Kapitel 27

Gilles hatte sich einigermaßen erholt, obwohl er immer noch wenig sprach. Manchmal, wenn Judith zu ihm hinblickte, hatte er Tränen in den Augen, und sie wusste, dass er jeden Abend für die Seele des toten Robert betete.

Nachdem sie das Herzogtum Sachsen hinter sich gelassen hatten, fühlten sie sich alle deutlich sicherer. Sie begegneten einer Gruppe Kaufleute und erfuhren von ihnen, dass sich Philipp nicht mehr in Hagenau befand, sondern mit seinem Hofstaat nach Franken gezogen war. Inzwischen wusste jeder im Reich, wie der päpstliche Bescheid hinsichtlich der Thronfrage lautete, und Gerüchte waren im Umlauf, ob und wann der Papst den Bann folgen lassen würde.

»Müssen sich denn nicht selbst ohne den Bann alle Bischöfe von Philipp lossagen«, fragte Markwart, »wenn der Papst die Anerkennung Ottos als deutscher König fordert?«

Das wollte Judith auch wissen. Da es früher weder sie noch ihren Vater betroffen hatte, welcher christliche Herrscher gerade exkommuniziert worden war und welcher bei der Kirche in der Gunst stand, wusste sie nichts darüber, wie sich Bischöfe in einem solchen Fall verhielten. Sie konnte sich dunkel daran erinnern, dass Wolfger von Passau dem sterbenden Herzog von Österreich Bußbedingungen überbracht hatte, doch damals hatte sie nur gekümmert, dass er die Hetze gegen ihren Vater nicht noch schlimmer gemacht hatte.

»Die letzten drei englischen Könige waren wenigstens einmal in ihrem Leben gebannt«, sagte Gilles. »Die meisten Bischöfe sagten sich, dass der Papst in Rom weit weg war und der König sehr nahe. Ist das im deutschen Reich anders?«

»Früher, als die Soldaten des Kaisers in Italien standen, war es bestimmt genauso«, sagte Walther mit erhobener Augenbraue. »Nur anders herum: Die deutschen Bischöfe waren weit weg, die Truppen des Kaisers dafür ganz nahe beim Papst. Aber jetzt sind die deutschen Herren, denen der Kaiser Land in Sizilien, der Lombardei und Apulien gegeben hat, entweder wieder hier im Reich, oder sie müssen selbst kämpfen, um sich dort zu halten. Alles, was nördlich des Kirchenstaats liegt, sieht sich offenbar nicht mehr als Bestandteil des Reiches. Es gibt also niemanden im Süden, der auch nur auf den Gedanken kommt, für die Staufer in Richtung Rom zu marschieren.«

»Werden die Bischöfe also alle zu Otto umschwenken?«, fragte Judith beunruhigt.

»Ich glaube, deswegen ist Philipp nach Franken unterwegs. Die Bischöfe sind meist auch Fürsten und dem König verpflichtet, das macht es kompliziert. Der Erzbischof von Bamberg gehört aber zu den wenigen hochrangigen Klerikern, die ihn unterstützt haben, und er will wohl sicherstellen, dass das so bleibt. Erst recht, nachdem der Bischof von Würzburg sein Kanzler ist. Der Mann ist zwar noch nicht von Rom bestätigt, hat dafür aber bereits angefangen, den Welfen Angebote zu machen, um ihre Hilfe beim Papst zu erreichen.«

»Und du weißt das, weil …«, begann Judith, die bemerkt hatte, dass er in einem sehr bestimmten Tonfall von den Angelegenheiten des Würzburger Bischofs sprach. Die vertraulichere Anredeform glitt ihr über die Zunge, ehe sie darüber nachdachte; sie merkte erst, dass sie Walther wie einen Freund und Vertrauten angesprochen hatte, als sie Gilles lächeln sah. Zum Glück war Walther gerade zu beschäftigt damit, sich verlegen zu räuspern, um das zu bemerken.

»Weil ich seine rechte Hand erst auf den Gedanken gebracht habe. Wir sind unter deren Geleitschutz nach Braunschweig gekommen, Markwart und ich.«

Judith horchte in sich hinein, ob es sie wirklich kümmerte, dass Philipp möglicherweise einen seiner wenigen kirchlichen Anhänger verlor, und kam zu dem Schluss, dass es sie nicht weiter traf. Ob das nun an ihren eigenen Zweifeln lag oder an Walther, das wusste sie nicht. Auf jeden Fall war es ganz und gar nicht gut: Gleichgültigkeit war das Schlimmste, das ihr geschehen konnte. Sie konnte entweder Philipp dienen oder ihre Abscheu vor Otto überwinden, aber sie musste es mit Überzeugung tun, nicht halbherzig. »Wir müssen Philipp hinterherreisen«, sagte Judith deshalb bestimmt. Sie würde sich noch einmal überzeugen, ob er es wert war, ihm zu dienen. Das war besser, als fruchtlos über ihre eigenen Taten zu grübeln.

»Nun, in Franken war ich noch nie«, sagte Gilles nachdenklich.

»Ich schon. An Nürnberg habe ich sehr lebhafte Erinnerungen«, bemerkte Walther und formte mit seinen Lippen einen Kuss. Nun war es an Judith, sich zu räuspern. Aber immerhin half es ihr, nicht nur an Philipp, Otto oder ihre eigene Verantwortung für die jetzige Lage zu denken – zumal sie sich immer schwerer tat, all die Gründe nicht zu vergessen, warum es eine schlechte Idee wäre, sich auf Walther einzulassen. Selbst das Schlimmste, was er getan hatte – sein Mitwirken, ganz gleich in welchem Umfang, am Tod von Salomon und den Seinen –, hatte nun ein Gegengewicht, weil er ihr, ohne zu zögern, geholfen hatte, Gilles zu retten; ohne ihn wäre es überhaupt nicht möglich gewesen.

»Über Nürnberg müssen wir nicht nachdenken, wenn es Philipp um Würzburg und Bamberg zu tun ist«, stellte sie fest. Walther sah einen Moment lang geknickt drein. Als er bemerkte, dass sie zu ihm hinschaute, übertrieb er seinen Gesichtsausdruck bis hin zur Grimasse und zwinkerte ihr zu. Dieser Mann hat Augen, die lachen können, dachte Judith. Dass er sich häufig über sich selbst lustig machte, war eine Eigenschaft, die ihn für sie immer wieder anziehender machte, als er es eigentlich Recht hatte zu sein.

