Kapitel 16

Wenn es etwas gab, das selbst seine schlimmsten Feinde dem Herzog Berthold von Zähringen nicht vorgeworfen hätten, dann, dass er sein Licht unter den Scheffel stellte. Er hatte auch keinen Grund dazu. Als sein Vater starb, hatte der burgundische Adel versucht, sich alte Gebiete zurückzuholen, doch Berthold hatte sie besiegt. Die Silberbergwerke im Schwarzwald, die ihm gehörten, sicherten seinen Reichtum. Er hatte neue Städte wie Bern gegründet und den schmalen Gotthard-Pfad nach Mailand auch für Tiere und leichte Wagen begehbar machen lassen. Es wurde ihm nicht als Feigheit oder Gottlosigkeit vorgeworfen, dass er nicht, wie so viele Fürsten, das Kreuz genommen hatte. Ja, er hatte alle Gründe, mit sich und seinem Leben zufrieden zu sein, und für seine Vorbereitungen eines glanzvollen Weihnachtsfestes in Freiburg scheute sein Haushofmeister keine Kosten. Neben den üblichen Gauklern und Spielleuten lud der Herzog auch Sänger wie Gottfried von Straßburg und jenen Walther von der Vogelweide ein, der im letzten Jahr mehr und mehr von sich reden gemacht hatte. Als nicht nur einer, sondern alle beide gegen Ende November in Freiburg eintrafen, nahm er das für nicht mehr als das, was ihm zustand.

Was die Botschaft des Erzbischofs von Köln in ihm auslöste, traf ihn daher umso überraschender. Er war bestürzt, und er zweifelte.

»Edler Herzog«, hatte der Domherr schwungvoll erklärt, »das Reich braucht Euch.« Von da an ging es bergab mit Bertholds Laune. Er hatte zuerst geargwöhnt, dass Erzbischof Adolf schlicht und einfach um Geld verlegen war und eine Leihgabe des Schwarzwälder Silbers haben wollte; man munkelte im ganzen Rheinland, wie hoch der Erzbischof von Köln wegen seines geplanten Dombaus und seines wahrlich aufwendigen Haushalts bei den Kaufleuten der Stadt verschuldet war. Ganz falsch war seine Überlegung auch nicht, denn wie sich herausstellte, wollte Adolf von Altena in der Tat Geld von ihm. Doch er bot keine geringe Gegenleistung an. Gegen 1700 Mark Silber, so ließ er Berthold wissen, würde er sicherstellen, »dass der Herzog von Zähringen von den deutschen Fürsten in Köln zum König gewählt werden wird«, die sich dort baldmöglichst auf Adolfs Einladung hin versammeln sollten.

»Es ist eine Ungeheuerlichkeit«, sagte Berthold zu Adalbert von Dagsburg, einem seiner wichtigsten Getreuen, ganz und gar nicht beruhigt durch die sanften Töne, die einer der Sänger im Palas von sich gab, während getafelt wurde.

»Aber Euer Gnaden, welche höhere Ehre könnte es geben, als für würdig des Thrones von Karl dem Großen befunden zu werden?«

»Nun, so wie sich das angehört hat, werde ich vor allem für würdig befunden, die Schulden des Erzbischofs zu begleichen. Und wenn die anderen Fürsten hören, was der gute Adolf für seine Stimme bei der Wahl bekommen hat, werden sie auch so viel Silber haben wollen, ehe sie sich bequemen, mich für würdig zu befinden. Dadurch würde ich den Säckel meines Herzogtums völlig leeren, und für was? Im Gegensatz zu Adolf bin ich nicht mit Gedächtnislücken geschlagen: Wir haben bereits einen gewählten König. Wenn jetzt der Treueid von Frankfurt nicht mehr gilt, wer sagt mir dann, dass der auf mich zukünftig Bestand hat? Und erwartet der Erzbischof wirklich, dass die Staufer zu mir als König ja und amen sagen?«

»Mit Verlaub, Euer Gnaden, was soll ihnen denn anderes übrigbleiben, wenn Ihr tatsächlich gewählt werdet? Der Junge ist nie gekrönt worden. Gekrönt wird ein König in Aachen, vom Erzbischof von Köln. Wenn der auf Eurer Seite steht …«

»Ihr seid ein Elsässer, Ihr versteht das nicht. Ich kenne meine Schwaben. Was die einmal in Händen haben, geben sie nicht freiwillig wieder her, wenn es die deutsche Krone ist, dann erst recht nicht, und die Staufer sind schwäbischer als alle anderen. Nein, so einem angebotenen Gaul muss man wahrlich ins Maul schauen, ehe man ihn kauft. Das Schlimmste ist, dass es mir auch Ärger bringen wird, wenn ich ablehne. Dann grollt mir Erzbischof Adolf, und Philipp wird mich trotzdem für einen gefährlichen Rivalen halten, den er loswerden muss.«

»Ich dachte, Philipp ist tot, von den Welschen in Montefiascone erledigt.«

»Gerüchte sind wie Küsse, Adalbert«, gab Berthold zurück. »Nett, aber Kinder kriegt man von ihnen nicht. Ich habe sichere Nachricht aus Augsburg, dass Philipp dort gesehen wurde. Inzwischen dürfte er bald wieder in Hagenau sein.«

