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Er schaute auf das Display. Drei Uhr zweiundvierzig.

Keine weiteren Mitteilungen waren hereingekommen. Nichts, das den Informationen widersprach, die er von seinen beiden Informanten bei der Polizei bekommen hatte.

Er schaltete das Gerät aus, um die Batterie zu schonen, und starrte auf das Gebäude vor ihm, den Haupttrakt des Krankenhauses von Ealing. Eine Stunde nachdem er die Nachricht gehört hatte, war er mit dem Taxi hergekommen.

Noch war es Zeit zu handeln.

Es war Neujahr, ein Sonntagmorgen, also war das Krankenhaus nur mit dem nötigsten Personal besetzt. Bestimmt ging es sehr ruhig zu.

Die kurzen Telefonate mit seinen Informanten hatten ergeben, dass er Glück gehabt hatte. Bis jetzt.

Er wusste, dass sie bislang noch am Leben war. Vor zwei Stunden war sie von einem Krankenwagen hergebracht und sofort operiert worden. Sie befand sich in einem kritischen Zustand und hatte das Bewusstsein noch nicht wiedererlangt, aber die Ärzte hatten sich hoffnungsvoll geäußert.

Also wurde es Zeit, hineinzugehen und die riskanteste Tat seines Feldzugs in Angriff zu nehmen.

Alles hing von der nächsten Stunde ab.

Er schimpfte vor sich hin. Wäre er nicht so nachlässig gewesen, dann müsste er jetzt nicht hier sein. Alle anderen Opfer waren in seiner Gegenwart gestorben, davon hatte er sich überzeugt. Aber dieses Mal, in seinem traumatisierten Zustand, hatte er sie in einer Blutlache in ihrer Küche zurückgelassen, ohne sich zu vergewissern, dass sie wirklich tot war.

Er hatte sich tatsächlich eingebildet, seine wütende Attacke sei ein Erfolg gewesen.

Wenn es den Ärzten gelang, sie zu retten, dann würde sie, kaum dass sie das Bewusstsein erlangte, seine Identität preisgeben. Mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde es wahrscheinlicher, dass sie seinen Namen aussprach: »John Barclay.«

Er überquerte die Straße und ging auf den Eingang des Krankenhauses zu. Er unterdrückte ein Husten und bemerkte die Ironie daran: Er hatte so lange vorgetäuscht, erkältet zu sein, dass sein ständiges Husten zu einem Automatismus geworden war.

Er schaute nach oben, als er den Eingang erreichte. Nur die halbe Mondsichel war sichtbar. Also war es noch dunkel genug, dass er gute Chancen hatte zu entkommen, selbst wenn Alarm ausgelöst wurde.

Die Türen glitten auf, als er darauf zuging, und er betrat den Eingangsbereich. Zu seiner großen Erleichterung war das Rezeptionspult nicht besetzt. Jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr die Pistole in seinem Gürtel die Jacke ausbeulte, obwohl er die Hände in die Taschen geschoben hatte, um davon abzulenken.

Ein heftiger Schmerz durchzuckte wie ein heißer Blitz seine verletzte Schulter. Kurz fragte er sich, ob er einen Arzt bemühen sollte. Wenn schon die kleinste Bewegung derart schmerzhaft war, obwohl er jede Menge Tabletten genommen hatte, dann brauchte er womöglich ein Antibiotikum. Vielleicht musste die Wunde ja auch genäht werden. Aber er verwarf diesen Gedanken wieder. Er musste jetzt gleich zuschlagen.

Er hob den Kopf. Er durfte sich weder von Gefühlen noch von Schmerzen von seinem Ziel abhalten lassen. Und als sein Blick auf den Wegweiser zur Intensivstation fiel, spürte er, wie seine Kraft wiederkehrte.

Er zog das zerknitterte Foto von ihr aus der Tasche. Ihr Gesicht lächelte ihn an. Das Bild war vor einigen Jahren aufgenommen worden, noch bevor sie sich kennengelernt hatten. Es löste noch immer Gefühle in ihm aus. Doch wenn es einst seine Sehnsucht beflügelt und ihn gedrängt hatte, mit ihr zusammen zu sein, so bewirkte es jetzt das genaue Gegenteil.

Zornig zerknüllte er das Foto.

Der Adventkiller
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