»Wie steht es eigentlich um das Geld?«, fragte Markwart. »Vier Leute allein, das wird nicht billig bis Franken, selbst wenn wir nirgendwo Räubern begegnen. Und«, schloss er bedeutungsvoll, »ich habe fast alles ausgeben müssen, um schnell Pferde für die Magistra und ihren … Gemahl zu bekommen.«

Judith trug ihre Ersparnisse bei sich; sie genügten gerade noch, um für Gilles und sich selbst in Herbergen und Spitälern zu bezahlen, nachdem sie Markwart und Walther das Geld für die Pferde zurückgegeben hatte. Doch sie waren sich einig, dass es vor allem sicherer war, mit einem größeren Tross zu reisen und sie versuchen würden, sich dem nächsten Kaufmannszug anzuschließen, dem sie begegneten.

»Oder der nächsten Pilgerschar«, sagte Markwart. Walther schüttelte den Kopf.

»Nein, keiner Pilgerschar«, entgegnete er rauh.

Da er Judith von seinem eigenen Zug nach Rom erzählt hatte, wusste sie, was er meinte. »Welchem Zug auch immer wir uns anschließen«, sagte sie rasch, »es sollte nicht schwer sein, Geld zu sparen. Ich kann meine Dienste als Ärztin anbieten, Gilles sollte bald wieder in der Lage sein, als Bewaffneter zur Sicherung der Gruppe beizutragen – und jeder Reisende auf langer Fahrt ist dankbar für Zerstreuung am Abend.«

»Da hat man für Bischöfe, Herzöge und zweifelhaft gekrönte Könige gespielt und endet doch als Straßengaukler«, seufzte Walther. Markwart grinste.

»Das hätte ich dir gleich sagen können, als du unbedingt nach Wien wolltest.«


Es war schwieriger, als Judith geglaubt hatte, einen geeigneten Tross zu finden; zu viele hatten die Gerüchte gehört, dass Otto einen Heerzug in südlicher Richtung machen würde. Am Ende verbrachte Judith einige Tage in einem Spital damit, die Reisenden dort zu verarzten. Das erhöhte ihre Barschaft wieder, doch es bedeutete auch, dass ihr allmählich bestimmte Kräuter ausgingen und sie darauf angewiesen war, möglichst bald in einem Kloster ihre Vorräte aufzufüllen. Immerhin stellte sich der längere Spitalaufenthalt dann als ein Glücksfall für sie heraus, weil am Abend des vierten Tages just die Leute des Bischofs von Würzburg einkehrten, mit denen Walther nach Braunschweig gereist war. Sie befanden sich auf dem Rückweg, und Botho war guter Stimmung, was wohl hieß, dass der Pfalzgraf sich wohlwollend gezeigt hatte. Er war von Heinrich aber leider auch befragt worden, ob er etwas davon wisse, dass zwei Unbekannte in welfischen Rüstungen einen Gefangenen befreit hatten, der mit einer ebenso verschwundenen Ärztin aus Salerno zusammenlebte. »Nun, Herr Walther, ich hatte meine Vermutungen, aber natürlich sprach ich in eigenem Interesse nicht darüber, wen ich mit in die Stadt gebracht hatte. Doch wenn ich Euch nun mit der Magistra und einem Mann sehe, der offensichtlich gefoltert wurde, wüsste ich doch zu gerne, was dahintersteckt und warum Ihr Braunschweig so plötzlich verlassen habt.«

Walther erzählte Judith dies, als er sie beim Einsalben des geschwollenen Knöchels eines Franzosen fand, der auf dem Weg nach Köln war. »Was hast du ihm gesagt?«

»Nun, ursprünglich wollte ich Botho weismachen, dass ich mit meiner Geliebten durchgebrannt bin, aber dann hätten wir keine Erklärung für Gilles gehabt. Also musste ich mir etwas anderes einfallen lassen.«

Judith schaute auf, als er schwieg. Er hatte seine Arme verschränkt, und ein kleines Lächeln spielte um seine Lippen. »Was war es?«

»Rate«, sagte er vergnügt. Man brauchte kein Meister des Scharfsinns zu sein, um zu spüren, dass er Freude daran hatte, sie zu necken. Es erinnerte sie an die lang entfernten Tage in ihrer Kindheit, ehe ihre Geschwister und die Mutter gestorben waren. Als Junge musste Walther gleichzeitig unerträglich und wunderbar gewesen sein. Leider konnte sie Markwart nicht danach fragen, da er ihr aus dem Weg ging.

»Du hast zugegeben, einen Gefangenen befreit zu haben, weil es dir ein Vergnügen war, die Torwächter zu täuschen«, gab Judith zurück. Walther machte eine wegwerfende Handbewegung.

»Nein, das hätte mir nie jemand geglaubt, das wäre viel zu unwahrscheinlich. Da könnte ich ja gleich sagen, ich sei ein Sänger mit dem Ehrgeiz, den Lauf der Welt zu beeinflussen, und doch zu dumm, eine Weise zu finden, die mir Gehör bei der einzigen Frau verschafft, auf die es mir ankommt.«

Es war leichthin als Teil seiner Neckerei gesagt, aber Judith hörte es wohl, und sie dachte, dass Walther vielleicht auf diese Weise am besten Geständnisse machen konnte: indem er ein inneres Anliegen als Scherz darbot. Vielleicht … vielleicht war dies ein Weg, den auch sie gehen konnte. »Das ist in der Tat geradeso wenig glaubhaft«, entgegnete sie im gleichen Tonfall, »wie eine Jüdin aus Köln, die als Ärztin vieles an anderen Menschen verstehen kann, aber nicht ihr eigenes Herz.«

»Seid Ihr jetzt fertig, Magistra?«, fragte der Kaufmann auf Latein. »Wer ist dieser Mann?«

»Walther von der Vogelweide, zu Euren Diensten«, sagte Walther in der gleichen Sprache. »Auch ich brauche die Magistra. Mit meinem Gehör stimmt etwas nicht – ich glaube, ich höre Dinge, die ich noch nie vernommen habe.«

Der Kaufmann schaute von Walther zu Judith, brummte »Bah« und drückte ihr, nachdem sie das Auflegen des Verbandes beendet hatte, zwei Münzen in die Hand.

»Was also hast du den Würzburgern gesagt?«, fragte Judith, während ihr Herz hämmerte und sie bereits befürchtete, sich mit ihren Worten zu weit über die Brüstung eines hohen Turms hinausgelehnt zu haben. Außerdem sollte sie es wissen, ehe sie selbst einem der Leute Bischof Konrads über den Weg lief.

