Kapitel 7
Jetzt ist er gefickt.
Diese New-Age-Trottel waren zu beschäftigt damit, Feenstaub zu rauchen, Kool-Aid zu trinken und in Glaskugeln zu starren, um hinter den Vorhang zu gucken. Wodurch Ann Vandooren die ganze Macht des Zauberers von Oz hatte, und spätestens am Sonntag würden sich Digger Wilson und sein Trupp fröhlicher Gaukler wünschen, dass sie Kansas, Pluto oder wo auch immer diese Versager herkamen niemals verlassen hätten.
Ann hatte vor zwei Tagen eine Videokamera in einer Ecke des Dachbodens versteckt. Sie hatte Zimmer 306 gebucht, so dass sie genau gegenüber dem berüchtigten Zimmer 318 war. Sie hatte ein Loch in die Decke ihrer Kammer gebohrt und heimlich zwei Kabel in den Dachboden geführt. Ein Kabel war mit ihrem Multiplexer verbunden, um Videoaufnahmen auf einer Festplatte zu speichern, während das andere Kabel die Fernbedienung eines Miniprojektors ermöglichte. Die Ausrüstung hatte sie sich vom Lehrstuhl für Optische Wissenschaften an der Westridge University geliehen, wo sie als Ordinarius für Physik lehrte.
Der Trick hatte besser funktioniert, als sie es sich ausgemalt hatte. Mit Duncans Hilfe hatte sie Aufnahmen von sich gemacht, auf denen sie in einem schwarzen Umhang und mit Bühnenschminke vor einem Bettlaken herumtanzte, während sie Lampen von unten anstrahlten. Im Laufe des Bearbeitungsprozesses hatte sie die Aufnahmen umgekehrt, so dass ihr Körper fast durchsichtig erschien. Dann hatte sie das Material in Zeitlupe synchronisiert und so ein leicht wogendes, fast schon sinnliches Ballett geschaffen. Es hatte fast eine Stunde gedauert, bis der Projektor so eingestellt war, dass das Bild durch den Dachboden zu schweben schien, aber das Ergebnis war den Staub und den Schweiß wert.
Ann hatte vermutet, dass Digger wie ein Schwein bei einer Hinterwäldlerhochzeit quieken, aus dem Dachboden fliehen und Zeter und Mordio schreien würde, so dass sie Gelegenheit hätte, ihre Ausrüstung einzusammeln, und das Mysterium SSI für ein paar Tage verrückt machen würde. Dann, wenn alle Konferenzteilnehmer die »Beweise« bestaunt hätten, würde Ann mit ihrer eigenen Version der Fakten hervortreten, die von einer Videoaufnahme des Schwindels gestützt wurde.
Aber Digger hatte sich tatsächlich dem Bild genähert, eher erstaunt als verängstigt. Sie musste ihm dafür beinahe Respekt zollen. Schließlich war seine krankhafte Besessenheit eng mit ihrer eigenen wissenschaftlichen Neugier verwandt. Zu dumm, dass er seine Energie und seine Mittel für Quatsch verschwendete.
»Wie lief’s?«, fragte Duncan Hanratty, ihre wissenschaftliche Hilfskraft und ihr derzeitiger Liebhaber. Er lag auf dem Bett, stützte sich auf die Kopfkissen und las in der neuesten Ausgabe von »Popular Mechanics«.
»Ich zeig dir die Aufnahme später«, sagte sie. »Wenn die Schwindler aufstehen und zu schwafeln anfangen, werde ich das hier hervorzaubern und einen Kübel mit eiskaltem Wasser über ihnen ausgießen.«
»Du bist sehr sexy, wenn du so gemein bist.«
»Gut für dich.« Sie fragte sich, ob Digger seinem Team von dem Vorfall berichten würde. Sie würde vielleicht keine Gelegenheit mehr bekommen, zurück auf den Dachboden zu schleichen, vor allem, wenn das SSI-Team seine Kameras laufen hatte. Auch wenn sie nicht alle Tassen im Schrank hatten, wenn es um modernste Technik ging, kannten sie sich aus.