»Und wenn schon!«, konterte Graf Adalbert stürmisch. »Euer Gnaden, Ihr seid ein besserer Mann als alle Staufer, und ich spreche nicht nur aus Zuneigung zu Euch, sondern aus Erfahrung mit Philipps älteren Brüdern. Ihr habt es verdient, König zu sein; gerade Euer Zögern beweist es. Gewiss werden es die anderen Fürsten genauso sehen.«

»Wenn ich jedem von ihnen 1700 Mark in Silber gebe, werden sie das gewiss«, sagte Berthold säuerlich. »Doch dann kann ich die Reichsinsignien verhökern, um meine Krönung zu bezahlen, die mich bestimmt weitere 4000 Mark in Silber kostet, weil ich dafür dann nämlich kein Geld mehr haben werde.« Er fragte sich, ob er anders empfände, wenn ihm der Erzbischof von Köln die Krone ohne Wenn und Aber angetragen hätte, statt schamlos einen Kaufpreis zu nennen, und musste zugeben, dass dem vermutlich so gewesen wäre. Schließlich hörte man nicht aller Tage, dass man für würdig befunden wurde, das Heilige Römische Reich zu regieren. Für einen Augenblick überließ er sich der Vorstellung von Berthold dem Ersten, König der Deutschen und danach bald auch Kaiser, wie es für die deutschen Könige üblich war, nachdem sich der Papst mit der Kirche unter ihren Schutz gestellt hatte. Schutzpatron der Christenheit, was für ein Titel! Schließlich hatte er sich mit der Kirche immer gut gestellt; der Papst, der Einzige, der einen Kaiser krönen durfte, hatte keinen Grund, ihn abzulehnen.

Wenn der Erzbischof von Köln schon 1700 Mark in Silber haben wollte, was würde dann aber der Papst verlangen? Karl der Große hatte sich gewiss nicht mit solchen demütigenden Geschäften herumschlagen müssen. Der nicht!

Berthold liebte sein Herzogtum, das unter seiner Herrschaft gedieh. Er liebte auch die Regentschaft über das Reichslehen Burgund und wollte, dass es genauso erblich wurde wie Zähringen, statt von jeder neuen Generation vom Kaiser gefordert werden zu müssen. Das alles hieß jedoch nicht, dass er selbst der Kaiser sein wollte, der einem anderen Fürsten sein Zähringen und sein Burgund übergab. Sein dann völlig verarmtes und ausgeblutetes Zähringen. Zum Teufel mit Adolf von Altena, dachte Berthold aufgebracht. Er hätte sich keine bessere Art und Weise wählen können, um mein Leben zu ruinieren!

Er war immer noch schlecht gelaunt und unschlüssig, was um alles in der Welt er tun sollte, als er sich für die Nacht zurückzog. Sein Knappe teilte ihm mit, dass einer der Sänger ihm noch seine Aufwartung machen wolle.

»Kann er sich nicht an den Haushofmeister wenden?«, knurrte Berthold.

»Herr Walther meint, er wolle sich persönlich bei Euch dafür entschuldigen, nun doch nicht bis zum Weihnachtsfest bleiben zu können, da dringende Geschäfte ihn nach Köln riefen.«

»Nach Köln?«, wiederholte Berthold verblüfft. Eine steile Falte grub sich zwischen seine Brauen. Das konnte kein Zufall sein. Er gab Erlaubnis, Herrn Walther in sein Gemach zu führen, und befahl dem Knappen, zu verschwinden.

»So«, sagte er, »Ihr wollt also nach Köln ziehen, um Euer Glück beim Erzbischof zu suchen? Der gilt aber ganz und gar nicht als großzügiger Gönner von Sängern, Herr Walther.«

»Das glaube ich gerne«, gab der junge Mann mit unbekümmerter Gelassenheit zurück, »und deswegen ist Köln auch nicht mein Ziel. Es kam mir nur darauf an, allein mit Euer Gnaden zu sprechen, denn ich glaube, ich habe eine Lösung für etwas, das Euch auf dem Herzen liegt.«

»Für so eine Anmaßung verdient Ihr es eigentlich, hinausgeworfen zu werden.«

»Nun, wie Ihr wisst, hatte ich ohnehin vor zu gehen, doch es ist keine Anmaßung, die Wahrheit zu sagen. Wenn Euch meine Lösung nicht gefällt, dann könnt Ihr mich immer noch von Euren Leuten hinausprügeln lassen.«

Ganz offenbar hatte der Sänger heute nicht nur Töne von sich gegeben, sondern auch gelauscht. Zum ersten Mal fragte sich Berthold unbehaglich, ob Spielleute und Gaukler immer dergleichen taten. Sie waren bisher stets nur dazu da gewesen, sein Leben zu verschönern, und es gefiel ihm nicht, sie sich mit großen Ohren und eigenen Zielen vorzustellen.

»Ich werde Euch kein Geld geben, nur, damit Ihr nichts über die Botschaft des Erzbischofs von Köln herumplappert«, sagte er warnend.