»Dass die Pfalzgräfin mich mit der heiklen Aufgabe betraut hat, so schnell wie möglich einen Mann aus der Stadt zu schaffen, den ihr Gatte weder tot sehen wollte noch weiter im Gewahrsam von Menschen, denen Gilles unliebsame Geschichten aus Aquitanien erzählen könnte.« Er lachte. »Wenn der Ruf der Welfen nun auch Gerüchte über deren Vorliebe für Männer beinhaltet, ist es mein Verdienst«, schloss Walther reuelos. Er trat näher an sie heran. »Aber das ist keine Auskunft, die dir hilft, dein Herz besser zu verstehen.«

Es wäre möglich, ihn mit einer spitzen Bemerkung abzufertigen; Judith hatte ein Dutzend zur Hand. Es wäre auch möglich, einfach zu schweigen und davonzugehen. Aber beides wäre unehrlich und eine Flucht gewesen. Und wenn es nicht wortwörtlich um ihr Leben oder das eines anderen Menschen ging, wollte Judith nicht mehr fliehen.

»Ich glaube nicht an Worte, die alles entschlüsseln können, was wir in uns verbergen«, sagte sie. »Und ich glaube, dass nichts gefährlicher ist als eine zu schnelle und falsche Diagnose. Walther, ich habe Menschen gesehen, die fürs Leben verstümmelt wurden, weil ein Arzt zu wissen glaubte, was ihnen fehlte, und nicht bedachte, dass er sich irren könnte.«

Er trat noch etwas näher an sie heran. Sie konnte erneut die Sommersprossen auf seiner Nase zählen, die kleinen Fältchen, die sich um seine grünen Augen gebildet hatten, obwohl er noch jung war. Sie konnte sogar den Rauch des Kaminfeuers an ihm riechen, das in der großen Spitalhalle brannte, wo er vor den anderen Reisenden gesungen hatte.

»Und ich«, sagte Walther, »habe Menschen ihr Leben an einem Ufer verträumen sehen, weil sie nie den Mut hatten, ins kalte Wasser zu springen, um herauszufinden, wohin der Strom sie trägt. Vielleicht war der Fluss voller Tücken, ja, aber vielleicht hätte er sie auch an einen besseren Ort gebracht. In jedem Fall fanden sie es nie heraus. Nicht, wohin der Fluss sie gebracht hätte, und noch nicht einmal, was es bedeutete, zu schwimmen.«

Wieder lag ihr die Bemerkung auf der Zunge, dass es in der Welt viele Flüsse gab und gar manchen Lehrer für die Kunst des Schwimmens. Doch leider fehlte ihr der Zorn, der sie in der Vergangenheit befähigt hatte, ihre Zunge wie eine Klinge gegen ihn zu führen. Einen Menschen, den man mochte, nicht verletzen zu wollen, war wie ein Fischernetz, das einen fesselte, lähmte und entwaffnete.

Nein, nicht lähmte, bestimmt nicht. Sie fühlte sich alles andere als gelähmt; sie fühlte sich so lebendig wie selten, außer wenn ihr ein besonders schwieriger Eingriff oder eine ausgesucht komplexe Mixtur gelang, doch selbst dann war dem berauschenden Gefühl, am Leben zu sein, kein Hunger auf mehr beigemischt, so wie jetzt.

Eine alte Redensart fiel ihr ein, etwas, mit dem die Lehrer in Salerno prahlende Studenten herausforderten. Es war die Geschichte eines griechischen Fünfkämpfers, der immer wieder und wieder über seine Leistungen bei einem Weitsprung in Rhodos tönte, bis die Leute genug von seiner Prahlerei hatten und ihn aufforderten, sich an Ort und Stelle zu beweisen.

»Hier ist Rhodos, springe hier«, murmelte Judith. Dann schloss sie die Handbreite, die als Abstand zwischen ihnen verblieben war, und nahm sich seinen Mund.


Botho war zwar willens, Judith und Gilles mit ihnen reisen zu lassen, bestand aber darauf, dass die beiden im Wagen blieben, den er in Braunschweig für Bischof Konrad erworben hatte. »Seine Gnaden wartet in einem Kloster bei Frankfurt, um mit uns weiter nach Würzburg zu ziehen. Ob er Euch gestatten wird, mit ihm zu reisen, bleibt dahingestellt. Was ich auf jeden Fall vermeiden will, ist Unruhe bei meinen Männern.«

»Ich bin schon öfter in Gruppen gereist«, sagte Judith, »und nie …«

»Nun, das war sicher, bevor sich Euer Gemahl als Liebhaber von Männern herausgestellt hat. In Braunschweig hat jedermann nach seiner Flucht von nichts anderem mehr gesprochen. Mir ist’s gleich, aber ein Teil von meinen Leuten wird deswegen hinter seinem Hintern her sein und ein Teil hinter Eurem. Deswegen reist Ihr beide im Wagen, oder Ihr reist nicht mit uns.«

Sie wusste nicht, ob sie diese Worte als mehr beleidigend oder lächerlich empfand, aber es war unwahrscheinlich, dass sie so schnell einen weiteren Tross auf dem Weg nach Franken finden würden. Daher fand sie sich mit Gilles und einem Haufen Gepäck im Wagen wieder, der noch nicht für den Bischof mit mehreren Lagen Fellen ausgestattet worden und daher sehr unbequem war.

»Du siehst glücklich aus«, sagte Gilles zu ihr.

»Wir sind umgeben von einem Haufen Narren, denen ihr Anführer zutraut, einem von uns beiden Gewalt anzutun, der Weg ist noch nie befestigt worden, und mir wird bei jedem Schlag des Rades etwas schlechter«, protestierte Judith.

Gilles schenkte ihr ein kleines Lächeln. »Ja, aber du siehst trotzdem glücklich aus.«

Sie errötete und fragte sich sofort schuldbewusst, wie er sich fühlen musste; der Tod von Robert lag erst drei Wochen zurück. Außerdem war sie zwar nicht seine Gemahlin im üblichen Sinn, doch sie war alles, was er hatte.

»Ich … ich weiß nicht, ob ich glücklich bin«, sagte sie. Ohne darüber nachzudenken, fuhr sie mit ihren Fingern über ihre Lippen. »Es ist alles so neu für mich.«

»Neu?«, fragte er überrascht. »Ich dachte in Köln, da wäre schon etwas gewesen. Dein Onkel auch. Hat mich eigens darauf hingewiesen und gesagt, ich solle auf meine Frau achten.«

Diesmal war die Röte, die ihr in die Wangen stieg, die des Zorns. Was für ein Heuchler, dachte sie aufgebracht: Nur Stefan brachte es fertig, ihr einerseits Geschichten von Esther und König Xerxes zu erzählen und andererseits ihren Gatten zu ermahnen, auf ihre Tugend zu achten.