»Was hast du eigentlich überhaupt gegen diese Typen?«, fragte Duncan, warf die Zeitschrift beiseite und rubbelte sein zerzaustes Haar auf diese schläfrige, Teddybär-artige Weise, die ihn so hinreißend machte – für ein paar Minuten am Stück zumindest.
»Diese Pseudowissenschaft bringt die echte Wissenschaft in Verruf«, antwortete sie. »Wir planen die erste Jupiter-Mission, wir haben den genetischen Code entschlüsselt und wir feiern große Durchbrüche auf dem Gebiet der Nanotechnologie. Aber das erzeugt kein Gefühl des Erstaunens mehr. Die Leute wollen sich lieber mit Illusionen beschäftigen.«
»Sieht aber immer noch wie ein vergeudetes Wochenende aus«, sagte Duncan. »Wir könnten unsere Zeit im Labor verbringen.«
»Du bist zu jung, um das zu verstehen.« Das war ihre Lieblingsstichelei, obwohl er Mitte zwanzig und nur fünfzehn Jahre jünger war als sie.
»Ich verstehe es sehr wohl«, sagte er. »Du musst davon überzeugt sein, dass du Recht hast, und du willst, dass andere Menschen wissen, dass sie Unrecht haben.«
Ann überprüfte ihren Laptop und vergewisserte sich, dass die anderen Köder bereit waren. Sie hatte ein paar digitale Abspielgeräte über das Hotel verteilt, die ferngesteuert werden konnten. Wiedergegeben wurden kryptische, kurze Sätze wie der, mit dem sie Digger im Dachboden konfrontiert hatte. »Du blendest mich« war einer der naheliegendsten, wenn man bedachte, dass Geisterjäger in der Regel im Dunkeln arbeiteten und Taschenlampen einsetzten.
»Das Problem ist, dass sie nicht wissen, dass sie Unrecht haben«, sagte sie. »Sie versuchen, etwas nicht Existierendes zu beweisen.«
»Nun, deine wissenschaftliche Methode ist aber auch nicht gerade unvoreingenommen«, sagte Duncan mit dieser wütend machenden Selbstgefälligkeit. Oder vielleicht wurde Ann auch nur wütend, weil er nicht ganz Unrecht hatte. »Du kannst dein Vorgehen nicht gerade als methodisch und objektiv betrachten, weil du fest davon überzeugt bist, dass Geister nicht existieren. Deshalb versuchst du nur, eine von vorneherein feststehende Schlussfolgerung zu stützen, anstatt auf vorurteilsfreie Art und Weise Daten zu sammeln.«
»Worauf willst du hinaus?« Das war die übliche Reaktion derjenigen, die sich in einer schwachen Position befanden. Aber zumindest hatte sie Macht, den gemeinsamen Vergnügungen ein Ende zu bereiten, wenn es nötig war.
»Du nimmst es zu persönlich.«
»Ich hab keine Ahnung, was du damit sagen willst.«
»Ich auch nicht wirklich, aber es ist so.«
Sie klickte sich durch mehrere Programme auf dem Laptop. Sie war nicht in der Stimmung zu diskutieren oder zu necken, was bei Duncan in der Regel auf das Gleiche hinauslief. Sie hatte die Hälfte ihrer männlichen und eine ihrer weiblichen Assistentinnen verführt, seit sie ihren Doktor gemacht hatte, und Duncan war der erste, für den sie fast schon Gefühle empfand. »Weißt du, was paradox ist?«
»Du als Fan bei einem NASCAR-Rennen?«, sagte er, während seine Hand sich in Richtung seines Gürtels bewegte.