Walther breitete die Arme aus. »Euer Gnaden, ich bin Sänger. Ich möchte nie dafür bezahlt werden wollen, dass ich schweige, sondern nur für die Kunst des Singens – und des Redens.«

Berthold knetete seine Unterlippe. »Nun gut«, sagte er widerwillig, weil ihm nichts einfiel, auf was Herr Walther hinauswollen könnte. Unbefriedigte Neugier war ein so unangenehmes Gefühl. »Sprecht also.«

»Wenn ich durch einen Wald gehe und mich springt links ein Räuber an, der Geld von mir will, während rechts mein Heim liegt, das überfallen werden könnte, wenn ich dem Räuber nicht gebe, was er will, dann bin ich ein armer Tropf. Aber was, wenn ich stattdessen zum Hauptmann der Stadtwache gehe und mir Geld dafür geben lasse, dass ich in meinem Heim bleibe, und vielleicht auch etwas Holz bekomme für Balken, um meine Tür gegen Räuber zu verbarrikadieren? Dann bin ich ein Glückspilz.«

Gleichnisse waren nie Bertholds Stärke gewesen, wenn er Predigten in der Kirche hörte, doch hier brauchte es nicht viel, den Sinn von Walthers Worten zu verstehen, und was er hörte, ließ seine Kopfschmerzen auf wundersame Weise verklingen.

»Ihr meint also …«

»Herzog Philipp hat gerade das Vermögen der Staufer geerbt, gemeinsam mit der Last des Regierens. Ich bin sicher, er würde sich milde für die Treue von Euer Gnaden zeigen, ein Angebot wie das des Erzbischofs von Köln nicht anzunehmen.«

Bei Gott, dachte Berthold, diese Art und Weise, die Dinge zu sehen, gefällt mir ausgesprochen gut. Natürlich war noch ein Beigeschmack von Handel dabei; ein wahrer Edelmann wie er wäre nicht auf so einen Gedanken gekommen, aber Adolf und Philipp gegeneinander auszuspielen, sein schönes Herzogtum zu behalten und noch dazu dafür Geld einzustreichen, dass er stillhielt, nun, das war fast so gut wie der Stein der Weisen. Er stellte sich das lange Gesicht des Erzbischofs vor, wenn der erfuhr, wie er mit seinem Angebot Berthold zwar nicht zu einer Krone, dafür aber zu mehr Geld verholfen hatte und selbst leer ausgehen würde, und gluckste zufrieden. Dann jedoch fiel ihm etwas ein, was ihn erneut zweifeln ließ.

»Wenn der Erzbischof hört, dass ich mich mit dem Herzog von Schwaben zusammengetan habe«, sagte er, »dann zieht er sein Angebot umgehend zurück, und Philipp hat keinen Grund mehr, mir auch nur eine Silbermark zu geben. Man kann über Adolf von Altena denken, was man will, aber dumm ist er nicht, und Spione hat er auch überall. Es würde mich nicht wundern, wenn mein Hofkaplan ihm mehr dient als mir. Außerdem kennt er meine Getreuen. Wenn einer von ihnen im Winter beim Staufer auftaucht, dann kann es dafür nur einen Grund geben.«

Walther von der Vogelweide lächelte ihn an. »Ich bin keiner Eurer Getreuen«, sagte er. »Und niemand wundert sich, wenn ein Sänger am Hof des Herzogs von Schwaben erscheint.«

»Das … das lässt sich nicht leugnen.«

»Aber ich bin ein armer fahrender Ritter. Wenn ich an meine Kleidung denke – abgewetzt und kaum mehr eines herzoglichen Hofs würdig, geschweige denn eines königlichen. Ein Knappe wäre mir auch eine Hilfe, schon, um meine Instrumente zu tragen und um sich um mein Pferd zu kümmern.«

»Herr Walther«, sagte Berthold, »ich war von jeher ein Freund der Künste. Es wird mir eine Freude sein, Euch für den Weg nach Hagenau völlig neu auszustatten.«

* * *

Wie sich herausstellte, hielt sich König Richard in Chinon auf, was bedeutete, dass sie nur bis zur Loire reisen mussten, nicht in den Süden nach Aquitanien. Gilles erwies sich als angenehmer Reisegefährte, der immer auch wusste, wie man in fremden Städten die anständigen Badehäuser fand, ohne bei den Badern den gelbgekleideten oder ganz nackten Huren zu begegnen. Er besorgte auch frische Pferde und erzählte von seinem Leben, als er merkte, dass Judith Fragen nach ihrer Vergangenheit unangenehm waren. Er stammte aus Aquitanien, war ursprünglich als Teil von König Richards Kreuzzug nach Italien gekommen, als Knappe eines englischen Ritters, dort unerwartet krank und zurückgelassen worden, während sein Herr mit dem Heer weiter ins Heilige Land zog. »Ich hatte Glück im Unglück«, sagte er und klang noch nicht einmal verbittert. »Keiner hat gedacht, dass ich überleben würde, doch ich hab’s getan; danach hat mir die Seuche nichts mehr anhaben können. Meinem Herrn nachreisen wollte ich nicht, außerdem hatte ich kein Geld für die Überfahrt. Daheim wartete auch keiner auf mich, also habe ich mich an den Ersten verdingt, der einen Kriegsmann brauchte, der gut mit Waffen umgehen kann. Und so bin ich bei Herrn Gerhard und Herrn Stefan gelandet.«