»Mein Onkel?«, begann sie wütend. »Wenn er so mit dir gesprochen hat, warum hast du nie etwas davon zu mir gesagt?«

Im Halbdunkel des Wagens konnte sie gerade noch erkennen, dass Gilles’ Augen sich weiteten. »Es hätte dir nur Kummer gemacht«, sagte er. »Bitte, sei nicht wütend auf mich.« Judith rückte näher und legte ihm einen Arm um die Schultern.

»Du bist der beste Freund, den ich je hatte, Gilles. Ich werde nie etwas anderes als froh sein, dass es dich gibt.«

»Und wenn dein Sänger dich ganz für sich haben will?«

»Er ist nicht mein Sänger«, sagte Judith. »Er ist – Walther. Und ich weiß noch überhaupt nicht, was … ob ihn nicht vor Ende des Jahres der Wind irgendwo anders hin blasen wird als mich.«

»Aber möchtest du denn, dass dein … dass Walther weiter in deiner Nähe bleibt?«

Sie biss sich auf die Lippen und dachte an Walthers Hände, so sicher und geübt an ihrem Körper wie die eines Arztes, und daran, woher er diese Art von Übung wohl hatte. Sie dachte an ihre eigenen Hände, an das, was sie damit in den letzten Monaten entdeckt hatte. Sie dachte auch daran, dass sie nur deswegen nicht miteinander geschlafen hatten, weil sie in dem Spital keinen Raum gefunden hatten, wo sie alleine sein konnten, und daran, dass man auch im Schatten und in Ecken gedrückt viel mehr tun konnte, als sie früher für möglich gehalten hätte, bevor ihr Maria mehr und mehr davon erzählte. So war sie jetzt noch zornig, nicht beschämt, dass ausgerechnet Botho sie ertappt und ihre Zweisamkeit unterbrochen hatte, als er mit einem zynischen Abendgruß vorbeigegangen war. Judith dachte daran, dass sie nicht wusste, ob sie weniger oder mehr sie selbst gewesen war in jener Stunde, nur, dass ihr Mund trocken wurde und ihr Puls schneller ging, wenn ihr nur Kleinigkeiten dieser Begegnung wieder einfielen. Galens Theorien vom Gleichgewicht der Säfte im Körper halfen ihr dabei kein bisschen.

»Ja«, sagte sie. »Aber als ich noch ein Kind war, wollte ich ständig Honigkuchen essen, und wenn ich das getan hätte, dann würde ich heute nicht mehr alle meine Zähne haben.«

Gilles zupfte sie an der Nase. »Männer sind keine Honigkuchen, Jutta. Glaub mir, ich weiß es.«


Ob Bothos Vorsicht nun übertrieben oder angemessen war: Niemand belästigte Judith oder ihren Gatten während der Reise. Stattdessen taten die Männer des Bischofs alles dafür, bei den abendlichen Waffenübungen gegen Gilles antreten zu können, der eigentlich nur mit Markwart üben wollte. Aus dem Vorsatz, dem Liebhaber von Männern ihre Überlegenheit zu beweisen, wurde aber nichts, und ein Herausforderer nach dem anderen zog gegen Gilles den Kürzeren. Botho war ein besonders schlechter Verlierer und schob es darauf, sich zurückhalten zu müssen, weil man schließlich nur übe, aber es verletzte seine Ehre erkennbar. Judith hatte zuerst alles versucht, um diese Kämpfe zu verhindern, aber Männer waren nun einmal nicht abzubringen, beweisen zu wollen, wer der Überlegenere war. Statt mit dem Schwert schlug man im Tross nun mit hämischen Witzen nach Gilles, bis ausgerechnet Markwart wütend verkündete, es sei genug; der Aquitanier habe für seine Sünden gebüßt. »Ein jeder hat das Recht auf einen neuen Anfang.«

»Also fürchtest du nicht länger um deine Keuschheit?«, fragte Walther neckend.

»Du wirst schon sehen, wer zuletzt lacht«, murmelte Markwart düster, »wenn du mit deinem Mädchen und Gilles gemeinsam im Bett landest, so, wie die aneinander hängen. Aber weißt du, die Kerle des Bischofs habe ich schon über wunde Zehen klagen hören. Gilles mag gegen die Natur lieben, aber Mumm hat er, das muss man ihm lassen. Wenn ich daran denke, wie grün und blau er geschlagen war, als wir ihn aus Braunschweig herausholten … Also finde ich, diese Jammerlappen haben sich das Recht auf Witze einfach nicht verdient.«

Die Reise wurde für Walther eine seltsame Mischung aus Freude und Qual. Botho hatte ihn am Tag nach dem Vorfall im Spital zur Seite genommen und mitgeteilt, an und für sich kümmere es ihn nicht, mit wem Herr Walther es treibe, aber es würde den Männern bei ihrer Selbstbeherrschung helfen, wenn sie die Frau wirklich mit keinem anderen als ihrem Gatten zu Gesicht bekämen. »Ich könnte es meinen Leuten nicht einmal verdenken, wenn sie die Frage stellen würden: Wenn ein Liebhaber, warum nicht gleich mehrere«, schloss Botho. »Eine Frau ist eine anständige Frau, oder eine Hure, und wenn Ihr nicht wollt, dass Eure Magistra wie eine Hure behandelt wird, dann lasst die Finger von ihr.«

»Wenn Eure Männer nur das Bett mit Frauen teilen, die sie dafür bezahlen, dann haben sie mein tiefes Mitgefühl, Herr Botho«, schoss Walther zurück. »Vielleicht würde sich das ändern, wenn sie Huren wie anständige Frauen behandelten, statt anständige Frauen wie Huren?«

»Ich scherze nicht, Herr Walther. Schön, habt Euren Spaß, aber dann beschwert Euch nicht bei mir, wenn ein paar von meinen Leuten das Gleiche versuchen.«

Also nahm Walther sich zusammen und berührte Judith noch nicht einmal an den Fingerspitzen. Wenn sie in Spitälern abstiegen, machte er keine Anstalten, den Raum der Frauen zu besuchen; wenn sie in Klöstern unterkamen, dann blieb er ihrer Zelle fern. Aber er konnte nicht umhin, wie ein kleiner Junge zu strahlen, wenn er sie morgens und abends sah, und sehr laut zu sprechen begann, wenn er mit Markwart in der Nähe des Wagens ritt, eine lustige Begebenheit nach der anderen erzählend. Viel Schlaf fand er in den Nächten trotzdem nicht, was ihm immerhin dabei half, neue Lieder zu verfassen. Bis sie den Kanzler und Bischof im St.-Josef-Kloster in Hanau trafen, hatte er einen großen neuen Vorrat, und es waren nur zwei gegen den Papst dabei.


