machte sich daran, es wieder über den Kopf nach unten zu ziehen und so wenigstens einen Teil ihres Anstands zu retten.
Die Detonation des Schusses klingelte ihr noch in den Ohren. Während sie mit dem Sweatshirt kämpfte, hörte sie zwei weitere Schüsse, gefolgt von dem Geräusch, wie zwei weitere Körper zu Boden stürzten. Auf einige Augenblicke der Stille folgte dann Rameses Gaius’ unverwechselbare dröhnende Stimme.
»Zeige dich, du feiger Mistkerl!«, brüllte er.
Kacy konnte den Kopf endlich wieder aus dem Sweatshirt hervorstecken. Sie holte tief Luft und blickte sich um. Die Sicht war immer noch verschwommen, aber Kacy konnte sich wenigstens wieder im Ansatz orientieren. Dante lag wenige Meter entfernt am Boden ausgestreckt. Sie erwartete, auch den Bourbon Kid irgendwo zu sehen. Er hielt sich eindeutig hier auf, denn die Ergebnisse seiner Handarbeit waren sichtbar. Kacy entdeckte zwei tote Vampire zu beiden Seiten Dantes. Beide hatten durch die mörderische Zielsicherheit des Bourbon Kid mit der Pistole tödliche Kopfwunden erlitten. Zwei weitere lagen unweit von ihr auf dem Boden. Einer hatte ein gebrochenes Genick, der andere nur noch einen halben Schädel.
Während Kacy das Blutbad rings um sie weiter betrachtete, blendete ein hellblauer Blitz sie auf einmal. Sie entdeckte auch den Ursprung. Gaius feuerte aus beiden Händen blaue Laserstrahlen ab und zielte damit blindwütig in alle Richtungen. Wo jedoch war der Bourbon Kid? Zahlreiche Statuen und Displays standen hier herum, die ihm Versteck boten, und es schien, dass Gaius seinen Standort einfach nicht fand.
Als wären die Laserstrahlen und Pistolenschüsse noch nicht genug der Schwierigkeiten, hatte einer von Gaius’ blindwütigen Angriffen ein weiteres Problem geschaffen. Ein Satz roter Vorhänge hatte Feuer gefangen und ging gerade in hellen Flammen auf. Kacy saß also nicht nur mit einer wütenden Mumie, einem Serienkiller und einem bewusstlosen Freund in einem Raum fest und wusste dabei auch nicht genau, wo ihre Hose lag, sondern musste sich jetzt außerdem mit der Tatsache auseinandersetzen, dass die Bude in Flammen stand!
Sie rappelte sich auf die Knie hoch und starrte durch den Saal. Man hatte ihre Jeans und Sneakers quer über den Fußboden geschleudert, wo sie nicht allzu weit von einem uralten Klavier entfernt lagen, an dem eine Puppe Ludwig van Beethovens saß. Kacy atmete erneut tief ein und kroch groggy auf Händen und Knien dort hinüber.
Hinter sich hörte sie Rameses Gaius fluchen und Laserstrahlen in alle Richtungen feuern. Gelegentlich krachte im Gegenzug ein Pistolenschuss. Gaius und der Kid schossen aufeinander, aber während der Fürst der Untoten offen im Raum stand, versteckte sich der Kid im Schatten der Ausstellungsstücke des Museums.
Kacy streckte die Hand aus und erreichte die Jeans mit den Fingerspitzen. Dabei jagte ein blauer Laserblitz neben ihr in den Fußboden, prallte ab und zuckte wenige Zoll an ihrer Nase vorbei. Die Zeit war eindeutig knapp. Die von den Vampiren so eilig herabgezogene Jeans war fast völlig umgekrempelt. Als sie sie aufhob, fiel etwas aus einer der vorderen Taschen. Es war der kleine Gegenstand, den Vanity ihr gegeben hatte. Sie dachte an jenen Augenblick zurück, als er ihr das Ding in die Hand drückte. »Benutze es …«, hatte er gesagt.