Wenn er wusste, dass Stefan und sie Juden waren, so ließ er es durch nichts erkennen, außer bei einer einzigen Unterredung vielleicht. Wie sich herausstellte, kannte er Salerno, denn dort war er gesund gepflegt worden. Er fragte nicht danach, wann Judith dort gelebt, noch, warum sie die Stadt verlassen hatte. Stattdessen fragte er sie, wie es zur Gründung der Schule von Salerno gekommen sei. Während sie die Loire entlangritten, erzählte sie die Geschichte, die sie von ihrem Vater kannte. »Ein griechischer Pilger namens Pontos suchte während eines Sturms Unterschlupf unter den Bögen des Aquädukts. Ein zweiter Mann, Salernus, ein Lateiner, rastete an der gleichen Stelle. Salernus war verletzt und behandelte seine Wunde, wobei er und seine Medikamente genau von Pontos beobachtet wurden. In der Zwischenzeit waren zwei weitere Reisende, der Jude Helinus und der Araber Abdela, hinzugekommen. Sie kümmerten sich bald gemeinsam um die Wunde. Schließlich kamen die vier überein, eine Schule zu gründen, in der ihre Kenntnisse gesammelt und verbreitet werden sollten, und deswegen sind auch die Anhänger aller drei Religionen dort willkommen.«

»Helinus klingt nicht wie ein jüdischer Name«, sagte Gilles, und es klang wie eine Frage.

»Es ist wohl die griechische oder lateinische Form«, entgegnete sie, »so, wie aus Jochanaan Johannes wurde.«

»Dann beherrscht Ihr auch die hebräische Sprache?«, fragte er. »Das ist eine Kunst, die ich nicht ausüben würde, solange wir noch auf französischem Boden sind, Frau Jutta. Gerade heute nicht, wenn wir in Blois übernachten.«

»Was in Blois geschehen ist, liegt bald dreißig Jahre zurück«, sagte Stefan, der nicht oft erkennen ließ, dass er ihr und Gilles zuhörte.

»Aber vergessen hat es niemand dort«, entgegnete Gilles.

Obwohl ihr das Gefühl sagte, dass sie die Geschichte nicht hören wollte, fragte Judith, was es mit Blois denn auf sich hatte.

»Ein totes Kind wurde aufgefunden, und ein Knecht der Stadtwache behauptete, die Juden hätten es beim Passah-Fest gekreuzigt und danach in die Loire geworfen«, sagte Stefan mit ausdrucksloser Stimme. »Danach ließ der Graf von Blois sämtliche Juden verhaften, in einen Turm aus Holz sperren und verbrennen. Seither gibt es in Blois keine Juden mehr.«

»Das tote Kind wird von vielen Menschen als Märtyrer verehrt«, fügte Gilles ernst hinzu. »Der König von Frankreich gehört dazu. Als er auf den Thron kam, und das ist keine zwanzig Jahre her, da ließ er die Juden seines Landes in den Kerker werfen, weil sie christliche Kinder bei ihren Passah-Feiern umbrächten, und hat fünfzehnhundert Mark Silber gefordert, um sie wieder gehen zu lassen, nachdem er all ihren Grundbesitz konfisziert hatte. Er nannte es das Bußgeld für den kleinen Märtyrer.«

»Wehe dem Land, das keinen guten König hat«, sagte Stefan bedeutungsvoll. Judith verzichtete darauf, ihn zu fragen, ob er denn Grund habe zu glauben, dass seine Welfen so etwas nie tun würden, wo er doch wusste, was ihr mit einem von ihnen in Klosterneuburg passiert war. Ihr war kalt, sehr kalt, und sie bewegte stumm die Lippen, als sie das Kaddisch für die Toten von Blois sprach.

Welche französische Grafschaft zu Frankreich und welche zu England gehörte, war sehr verwirrend: Chinon hatte früher dem Grafen von Blois gehört, war dann dem Grafen von Anjou als Lehen gegeben worden und schließlich zum bevorzugten Sitz der englischen Könige geworden, seit Alienor von Aquitanien den Vater König Richards geheiratet hatte. Judith war froh, als sie die Stadt erreichten, obwohl ihre Zweifel während der Reise nicht geringer geworden waren.

Die Burg war riesig, weit größer als diejenigen, die sie bisher gesehen hatte, gut 600 Schritt lang und bestimmt 120 Schritt breit. »König Henry hat sie bauen lassen«, sagte Gilles stolz, »und er schwor, dass sie nie eingenommen werden würde.« Die am Burgturm gehissten Wimpel verrieten, dass man sie nicht falsch unterrichtet hatte: König Richard war anwesend. Stefan entschied sich, in der Stadt Quartier zu nehmen und sich so zu kleiden, wie es einem Kaufmann von Köln geziemte, ehe er dem König seine Aufwartung machte.