Konrad von Querfurt, der früher Bischof von Hildesheim gewesen war und nun auch Bischof von Würzburg sein wollte, war wie Wolfger von Passau ein geübter Reitersmann, der am verunglückten Kreuzzug des toten Kaisers teilgenommen hatte und eigentlich keinen Wagen brauchte, aber damit endete auch jede Ähnlichkeit. Bei Bischof Wolfger hatte man immer den Eindruck, dass er genau wusste, was er wollte. Wenn er einen Raum betrat, dann zog er die Aufmerksamkeit aller Anwesenden sofort auf sich; Bischof Konrad dagegen wirkte gedrückt und angespannt. Er hörte der Erklärung, was Walther, Markwart, die Magistra und ihr Gemahl bei seinen Leuten zu suchen hatten, kaum an, winkte ungeduldig und stimmte ohne weiteres zu, sie weiter mit sich reisen zu lassen.

»Ich leide unter Magengrimmen«, sagte er, »und mein Medicus hat mir bisher nicht helfen können. So hat es beim Kaiser auch angefangen.«

»Euer Gnaden, nach allem, was ich gehört habe, ist Kaiser Heinrich durch Sumpffieber von uns gerufen worden«, versuchte Judith, ihn zu beruhigen. »In diesen Breiten ist es mehr als unwahrscheinlich, dass Ihr darunter leidet.«

Markwart versetzte Walther einen Rippenstoß. »Hör mit deinem bewundernden Schafsblick auf«, grummelte er.

Der Kanzler schaute halb hoffnungsvoll, halb zweifelnd drein. »Als Seine Heiligkeit der Papst und ich gemeinsam in Paris studierten, da sprach Seine Heiligkeit oft davon, dass der menschliche Körper das Instrument ist, mit dem Gott uns für unsere Sünden bestraft. Und ich habe gesündigt. Oh, wenn ich nur selbst nach Rom ziehen könnte, um mit Seiner Heiligkeit über all diese Missverständnisse zu sprechen!«

Walther lag auf der Zunge, etwas wenig Hoffnungsvolles dazu zu sagen, doch Botho kam ihm zuvor: »Der König braucht seinen Kanzler, Euer Gnaden.«

»Seid Ihr sicher?«, fragte der Bischof naserümpfend. »Bei seiner Reise nach Franken hat er nicht darauf bestanden, dass ich ihn begleite. Er war sofort einverstanden, als ich sagte, dass ich hier noch Geschäfte zu erledigen habe. Nun, er steckt ja auch ständig mit Eurem Onkel zusammen, dem Reichshofmarschall, und verglichen mit einem Heinz von Kalden, bin ich für ihn wohl langweilige Gesellschaft, wie?«

»Mein Onkel schätzt Euer Gnaden so hoch wie der König«, erklärte Botho ausdruckslos. »Deswegen hat er Euch ja auch gebeten, mir diese Stelle bei Euch zu geben. Ich hoffe, dass ich sie zu Eurer Zufriedenheit erfülle.«

»Oh, gewiss«, sagte der Bischof, wirkte aber nicht überzeugt. Er wurde erst wieder etwas heiterer, als Judith frische Luft für gesünder als das Reisen im Wagen erklärte und ihm außer heißen Kräutertränken auch Musik zur Entspannung empfahl. Da wusste Walther, dass auch sie ihn vermisste.

Nach zwei Herbstliedern kündigte er ein Minnelied an. »Es sei denn, Euer Gnaden wünschen nichts dergleichen zu hören.«

»Selbst die Heilige Schrift birgt das Hohelied«, meinte der Bischof wohlwollend. »In der entsagungsvollen Liebe zu seiner Dame spiegelt sich das Verhältnis des guten Christen zu seiner Kirche, der Meinung war ich immer. Reinmars Lieder bringen das besonders gut zum Ausdruck, doch ich bin sicher, die Euren sind auch ganz nett.«

Markwart machte ein bierernstes Gesicht, doch Judith, die seitlich des Bischofs stand, kämpfte gegen ein Lächeln. Das gab für Walther den Ausschlag. Nach all den Tagen erzwungener Keuschheit würde er wenigstens mit Worten lieben, und zwar nicht auf entsagende Art. Er hieß Markwart seine Laute stimmen.

Mich nimmt immer wunder, was ein Weib
Hab’ an mir ersehn,
Dass sie bezaubert nun mein Leib.
Was ist ihr geschehen?
Oder täuscht sich ihr Gesicht?
Weil mit Lieb in Augen Scharfblick tut nichts taugen:
Ich bin der Männer Schönster nicht!
Hat ihr jemand was von mir gelogen,
Schau sie an mich bass.
Soll ich schön sein, ist sie arg betrogen,
Will sie nichts als das.
Schau sie nur mein Haupt,
Das ist nicht so wohlgetan;
Sie betrügt fürwahr ein eitler Wahn,
Wenn sie das nicht glaubt.
Wo sie lebt, da gibt’s wohl tausend Mann
Schöner von Gesicht.
Wenn ich eine schöne Kunst auch kann,
Bin ich schön doch nicht.
Ist die Kunst auch klein:
Dennoch soll sie allen Leuten
Allenthalben Freud bereiten,
Allen sein gemein.
Wenn für Schönheit Kunst sie nehmen kann,
Hegt sie edlen Mut;
Will sie das, so steht es wohl ihr an,
Was sie an mir tut.
So will ich mich neigen
Und vollbringen, was sie will.
Was bedarf es dann des Zaubers viel?
Ich bin doch ihr Eigen!
Hört nun, wie sie Zauberkünste übt
An mir alle Zeit:
’s ist ein schönes Weib, das Klugheit liebt
Und die Heiterkeit.
Dass sie mehr ersonnen,
Kann ich nimmer zugestehn:
Nur ihr zauberischer Liebreiz schön
Schafft mir Lieb und Wonnen.

