11.

Ich lächelte Wesmayer in der Kajüte seines Boots an, den Geruch des Schießpulvers und die weitere Chance genießend.

"Sie sind nicht tot", sagte Wesmeyer. Er schüttelte seinen Kopf und rieb sich die blutunterlaufenen Augen.

"Wir sterben alle, die ganze Zeit."

Er blickte seinen Revolver an, dann wieder mich. "In meinem Fall möchte ich die Sache nur beschleunigen."

"Es gibt nichts, das es wert ist, sich deswegen umzubringen", sagte ich. "Glauben Sie mir, ich weiß es."

"Wer sind Sie? In Wirklichkeit? Denn Sie sind nicht wirklich. Sie sind jetzt gerade nicht einmal hier." Er starrte auf die Flasche Scotch, als ob ich der daraus entsprungene Flaschengeist wäre.

"Ich bin ein Freund."

"Ein Freund? Ich habe keine Freunde." Der Lauf des Revolvers neigte sich nach unten, deutete aber immer noch in meine Richtung.

"Es gibt doch bestimmt jemanden, der sich um Sie sorgt. Haben Sie Familie?"

"Zwei Töchter", antwortete er mit vom Alkohol gezeichneter Aussprache. "Eine habe ich verloren, die andere habe ich nie gekannt."

"Sie haben mehr, als Sie ahnen. Geld, Auszeichnungen, die Nummern von Filmsternchen in ihrem Kurzwahlverzeichnis. Sie sind ein Produzent, der was auf die Reihe kriegt. "Tanz des Staubs", "Liebe am Nachmittag", "Der lange Marsch". Wer würde nicht gerne mit dem großen Ron Wesmeyer tauschen wollen?"

Er deutete mit dem Revolver auf seinen Kopf. "Ich habe genug von Ron Wesmeyer."

"Seien Sie kein verdammter Feigling. Es gibt bestimmt einen Grund für Sie zu leben. Einen, der nicht aus Ihnen selbst besteht."

"Ich hab es alles vermasselt", sagte er. "Es gibt keine Hoffnung mehr."

Ich fühlte, wie ich begann, mich aufzulösen. Ich kämpfte darum, meine Existenz im Griff zu halten. Mein Ärger half mir dabei ebenso wie die Erkenntnis, dass ich beim Versuch, die Probleme von jemand anderem zu lösen, mit meinen eigenen konfrontiert wurde.

"Hören Sie, Kumpel." Ich lehnte mich über den Tisch und versuchte, bedrohlich auszusehen. "Wenn Sie eine Chance haben, die Dinge ins Lot zu bringen, sollten Sie sie nutzen."

Er kniff die Augen zu. "Ich muss betrunken sein wie ein Agent. Unterhalte mich mit einem verdammten Geist." Aber der Revolver bewegte sich wieder nach unten.

"Haben Sie jemals 'Ist das Leben nicht schön?' gesehen?"

Er nickte. "Ich war Beleuchter bei den Dreharbeiten."

"Und Sie haben sich hochgearbeitet. An die Spitze, oder zumindest so hoch, dass Sie von den Wolken verdeckt werden."

"Na und? Deshalb bin ich noch lange kein anständiger Mensch. Ich habe in der einzig wichtigen Sache versagt."

"Halten Sie den Film nicht an, bevor der Abspann zu Ende ist. Sie können die Dinge immer noch ins Reine bringen. Glauben Sie mir, ich bin ein ausgewiesener Spezialist für Neuauflagen."

Er legte den Revolver auf den Tisch und nahm einen Schluck Scotch. "Zumindest kann ich in meinem Abschiedsbrief mit Fug und Recht behaupten, dass ich verrückt geworden bin. Ich habe einen Geist als Psychiater."

Ich schenkte ihm einen Einzeiler, der so gut war, dass er ihn wahrscheinlich in seinem nächsten Film verwenden würde: "Nun, von einem Toten lässt sich einiges über das Leben lernen."