»Ich dachte, du hast es so eilig, dass jede Stunde zählt?«, fragte Judith neckend.

»Das habe ich, doch er muss mich auch ernst nehmen.«

Das bedeutete auch, nicht in Begleitung seiner Nichte zu erscheinen, doch damit war zu rechnen gewesen. Gilles hatte wieder das richtige Badehaus ausfindig gemacht, und sie beschloss, den Nachmittag dort zu verbringen, weil heißer Dampf ihr guttun würde und sie auch nach Kräutern fragen wollte, die man hier gegen Krankheiten kannte. Gewiss würde ihr Latein genügen, um sich zu verständigen.

Gilles begleitete sie, obwohl er das Badehaus an diesem Tag nicht betreten durfte. Judith drückte ihm ein Geldstück in die Hand; sie würde drei oder vier Stunden hier verbringen, und er sollte nicht die ganze Zeit in der Gasse herumstehen müssen.

»Da wäre ich nicht der Einzige«, sagte Gilles und deutete auf die beiden Kriegsknechte, die vor dem Eingang postiert standen. Judith runzelte die Stirn.

»Habt Ihr nicht gesagt, heute sei ein Badetag für Frauen?« Sie war nicht naiv: Es gab genügend Badehäuser, in denen feste Regeln nicht galten, doch sie bezweifelte, dass Gilles die Nichte seines Schutzherrn wissentlich in ein solches führen würde. Er sprach mit den Soldaten und kehrte zu ihr zurück.

»Es handelte sich um einen Notfall«, sagte er. »Ihr Patron braucht jemanden, der ihm einen Zahn zieht, deswegen ist er zum Badehaus gekommen, aber der Bader ist nicht da.«

Wenn er ihr einen silbernen Anhänger geschenkt hätte, dann hätte das Judith weniger gefreut. Sie strahlte, und Gilles lachte. »Ihr habt wieder diesen Blick«, sagte er.

»Was für einen Blick?«

»Den gleichen, den Ihr in den Augen hattet, als wir in Reims den Stall mit dem Kaufmann teilten und Ihr ihm eine Salbe für sein krankes Knie machtet. Ich habe noch nie eine Frau gekannt, die so darauf versessen ist, Blut, Eiter und Wunden zu sehen.«

»Nun, ich bin darauf versessen, sie zu heilen«, sagte sie. »Tun zu können, worin wir gut sind, macht uns glücklich.«

Gilles sagte den Soldaten, dass seine Herrin eine Magistra aus Salerno sei. Sie wurden in den Raum des Badehauses gebracht, wo gewöhnlich die Kleider abgelegt wurden, diesmal aber ein bekleideter Edelmann saß, den sie zu ihrem Entsetzen sofort erkannte: Es war Otto von Poitou, mit einer geschwollenen Backe und einem ungeduldigen Gesichtsausdruck.

»Ihr seid also eine der Frauen aus Salerno, wie?«, fragte er auf Lateinisch, und sie nickte, ihrer Stimme nicht trauend.

»Ausgezeichnet«, sagte er. »Ich muss diesen Zahn endlich loswerden, aber der Stümper, der auf der Burg seine Blutegel verwahrt, hat mir fast den halben Kiefer mit herausgerissen.«

Es war offenkundig, dass er sie nicht erkannte. Bestimmt hatte er sie längst vergessen. Eine kurze Begegnung vor vier Jahren, bei der er versucht hatte, eine Frau einzuschüchtern, war für ihn gewiss unwichtig. Ein Nichts, neben dem er ein Alles war.

»Es soll Euer Schaden nicht sein«, sagte er. Sie war versucht zu antworten, dass er mit seinem Zahn glücklich werden konnte, soweit es sie betraf. Doch sie hatte geschworen, Kranken zu helfen, und ein Zahn, der im Mund eiterte, konnte den Kieferknochen angreifen. Außerdem verursachte er teuflische Schmerzen.

Sie musterte ihn. Er hatte ihr gedroht, doch ob er seine Drohungen wahr gemacht hätte, das konnte sie nicht wissen, genauso wenig, wie sie wissen konnte, ob der gichtkranke Kaufmann von Reims die Angewohnheit hatte, seine Mägde zu vergewaltigen. Judith schluckte ihre Abneigung hinunter und beschloss, Otto von Poitou so zu behandeln, als wäre sie ihm noch nie begegnet, und ihre Pflicht als Ärztin erfüllen.

Soweit sich das durch vorsichtiges Klopfen und im Licht einer Kerze erkennen ließ, war einer seiner Backenzähne braun und das Fleisch um ihn herum entzündet. Ottos Hände krallten sich an den Rändern der Bank fest, doch er stöhnte nicht, obwohl er beträchtliche Schmerzen haben musste. »Ich brauche Zinnkraut und Petersilie«, sagte sie, »um das Blut zu stillen und um dem Fleisch zu helfen, sich wieder zusammenzuziehen, wenn ich Euch den Zahn gezogen habe. Zinnkraut habe ich selbst dabei, doch nach der Petersilie müsst Ihr schicken lassen. Außerdem solltet Ihr Eure Wachen hereinholen, um Euch zu halten.«

»Ich bin ein Mann, der Schmerz ertragen kann«, sagte er ungehalten. Judith zwang sich, beschwichtigend zu klingen.