Der Bischof blinzelte erstaunt, als Walther das Lied zu Ende gebracht hatte. Dann klatschte er zögernd; seine Leute stimmten mit ein. »Nun«, sagte Konrad, »das ist … etwas anderes. Ich glaube nicht, dass sich Euer Lied als Allegorie auf Jesus und seine Kirche eignet, Herr Walther.«

»Mit Verlaub, Euer Gnaden, unser Herr Jesus und seine Kirche verdienen ihre eigenen Lieder. Andere Dichter mögen es halten, wie sie wollen, aber wenn ich über irdische Liebe schreibe, dann ist es irdische Liebe.«

»Aber kann denn erfüllte Liebe ein der Poesie würdiges Thema sein?«, fragte der Bischof zweifelnd. »Ich weiß, dass die menschlichen Körper zueinandergetrieben werden, aber das genau ist es, was wir mit den Tieren gemeinsam haben.«

»Euer Gnaden«, sagte Judith, die bisher ein ausdrucksloses Gesicht gemacht hatte, an dem Walther nichts ablesen konnte, »Gott hat unsere Körper so erschaffen, dass die Säfte erst dann ins Gleichgewicht kommen, wenn Mann und Frau einander beiwohnen. Gottes Schöpfung so zu besingen, wie er das geplant hat, ist dann doch gewiss eine würdige Beschäftigung.«

»Vielleicht«, sagte der Bischof, »doch ich muss zugeben, dass mir die Kunst des Herrn Reinmar mit ihrem Preis der Entsagung doch lieber ist. Zu schade, dass er von uns genommen wurde.«

Walther war so sehr damit beschäftigt, Judith anzuschauen, dass ihm die letzte Bemerkung des Bischofs beinahe entgangen wäre. Konrad war bereits zu seinen Plänen bezüglich ihrer Reise nach Franken übergegangen und seiner Hoffnung, den größeren Teil per Schiff auf dem Main zurücklegen zu können, als ihm bewusst wurde, was der Bischof gesagt hatte.

»Verzeiht, Euer Gnaden – Herr Reinmar ist … tot?«

»Es steht Euch nicht zu, den Bischof zu unterbrechen, Herr Walther«, sagte Botho. Konrad runzelte ebenfalls die Stirn, doch war immerhin bereit, eine Antwort zu geben.

»So heißt es aus Österreich. König Philipp hat den Herzog Leopold zum Weihnachtsfest nach Magdeburg gebeten, und der Bote, der uns die Zusage überbrachte, erzählte, dass Wien nun ohne seinen edelsten Sänger sei.«

Walther war einmal als Kind mit der Nase im Schlamm gelandet; für einen Moment war es unmöglich gewesen, zu atmen, bis er sich aufrappelte. Geradeso fühlte er sich jetzt.


Sie waren immer noch im St.-Josefs-Kloster, und so fand Walther schnell die Kapelle der Mönche. Es war keine Gebetsstunde, daher konnte er dort alleine sein.

Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen und ein Gebet für Reinmar zu sprechen, aber es fiel ihm schwer. Zu viele widersprüchliche Empfindungen zogen ihn in zu unterschiedliche Richtungen.

Als er Schritte auf dem Steinboden der Kapelle hörte, blickte er auf. Judith setzte sich neben ihn. Es wurde ihm bewusst, dass er sie noch nie in einer Kirche gesehen hatte.

»Er war mein Lehrer«, sagte Walther, »und der Erste, den ich wirklich beeindrucken wollte mit den Versen, die ich schuf. Er hat mich so viel gelehrt, auch wenn er darunter bestimmt etwas anderes verstand als ich: dass Schönheit und Vollkommenheit wandelbar sind, wogegen das Einfache und Natürliche in Ewigkeit bleibt. Aber es hat auch Zeiten gegeben, da wollte ich nichts mehr, als mich über ihn lustig machen, über ihn und seine Regeln und seine alte Welt.«

Judith sagte nichts; sie ergriff nur schweigend seine Hand. Ihre schlanken Finger waren kühl in den seinen. Seine Kehle erschien ihm zusammengeschnürt, und doch sprach er weiter, als hätte ihre Anwesenheit einen Damm in ihm geöffnet.

»Ich wusste, dass er mir manchmal grollte deswegen, aber ich habe nicht verstanden, wie tief seine Bitterkeit reichte, bis … bis zu jenem Abend, an dem wir in eine Schenke gingen und die Hölle auf Erden losbrach.« Er schaute Judith nicht an; stattdessen starrte er auf das Kreuz vor ihnen, während er ihr erzählte, was wirklich geschehen war an dem Tag, der ihrem Vetter das Leben gekostet hatte. Ein paarmal spürte er sie zusammenzucken, aber sie sprach nicht und machte keine Anstalten, ihre Hand aus der seinen zu lösen.

»Und dann bist du weggelaufen?«, fragte sie heiser. Er nickte. »Du hast mich aber glauben lassen, dass du selbst einer der Mörder warst.«

»Ich habe nichts getan, um es zu verhindern.«

Nun riss sie ihre Hand fort. »Das ist nicht dasselbe«, fuhr sie ihn wütend an. »Was dein Lehrer getan hat, das war Beihilfe zum Mord. Was du getan hast, war, dein eigenes Leben zu retten. Das war vielleicht feige, aber nicht mehr.«

Immer, wenn Walther glaubte, er verstünde sie, fand sie einen Weg, ihn wieder zu verwirren. »Und nun bist du zornig auf mich, weil ich keinen deiner Verwandten getötet habe?«

»Ich bin kein Werkzeug, um sich selbst zu bestrafen, wie diese Geißeln, mit denen ihr Christen euch auf den Rücken schlagt, aber du, du hast mich wohl dazu machen wollen! Weißt du, wie sehr ich mich verabscheut habe, als ich dich in Nürnberg geküsst habe? Ich dachte, ich sei die schlimmste Verräterin an meinem Volk über alle Zeiten! Ich dachte, alles sei besser, als Gefühle für einen unserer Totschläger zu haben!«

Ihr Gedankengang war für ihn nicht ganz nachvollziehbar, aber immerhin erfasste er etwas für ihn Wesentliches an ihrem Ausbruch. »Deine Lippen sagen häufig etwas anderes, als man von ihnen ablesen kann. Was jetzt da stand, war, dass du in Nürnberg bereits in mich verliebt warst, richtig?«

Judith holte tief Luft, wie um ihn anzuschreien, stieß den Atem wieder aus und sagte gepresst: »Ich glaube, ich verstehe jetzt, wie dieser Reinmar zum Mord getrieben wurde.«

In das erneute Schweigen zwischen ihnen murmelte Walther: »Es tut mir leid.«

»Was? Dass du fortgerannt bist? Dass du diesen Reinmar übertrumpfen musstest? Dass du im Unfrieden mit ihm auseinandergegangen bist? Oder dass du mich in dem Glauben gelassen hast, dass ich in einen mörderischen Gojim verliebt bin statt nur in einen unerträglichen?«

»Ich bin nicht im Unfrieden mit Reinmar auseinandergegangen, und wenn ich nicht mit ihm gewetteifert hätte, dann würde ich heute noch nachahmen, statt selbst eine Stimme zu haben«, gab er zurück. Während er es sagte, löste sich etwas von der erstickenden Beklemmung in ihm. »Aber alles andere tut mir leid.«

Judith machte keine Anstalten, ihm ihre Hand zurückzugeben, und verschränkte ihre Arme ineinander, doch sie blieb neben ihm sitzen.