Sie trug Jeans und ein Sweatshirt, das dem Fahrer Dale Earnhardt huldigte. Ihr Haar war zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, anstatt wie sonst in ungebändigten und aufsässigen Locken zu wallen. Die größte Beleidigung war eine Carolina Panthers Baseballmütze, die sie sich ins Gesicht gezogen hatte. Aber die Verkleidung hatte funktioniert, als sie während einer ersten Erkundungstour in einem beengten Hinterzimmer gelandet war, in dem die Hotelangestellten missmutig im Zigarettenqualm herumsaßen. Sie hatte zwar nicht das faltige, gezeichnete Aussehen der geborenen Unterschicht, aber sie war als Arbeiterin durchgegangen, weil sie eine konspiratorische Handbewegung gemacht hatte, die die Meinung »Was soll man an so einem Ort auch anderes machen?« zum Ausdruck gebracht hatte. Eines der Zimmermädchen hatte sie sogar zur Personaltreppe geschickt, die nur selten benutzt wurde.
»Halt die Klappe und hör zur Abwechslung mal zu«, sagte sie. »Ich versuche, objektiv zu sein.«
»Schieß los.«
»Wenn wir annehmen, dass hier 50 Leute gleichzeitig ihre Energien auf Geister konzentrieren, was ist, wenn die gemeinsame elektromagnetische Kraft der neuronalen Vernetzung ihrer Gehirne zu einer leichten Veränderung des normalen elektromagnetischen Felds des Hotels führt? Und dann diese Veränderung zu Halluzinationen, Bewusstseinstrübungen und einem Gefühl des Beobachtet- oder Berührtwerdens führt?«
»Du denkst an die Kraft des Wunschdenkens?«
»Oder vielleicht nur Projektionen oder selbsterfüllende Prophezeiungen.«
»Das ist das Dumme mit dem Übernatürlichen«, sagte Duncan. »Es steht über den Naturgesetzen und kann folglich weder gemessen, quantifiziert oder verglichen werden. Es ist so, wie über Religion zu diskutieren. Nehmen wir an, ein Kind wird von einer Flutwelle davongeschwemmt, bleibt aber in einem Ast hängen und überlebt. Seine Rettung wird als wunderbarer Beweis für die Gnade Gottes bezeichnet, aber was ist mit denen, die ertrunken sind?«
»Sie werden als wasserdurchtränkte Geister zurückkommen?«
»Ist dir aufgefallen«, fragte er, »dass die meisten unserer Unterhaltungen in der Gestalt von Fragen ablaufen?«
»Und ist das schlecht?«
»Du liebst es, schlecht zu sein.« Duncan wälzte sich vom Bett und stand hinter ihr. Er küsste ihren Nacken und blickte über ihre Schulter auf den Bildschirm. »Hey, haben sich die Lichtverhältnisse im Dachboden gerade verändert?«
»Was wäre, wenn wir zufällig einen unwiderlegbaren Beweis für die Existenz des Jenseits finden würden, während wir damit beschäftigt sind, es zu widerlegen?«
»Das wäre ein Wunder«, sagte er.
Ann klickte sich durch die Dateien auf ihrem Computer. Sie hatte noch fünf manipulierte Videoclips und eine Mappe voller überlagerter Standbilder. Sie hatte eines für Digger benutzt, aber sie konnte es noch einmal verwenden. Vielleicht würde sie warten, bis mehrere wahre Gläubige anwesend waren, um dem Beweis des Unmöglichen beizuwohnen.
Sie wechselte zum Bild, das die Spionagekamera vom Dachboden übertrug. Das Licht änderte sich und sie fragte sich, ob Digger für eine genauere Untersuchung zurückgekehrt war, aber die Schatten blieben reglos. Sie lächelte. Derartige fantasieanregende Eindrücke würden den durchschnittlichen Geisterjäger in einen Taumel der Glückseligkeit versetzt haben.
»Wir haben ein paar Stunden totzuschlagen bis zur großen Vorstellung«, sagte sie und drehte sich um, um seinen Kuss zu erwidern.
»Willst du unsere Diskussion im Bett fortsetzen?«
»Wirst du endlich die Klappe halten?«