»Darum geht es nicht. Wenn Ihr Euren Kopf bewegt, während ich den Zahn ziehe, dann könnte das üble Folgen haben.«

Er murmelte, an König Richards Seite auf dem Schlachtfeld gefochten zu haben, aber er gab nach, was immerhin bewies, dass er nicht so dumm war, seinen Stolz über seine Gesundheit zu stellen. Judith ließ heißes Wasser bringen und benutzte ein wenig davon, um Nelkenöl aus ihrer Ärztetasche in einem Becher zu verdünnen. Nelkenöl war immer gut bei Entzündungen im Mundbereich, und es würde seinen Mund reinigen, ehe sie sich um den Zahn kümmerte. Er gurgelte und trank, wie sie es ihm befahl. Es war kaum zu glauben, dass dies der gleiche Mann war, der den Wunsch ausgedrückt hatte, der Herzog von Österreich möge durch den Anblick eines Juden noch etwas qualvoller zur Hölle fahren.

»Mir kommt der Akzent vertraut vor, mit dem Ihr sprecht, Magistra«, sagte er. Ihre Hand schloss sich ein wenig fester um die Zange, die Gilles schnell geholt hatte. »Kann es sein, dass Ihr aus einem der deutschen Fürstentümer stammt?«

»Ich bin Rheinländerin«, erwiderte sie, und da inzwischen der Zinnkrautaufguss fertig war, bat sie seine Soldaten, Otto festzuhalten, einer den Kopf, einer die Schultern.

Das Gefährlichste beim Ziehen eines faulen Zahns war, die Zange falsch anzusetzen, so dass er zerbarst und die Wurzel im Fleisch blieb. Es erforderte all ihr Können, all ihre Kraft. Die Erinnerung an ihre erste Begegnung mit dem Mann, der vor ihr stand, wich zurück wie das Meer bei Ebbe. Ihre eigenen Zähne waren aufeinandergepresst.

Ein Schrei, mit einem Ruck war der Zahn entfernt, und der Graf von Poitou spie Blut. Sie flößte ihm umgehend den Zinnkrautaufguss ein und bat ihn, den Kopf zurückzulehnen. Als er sprechen wollte, hielt sie ihm den Mund zu. »Gurgeln, schlucken und speien, aber nicht reden«, sagte sie. »Jedenfalls nicht in der nächsten Stunde.« Sein Mund bewegte sich unter ihren Fingern, die blutig wurden, und sie konnte spüren, dass er durch die Nase schnaubte, doch er nickte. Obwohl sie sich auf heißen Dampf und ein Bad gefreut hatte, war ihr nicht mehr danach; sie wollte nur fort, ehe Otto sich an sie erinnern konnte, jetzt, wo sie ihre Pflicht als Ärztin getan hatte. Außerdem war sie trotz allem zufrieden mit sich, und sie hatte Hunger, wie oft, wenn ihr etwas besonders Schwieriges gelungen war.

Einer von Ottos Wachen gab ihr zwei kleine Silbermünzen, die sehr neu aussahen und zu leicht für das waren, was sie sein sollten. Sie unterdrückte den Wunsch, darauf zu beißen, um die Echtheit zu überprüfen. Es würde ihren Zähnen schaden, und außerdem gab es eine einfache Erklärung: Das Lösegeld für König Richard hatte dafür gesorgt, dass in seinem Reich das gute Silber fehlte, um gerechte Münzen zu prägen.

»Wenn die Petersilie endlich hier eintrifft, dann nehmt sie für weitere Aufgüsse mit«, sagte sie und empfahl sich.

* * *

Ursprünglich hatte Walther vorgehabt, auf dem Weg von Freiburg nach Hagenau – gehüllt in neue Beinlinge, ein Oberkleid aus Leder und einen Schafspelz – einen Knappen zu finden. Keiner von Bertholds Leuten wäre froh gewesen, den Dienst bei einem reichen Herzog mit dem Dienst bei einem fahrenden Sänger zu tauschen, wohingegen in einem der kleinen Orte jemand zu finden sein sollte, der froh sein würde, aus seiner Heimat wegzukommen. Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass drei der Dörfer, durch die er kam, gerade gebrandschatzt worden waren. Wie es schien, war ein Graf dabei, sein Gebiet zu erweitern: »Der Kaiser ist tot, und niemand weiß, wer jetzt im Land herrscht«, sagte einer der Männer, mit denen Walther sprach. »Deswegen hat der Graf zugeschlagen. Seine Leute haben uns gesagt, wir hätten von Stund an ihm Abgaben zu leisten und nicht mehr dem Vogt, wenn wir nicht im Frühjahr unsere ganze Saat verlieren wollen.« Auf seinem Gesicht waren Tränenspuren zu erkennen. »Die Ernte war eingebracht und für den Winter eingelagert. Jetzt ist alles fort. Was sollen wir machen? Wir wollen sterben!«

Die Bauern hatte nicht das Recht, ihr Dorf zu verlassen, obwohl sie nur Zinsbauern, keine Leibeigenen waren. Einen zu verleiten, mit ihm zu gehen, hätte diesen das Leben kosten können, wenn sein Herr ihn irgendwann wieder entdeckte. Sich irgendwo zu beschweren, war für die Bauern ebenfalls zwecklos: Man hätte sie ausgelacht und lediglich darüber entschieden, welchem Herrn sie zukünftig dienen mussten. Keiner der weinenden Leute erweckte bei Walther den Eindruck, als hätte ihr Wunsch zu sterben etwas damit zu tun, das ewige Leben zu erreichen; sie wollten einzig und allein ihrem trostlosen Dasein entkommen.