»Wenn ich dir schwöre, dass ich keine Absicht habe, dich für mich zu einer Geißel zu machen, kann ich dir dann noch etwas gestehen, was mir zusätzlich im Magen liegt?«

Judith warf ihm einen Seitenblick zu. »Du überlegst dir, ob du an den Hof zu Wien zurückkehren kannst, wo Reinmar tot ist und Leopold noch keinen Nachfolger zur Hand hat.«

Er wusste nicht, ob er es verstörend oder beruhigend fand, dass sie ihn so genau durchschauen konnte, vor allem, weil er auf diesen Gedanken nicht stolz war. Reinmar war tot; soweit es Walther betraf, war er gerade erst gestorben. Da sollte es möglich sein, ein paar Tage lang nur über Reinmar selbst und all das Gute und Schlechte zwischen ihnen nachzugrübeln, ehe er anfing, nachzuzählen, was er durch seinen Tod erreichen konnte. Es war gierig und schäbig, aber der Gedanke war ihm in der Tat gekommen, zusammen mit all den anderen.

»Du kannst aufhören, ein schlechtes Gewissen deswegen zu haben«, sagte Judith sachlich. »Ich glaube nämlich nicht, dass der Herzog von Österreich dir Reinmars Platz an seinem Hof geben wird.«

»Und warum nicht?«, fragte Walther gekränkt. »Ich bin inzwischen durchaus berühmt im Reich. Vielleicht noch nicht der berühmteste Sänger, aber auf dem Weg dorthin, und ganz offen, nach Reinmars Tod gibt es am Wiener Hof niemanden, der auch nur annähernd so gut sein kann wie ich.«

Sie schüttelte den Kopf. »Wenn du auf deinem Sterbebett liegst, von tausend Krankheiten dahingestreckt, dann werde ich nur zu sagen brauchen, dass die Welt immer noch nicht von deiner Dichtergabe überzeugt ist und drei andere Sänger für besser hält, und du wirst aufspringen und gesund sein, um sie alle eines Besseren zu belehren.«

Er legte seine Hand aufs Herz. »Ich? Ganz im Gegenteil … ich würde bereits bei der Nennung eines anderen Sängers vor mir von den Toten auferstehen.« Diesmal war es ein volles Lächeln, das sie ihm schenkte. »Aber würdest du denn an meinem Sterbebett sitzen?«, fragte er. Sofort wurde sie wieder ernst und schaute von ihm fort, geradeaus auf den Altar.

»Ich weiß es nicht. Doch ich weiß, was ich gesehen habe. Der jetzige Herzog von Österreich ist der Junge, der als Erster mit den Ärzten auf meinen Vater losgegangen ist, nicht wahr?«

»Er hatte gerade seinen eigenen Vater verloren, Judith.«

»Das verstehe ich«, gab sie zurück. »Aber er hat falsche Vorwürfe gegen die Juden wiederholt, die längst von christlichen Klerikern richtiggestellt worden sind. Er schien mir jemand zu sein, der Zuflucht im Alten nimmt. Und es war sein Bruder, der damals dein Gönner war. Hältst du ihn für einen Mann, der mit einem Mal deine Lieder schätzt?«

Walther musste zugeben, dass bisher davon nichts zu spüren gewesen war; zu gut erinnerte er sich noch an die Abfuhr, die ihm Leopold wegen einer spöttischen Bemerkung über den Papst erteilt hatte. Es war nicht so, dass er für immer nach Wien zurückkehren wollte. Doch es wäre nicht schlecht, zu wissen, ob er dort willkommen wäre und geehrt würde, schon deshalb, weil es ihm eine völlig andere Verhandlungsgrundlage bei gewissen deutschen Königen schuf.

»Ich halte ihn für den Mann, der mir ein geruhsames Alter sichern könnte«, sagte er und zog eine Grimasse. »Irgendwann einmal, in ferner Zukunft. Nur, wenn ich nicht gleich nach Wien gehe, finden sich wahrscheinlich vier, fünf andere Sänger vor mir dort ein, um Reinmars Platz einzunehmen.« Da er nicht wusste, wann sie das nächste Mal allein sein würden, gab er sich einen Ruck und sagte offen: »Aber ich will jetzt nicht nach Wien zurück. Judith, ganz gleich, ob du Philipp nun in Franken als König vorfindest, dem du weiter dienen kannst, oder als das Gegenteil – ich will nicht noch einmal Jahre warten, bis wir uns wiedersehen.«

»Ich auch nicht«, sagte sie leise.

»Für Gilles findet sich bei Philipp gewiss eine Stelle«, sagte er, »und wenn Bischof Wolfger noch auf seiner Seite steht, dann wird er bereit sein, eure Ehe zu annullieren. Vielleicht sogar Konrad, wenn du ihm seine Magenschmerzen heilst. Dann gibt es noch …«

»Walther«, unterbrach ihn Judith. Eine feine Linie stand auf ihrer Stirn. »Ich will meine Ehe nicht annullieren lassen.«

Es war ihm ein unerwarteter Hieb ins Gesicht, schlimmer, als hätte sie ihm wieder eine Ohrfeige gegeben. Einen Herzschlag lang hasste er sie für die Fähigkeit, ihm diese Art von Schmerz zuzufügen. Dann zwang er sich, die Sache vernünftig anzugehen. »Es ist doch keine Ehe«, sagte er, »und du liebst mich. Das hast du selbst gesagt, gerade eben.«

»Ich habe gesagt, dass ich etwas für dich empfinde. Das war kein Heiratsantrag! Außerdem stimmt es nicht, dass Gilles und ich keine Ehe führen: Es ist keine, bei der wir ein Bett teilen, aber wir haben ein gutes Leben zusammen. Du und ich haben es noch nicht fertiggebracht, länger als zwei Wochen ohne Streit zu verbringen. Höre uns doch gerade jetzt wieder an!«

Er hörte nicht nur, er sah auch. Und was er sah, war, dass ihr Busen sich durch den schnelleren Atem rasch hob und senkte. Das erinnerte ihn daran, wie sich ihre Brüste unter seinen Händen angefühlt hatten. Wie sie alles andere als still und starr blieb, sondern unter seinen Fingern zum Leben erwacht und mit ihrem ganzen Körper geantwortet hatte. Wenn sie es gerade fertigbrachte, ihm das Gefühl zu geben, nicht mehr als eine Ablenkung gewesen zu sein, und nicht zugeben wollte, dass ihre Gefühle tiefer gingen, gut, dann würde er den Gefallen erwidern und die Schwäche in ihrer Rüstung ausnutzen.

