20

Hillingdon war hübsch, stellte Hawkins fest, als sie durch die Wagenfenster einen weiteren Park bemerkte, an dem sie vorbeifuhren. Sie hatten Charles Anderton bei einem Freund in Uxbridge abgeliefert, und der Politiker hatte ihnen erklärte, der Bezirk sei stolz darauf, über fast hundert Hektar freie Flächen zu verfügen, die alle begrünt waren. Sie waren der Grund dafür, dass die Gegend die niedrigste Einwohnerdichte besaß. Und obwohl Hawkins’ Wohnung sich direkt nebenan in Ealing befand, war sie noch nie hier gewesen.

Sie sollte öfter mal einen Spaziergang machen.

Barclay unterbrach ihre Gedanken. »Wo soll’s jetzt hingehen, Ma’am?«

»Nach Hendon.«

Sie verfielen beide in Schweigen, als das Radio eine Werbeeinblendung brachte und auf verschiedene Sendungen hinwies, darunter einen Bericht über die bevorstehende Pressekonferenz zum Adventkiller.

Abgesehen von Mikes Bemühungen, die Wogen des öffentlichen Interesses aufgrund der neuesten durchgesickerten Fakten zu glätten, sollten bei dem Termin keine Neuigkeiten präsentiert werden. Es ging lediglich darum, die bekannten Fakten wiederzukäuen.

Hawkins hoffte nun, dass der Laptop, den sie mit Mühe in ihre Schultertasche gezwängt hatte, die Situation änderte. Angesichts der zurückliegenden Ereignisse sollte sie die Warnungen ihres Vorgesetzten bezüglich des Durchsickerns von Informationen unbedingt ernst nehmen.

Bis auf Weiteres wird also selbst Ihr Team nur bei Bedarf Kenntnis von geheimen Informationen erhalten.

Hawkins hatte über die Details ihres Treffens mit Anderton Stillschweigen gewahrt. Barclay hatte sie nur erklärt, dass die Unterhaltung mit dem Politiker im Flughafen zu ihrer Zufriedenheit verlaufen sei und kein Anlass bestehe, ihn in Gewahrsam zu nehmen. Sie hatte Anderton allerdings dazu verpflichtet, in der Stadt zu bleiben, während sie die beiden anderen Bekannten seiner Frau ausfindig machten, deren Namen er genannt hatte. Darüber hinaus hatte sie angeordnet, ihn weiterhin zu überwachen.

Ihrem jungen Assistenten hatte sie ebenfalls nicht verraten, dass sie im Besitz von Jessica Andertons Laptop war. In der Dienststelle in Hendon würde sie ihn direkt an die Technikexperten weitergeben, damit sie die darauf befindlichen Informationen auswerten konnten.

Sie schaute auf die Uhr, bevor sie sich an Barclay wandte: »John, wenn wir zurück sind, möchte ich, dass alle Teammitglieder in den Konferenzraum kommen, um den Stand der Ermittlungen zu erörtern. Die Opfer stehen alle miteinander in Verbindung, und ich will endlich wissen, wie. Sie haben die gleiche Person verleumdet, ihr etwas entwendet oder mit ihr das Bett geteilt. Wenn wir das Verbindungsglied haben, werden viele andere Puzzleteile an die richtige Stelle kommen. Aber die Zeit wird knapp.«

»Ja, Ma’am.«

Hawkins vermied, tief einzuatmen, als ihr Kollege einen weiteren Hustenanfall bekam. Seit dem Mittagessen wurde es immer schlimmer.

Ein Jingle mit den Schlagzeilen der nächsten Nachrichten ertönte, und sie beugte sich vor, um das Radio lauter zu drehen. Gerade als sie den Knopf zu fassen bekam, klingelte ihr Telefon. Eine unterdrückte Nummer.

»Hallo?«

»Antonia?« Eine männliche Stimme, die sie nicht zuordnen konnte.

»Ja …?« Sie bemerkte Barclays Blick. »Wer ist dran?«

»Sie erinnern sich bestimmt«, fuhr der Anrufer fort. »Danny … Danny Burns. Wir haben uns im Juni auf der Tagung über die Kriminalität der Zukunft kennengelernt.«

Hawkins überlegte. Juni war schon eine Ewigkeit her. Dann erinnerte sie sich wieder. Kurz nachdem Paul ausgezogen war, hatte sie während dieser Konferenz zufällig neben Danny gesessen. Das Seminar war ziemlich öde gewesen, aber die Zeit war schnell verstrichen, weil er ein amüsanter Gesprächspartner war. Sie hatten Telefonnummern ausgetauscht, aber er hatte nie angerufen. Glücklicherweise, denn er wäre wahrscheinlich eine Art Lückenbüßer geworden.

Aber inzwischen standen die Dinge vielleicht anders.

»Oh ja, ich erinnere mich. Wie geht’s dir?«

Aus irgendeinem Grund musste sie an das Sprichwort »ein Unglück kommt selten allein« denken.

»Gut, vielen Dank. Hör mal, ich hoffe du hältst mich nicht für aufdringlich, weil ich einfach so anrufe, aber ich möchte dich gern etwas fragen.«

»Hm-hm?« Hawkins warf Barclay einen verstohlenen Blick zu. Wie peinlich, sich in Anwesenheit eines Kollegen mit einem Mann zu verabreden.

»Du leitest doch die Ermittlungen in diesem Serienkiller-Fall, stimmt’s?«

»Bitte?«

»Dieser Adventkiller, das ist doch dein Fall?«

Auf einmal fielen ihr noch einige Details über Danny Burns ein. Er mochte ja attraktiv sein, aber er war außerdem Journalist, und zwar einer von der übelsten Sorte. Er arbeitete für die Mail.

»Oh, ich verstehe«, sagte sie sarkastisch. »War einen Versuch wert, was? Danke für den Anruf.«

»Nein, ich wollte doch gar nicht …«, konnte Danny noch sagen, bevor sie ihn wegdrückte.

Sie stellte das Handy auf stumm und schob es zurück in ihre Tasche.

»Scheißreporter«, sagte sie zu Barclay. »Einer unverschämter als der andere.«

Der Adventkiller
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