Bisher war die Frage nach dem nächsten Herrscher für Walther ein Glücksspiel gewesen, das den höchsten Einsatz erforderte und fast so aufregend war, wie gegen die Stimmung einer Menge anzusingen und sie für sich zu gewinnen. Was er aber auf den Dörfern sah und hörte, erinnerte ihn daran, dass für die Leute, die in ihrem Leben wohl nie einen Herzog sehen würden, geschweige denn einen König, das Fehlen eines Herrschers sehr wohl alles verändern konnte, und nicht zum Guten.

Einer der Dörfler hatte ein gebrochenes Bein, wie der alte Herzog von Österreich, nur dass es für ihn keine Ärzte gab, nur einen Stock und verdreckte Lumpen, mit denen sein Bein geschient und eingewickelt war. Während der Stunde, die Walther im Dorf verbrachte, hörte der Mann nicht auf zu schreien. Walther fragte, ob niemand Branntwein oder dergleichen habe, um die Schmerzen des Mannes etwas zu erleichtern. Man antwortete ihm, der Verwundete würde ohnehin sterben, und Branntwein sei zu dieser Jahreszeit kostbar wie warme Kleidung. Schließlich hielt es Walther nicht mehr aus und bot an, für die Leute zu singen, wenn sie dem Mann einen Schluck gäben. Zuerst wurde er ausgelacht.

»Geld können wir gebrauchen«, rief eine Dörflerin, »für Holz, um unsere Häuser wieder aufzubauen. Von Liedern kriege ich meine Kinder nicht satt.«

»Aber für eine Weile ist es für sie Sommer statt Winter«, sagte Walther, »und wenn ich sie dazu bringe zu lachen, statt sich in den Schlaf zu weinen, ist das dann einen Schluck Branntwein für den Verwundeten wert?« Er wusste selbst nicht, warum ihm das so wichtig war. Doch die Schreie gingen ihm durch Mark und Bein, mehr als es die des alten Herzogs getan hatten, und für den hatte er auch ein wenig Ablenkung schaffen können.

Am Ende sang er eines seiner Sommerlieder für die Dörfler, nicht eins über Könige und Fürsten, auch keines über unerwiderte Liebe, sondern etwas, das so schön, flüchtig und vergnügt sein sollte wie die Lieder, an die er sich von den Johannisfeuern seiner Kindheit erinnerte.

Als der Sommer kommen wollt’
Und im Gras die Blumen hold
Wonniglich entsprangen:
Wo die Vögel sangen,
Dorthin kam ich gegangen,
Sah die Wiese prangen,
Wo ein lautrer Quell entsprang,
Der am Walde lief entlang,
Drin die Nachtigall hell sang.
An der Quelle stand ein Baum.
All da hatt’ ich süßen Traum.
Aus der Sonnenhelle
Kam ich zu der Quelle,
Unter breiten Linden
Schatten kühl zu finden.
An dem Born ich niedersaß,
Meines Leidens bald vergaß,
Dass ich schnell entschlief im Gras.
Und im Träume däucht’ mir gleich,
Wie mir diente jedes Reich,
Wie die Seel’ ohn’ Sorgen
Ewig wär’ geborgen,
Und dem Leib gegeben,
Wie er wollt’, zu leben.
Unaussprechlich war ich froh.
Wollte Gott, es wäre so.
Schönres träumt’ ich nirgendwo.
Gerne schlief ich immer hier.
Doch die Kräh, das schändlich Tier,
Laut begann zu schreien.
Mag ihr das gedeihen,
Wie ich’s wünsch’ von Herzen!
Denn es kehrt’ in Schmerzen
Sich mein Traum, und ich erschrak.
Wenn ein Stein zur Hand mir lag,
War’s der Krähe letzter Tag!

Die Dörfler hörten gebannt zu, doch als er den letzten Vers wiederholte, stimmten drei der Kinder ein und sangen kichernd »War’s der Krähe letzter Tag!« mit ihm. Der Mann mit dem gebrochenen Bein lachte nicht, war aber verstummt und erhielt seinen Schluck Branntwein. Walther gab etwas Kupfer für ihn. Danach verließ er das Dorf, so schnell er konnte.