»Dann bist du wohl zufrieden damit, als keusche Nonne nur für die Heilkunst zu leben«, sagte er hart. »Die heilige Jutta aus Salerno. Wenn du das für den Rest deines Lebens willst, dann wünsche ich dir viel Vergnügen dabei.«

Sie stand auf, und er folgte ihr nicht.


Bischof Konrads Magenleiden waren im Wesentlichen das Ergebnis seiner Ängste, was eine Heilung nicht einfach machte. Aber der Glaube eines Patienten an die Wirksamkeit von Heilmitteln war bereits der halbe Weg, das hatte Francesca immer gesagt, und so verschrieb ihm Judith gesalzenes Brot mit gut durchbackenem Sauerteig, ohne Rinde, da diese, so erklärte sie ihm, den Körpersaft schwärze. Da der Reisegesellschaft mit einem Bischof die besten Klöster offenstanden und in jeder Stadt die Bäcker nur zu gerne bereit waren, ihre Ware an ihn zu verkaufen, war es nicht weiter schwer, an das entsprechende Brot zu kommen. Außerdem konnte sie in den Klöstern ihre Kräutervorräte ergänzen.

Der Bischof hatte Rabbi Mosche ben Maimon gelesen und bedauerte sehr zu hören, dass sie sein Werk über das Asthma verkauft hatte. »Ich hätte es liebend gerne in Händen gehalten«, sagte er, »auch wenn ich seine philosophischen Schriften vorziehe. Was für ein Jammer, dass ein solcher Gelehrter noch im Irrtum des Judentums verstockt ist! Er wäre das größte Juwel unserer Zeit, wenn er nur erleuchtet wie Saulus würde.«

Als er das sagte, fuhr die alte Angst für einen Moment lang in Judith, doch dann entspannte sie sich wieder. Bischof Konrad hatte keine Ahnung, welcher Religion sie angehörte; er ging selbstverständlich davon aus, dass sie eine Christin war.

»Unser Herr Jesus«, fuhr der Bischof fort, »ist natürlich der größte aller Heiler. Nur er kann mir die Sünde des gebrochenen Eids vergeben. Wir haben alle auf den kleinen Friedrich geschworen, und nun sind wir verdammt. Dagegen könnt Ihr mir kein Heilmittel geben, Magistra.«

Wenn Judith das christliche Prinzip von Buße und Absolution richtig verstand, dann stünde es dem Bischof offen, seine Ämter abzugeben, das Kanzleramt genau wie das des Bischofs von Würzburg, und all die damit verbundenen Einkünfte, um seinen gebrochenen Eid wiedergutzumachen. Doch sie bezweifelte, dass er auch nur einen Bauernhof aufgeben würde, ganz gleich, wie schlecht er sich fühlte. Für ihn bedeutete Abstinenz als Christ nur den Verzicht auf das, was er ohnehin nicht vertrug.

»Euer Gnaden, Ihr seid der Arzt für Seelen«, sagte Judith. »Ich kann Euch Heilbatunge in Wermutsaft und Warmwasser abkochen, das hilft gegen Magenschmerzen, und Salbei und Raute in Euren Wein empfehlen, um Eure körperlichen Leiden zu lindern.« Eigentlich waren Salbei und Raute ein Mittel gegen die Kopfschmerzen, die einem Rausch folgten, doch schaden konnte es dem Bischof nicht. Mehr, um überhaupt etwas zu sagen, damit er weiter von seinen Sorgen sprach und nicht verstummte, fügte sie hinzu: »Doch wenn Euch die Sorge um den jungen Friedrich so plagt, Euer Gnaden, dann steht Euch doch gewiss eine Reise ins Königreich Sizilien offen, um Euch seiner anzunehmen und so den Eidbruch wiedergutzumachen.«

»Hmm«, machte der Bischof zu ihrer Überraschung. »Die Kaiserin ist tot und der junge Friedrich ein Mündel der Kirche. Da brauchte er wirklich einen Mann von Tugend und Edelmut, um für ihn das Königreich zu regieren, und Seine Heiligkeit ist fern. Hmm …«


»Gott helfe mir«, sagte Judith an diesem Abend zu Gilles. »Ich glaube, ich habe den Kanzler auf die Idee gebracht, dass es für ihn einträglicher wäre, vom Papst zum Regenten Siziliens gemacht zu werden, als sich weiter um seinen Sitz in Würzburg zu bemühen und Philipp zu unterstützen.«

Gilles blickte ein wenig ratlos drein, als könne er nicht entscheiden, ob das gut oder schlecht war. Endlich entgegnete er: »Ich bin stolz auf dich«, was in diesem Zusammenhang keinen Sinn ergab. Sie versuchte, zu erklären, warum sie das auf keinen Fall beabsichtigt hatte, doch er fragte nur, ob sie nun selbst auch Zweifel an Philipp habe, das habe sie jedenfalls damit gesagt.

»Das heißt aber doch nicht …«

»Du bist eine Frau, die ihre Meinung oft ändert, da hat Walther recht«, sagte Gilles mit einem kleinen Lächeln.

»Walther? Du hast mit Walther über mich gesprochen?«

»Er suchte meinen Rat«, sagte Gilles beschwichtigend. »Als Freund.«

Judith wusste nicht, ob sie Walthers Hinterhältigkeit verfluchen sollte oder die Tücke von Männern, sich hinter ihrem Rücken zu verbünden. Du hast deinen Stolz, sagte sie sich. Nach der Bemerkung über die ewige Jungfräulichkeit einer Nonne wirst du dich ihm ganz gewiss nicht wieder an den Hals werfen. O nein. Da würde Walther lange warten müssen. Es war nur schade, dass sie nicht mit ihm über die Angelegenheit mit dem Bischof sprechen konnte, denn er würde sofort verstehen, was für Auswirkungen es haben konnte, wenn Konrad ihrem nicht ernstgemeinten Ratschlag folgte.

»Ich ändere meine Meinung nur, wenn ich einen sehr guten Grund habe«, sagte Judith und starrte grollend an die Decke der Mönchszelle.

Das Spiel der Nachtigall
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