Vor mir saß einer der mächtigsten Filmproduzenten der Welt, herabgesunken zu einem undichten Sack Selbstmitleid. Und ich sollte ihn inspirieren. "Erzählen Sie mir eine Geschichte, Ron. Eine wahre, und dann können Sie wenigstens ohne diese Last auf ihrer Seele sterben, wenn Sie unbedingt wollen."

Er seufzte lang und hohl wie ein Mann mit tauben Fingern, der nichts mehr zu verlieren hat. "Es geht um meine Töchter. Auf meinem Weg nach oben wollte ich nicht von Kindern zurückgehalten werden. Beide sind unehelich. Zu dieser Zeit hatte ich eine Menge Liebschaften. Hollywood war nie für kluges Paarungsverhalten bekannt."

Ich unterbrach ihn. "Ich muss mich jetzt auflösen, aber das bedeutet nicht, dass ich Ihnen nicht zuhöre. Wenn Sie denken, dass es schlimm ist, am Leben zu sein, dann warten Sie erst mal, bis ich Ihnen eines Tages meine Geschichte erzähle."

Meine Substanz löste sich auf und ließ nur mich zurück. Wesmeyers Augen wurden größer, aber er nahm einen Schluck Scotch und fuhr fort. "Ihre Mütter gaben sie in Waisenhäuser. Ich hatte mir immer gedacht, dass ich sie eines Tages suchen würde, um herauszufinden, was aus ihnen geworden ist. Ihnen vielleicht helfen, wenn ich konnte. Aber Sie wissen ja, wie das ist. Ich war immer zu beschäftigt mit dem nächsten Projekt. Und dann hat mich eine meiner Töchter zuerst gefunden."

Ich warf ein: "Bailey."

Er nickte, weit darüber hinaus, überrascht zu sein. "Sie wusste auch von der anderen Tochter. Und, dass mein Vermögen etwa zehn Millionen Dollar beträgt und der Krebs meine Leber und meinen Dickdarm erreicht hat. So kurz vor dem Ende dachte ich mir, dass es viel mehr Schaden als Nutzen haben würde, wenn ich sie noch aufspürte. Ein Jahr ist bei weitem nicht genug, um so viel Hass auszumerzen."

Es hörte sich so an, als ob Bailey eine zuverlässige Informationsquelle besaß. Eine Quelle, die ein paar Millionen für sich selbst abgeschöpft haben musste. Der Kapitän nahm noch einen Schluck Scotch und spülte mit dem abgestandenen Kaffee nach. Ich erschauderte aus Mitgefühl.

Er wischte seinen Mund ab. "Ich setzte ein Testament auf, weil ich mir dachte, dass ich meine Nutzlosigkeit als Vater ausgleichen könnte, wenn ich ihnen viel Geld hinterlassen würde. Ein schwacher Ersatz für Liebe, das weiß ich auch, aber besser als gar nichts. Aber irgendwie ist sogar das schief gegangen."

Klar. Bailey hatte von dem Geld erfahren und wollte alles für sich. Und eine Person namens Lee stand ihr im Weg. Meine Batterien waren fast völlig leer, aber ich sammelte Kraft in meiner Stimme für eine Frage: "Weiß sonst noch jemand von Ihren beiden Töchtern?"

"Nein", sagte er, durch mich hindurch die Wand anstarrend. "Ihre Mütter sind gestorben, die eine bei einem Autounfall, die andere durch Pillen. Deshalb ... Moment mal. Mein Anwalt hat mein Testament aufgesetzt."

Bingo.

"Tun Sie mir einen Gefallen", sagte ich. "Wenn Sie mit Ihrer Geschichte fertig sind, greifen Sie zum Telefon und rufen Sie ihre andere Tochter an. Das Leben ist zu kurz, und es gibt keine Hölle, die heißer ist als die, die mit "hätte sollen" und Reue angefüllt ist.

Ich hoffte, meine Sachbearbeiterin würde von meiner guten Tat erfahren. Sogar der Weihnachtsmann weiß, wer ungezogen und wer artig war. Und wenn der Weihnachtsmann das wissen konnte, konnte es jeder. Ich schwebte schwach nach Los Angeles zurück, in die Stadt der Engel.

***

Dunkle Zeiten: Die ultimative Thriller-Collection
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