Immer noch ohne Knappen, traf er in Hagenau ein, wo in der Kaiserpfalz das Wappen der Staufer gehisst war. Auf Anhieb zu Herzog Philipp durchgelassen zu werden, erwies sich als unmöglich, also fragte er sich zur Kemenate der Herzogin durch, die weit weniger umlagert war. Er hatte Glück und traf bereits auf dem Weg dorthin auf eine Magd, die ihm bekannt vorkam. Es war das Kind, das hinter ihr herlief, was schließlich seinem Gedächtnis den entscheidenden Stoß versetzte.

»Kann es sein, Frau Lucia, dass Ihr auf Suche nach Milch seid?«, fragte er. Nach einem Augenblick des Stutzens erkannte sie ihn ebenfalls. Ihre Deutschkenntnisse waren besser geworden. Sie willigte ein, ihn zu Irene zu bringen, und freute sich, als er für ihren kleinen Sohn eine Kuh und eine Ziege nachahmte. »Ein wunderbarer Gaukler, Ihr«, sagte sie.

»Ihr trefft mich tief! Ich bin ein fahrender Ritter der singenden Art«, erwiderte er aufgeräumt und fügte etwas darüber hinzu, wie sehr sich die Herzogin freuen musste, dass eine ihrer Dienerinnen aus Palermo an ihrer Seite geblieben sei.

»Nicht Palermo, Salerno«, verbesserte sie ihn. »War erst im Dienste der Magistra. Hat für mich gebeten.«

Es gab keinen Grund, warum ihn das auch nur im mindesten kümmern sollte. Um sich zu beweisen, wie völlig gleichgültig ihm die Frau war, fragte er, ob die Magistra denn nach ihrer Flucht mit dem Kaufmann noch etwas von sich habe hören lassen und ob der Mann wenigstens versprochen habe, sie zu heiraten. Lucia sah ihn verständnislos an. »Heiraten geht nicht«, sagte sie. »Ist Onkel.«

Als Junge hatte Walther einmal den Fehler gemacht, Markwart zu bitten, ihm das Raufen beizubringen. Es endete damit, dass Markwart auf seinem Brustkorb saß und fragte: »Gibst du auf?« Die Erleichterung, als er von Walther hinunterkletterte, mischte sich mit der unausweichlichen Erkenntnis, dass seine eigene Dummheit erst zu dieser demütigenden Erfahrung geführt hatte. Er hatte nicht gedacht, dass ihn dieses Gefühl noch einmal einholen würde.

Sein Kopf war immer noch merkwürdig schwerelos, als er das Gemach der Herzogin betrat. Mittlerweile hatte Irene, die unübersehbar in anderen Umständen war, mehrere Damen um sich, die dem Reichtum ihrer Kleidung nach selbst Ehefrauen oder Töchter von Edelleuten waren, und einen Schreiber, dem sie gerade diktierte. Dennoch begrüßte sie Walther sofort.

»Herr Walther! Dass Ihr noch in diesem Jahr den Weg an unseren Hof findet, hätte ich nicht gedacht. Seid willkommen.« Sie sah blendend aus, war von Kopf bis Fuß in Seide gekleidet und trug, wo es nur ging, ausgewählten, kostbaren Schmuck. Er verneigte sich tief.

»Edle Fürstin, Ihr werdet schöner durch die Ehe, wisst Ihr das?« Er konnte es sich nicht verkneifen hinzuzufügen: »Und es freut mich, dass Schwaben sich gegenüber ihren Frauen nicht immer so knauserig zeigen, wie man es ihnen nachsagt. Aber ich kann Euren Gemahl gut verstehen – Eure Hände inspirieren jeden Künstler zu Ringen, Euer Hals zu Ketten, Eure Taille zu Gürteln und Euer Haar für eine Krone.«

Sie lächelte. »Wenn ich nun in den Genuss Eurer Poesie komme, freut mich das ungemein, zumal ich heute keine Dame um mich habe, die sonst gemeint sein könnte. Habt Ihr Euch wieder dem Minnelied zugewandt, Herr Walther?«

»Es gibt Dinge, die alle unsere Pläne verändern.«

»Nun, ich hoffe, dass Ihr nicht gekommen seid, um ein Klagelied auf des Kaisers Tod zu singen«, sagte sie nun sehr ernst. »Denn ich bin nicht die richtige Zuhörerin dafür.«

»Ich kann mir vorstellen, dass Ihr schon zu viele Lieder zu diesem Thema vernommen habt, Euer Gnaden. Ich würde gerne behaupten, dass ich kam, um Euer Kind zu preisen, doch auch Preislieder haben ihre Zeit, und die ist jetzt nicht. Wisst Ihr, dass die Leute in den Bergwerken Vögel mit sich nehmen, um gewarnt zu werden, wenn ihnen die Luft ausgeht?«

Niemand konnte Irene von Byzanz nachsagen, dass sie begriffsstutzig war. »Nein, das wusste ich nicht, doch es freut mich sehr, zu hören, dass Vögel auch Warnungen zwitschern können«, sagte sie leichthin. »Ihr müsst mir mehr darüber erzählen, mir und dem Herzog, denn er liebt die Natur wirklich sehr. Kommt in einer Stunde wieder, dann kann auch er aus Eurem Wissen Gewinne ziehen.«

Das Spiel der Nachtigall
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