9.

Marie, Falko und Michi standen auf den Mauern von Kibitzstein und blickten zu den Truppen hinüber, die der Fürstbischof ihren Belagerern zugeführt hatte. Ganz abgesehen von den Kanonen kamen nun auf jeden eigenen Bewaffneten mehr als zehn Feinde.

»Ein drittes Mal wird es uns nicht mehr gelingen, die Geschütze zu zerstören!« Trotz seiner bitteren Worte verriet Falkos Miene, dass er es trotzdem versuchen wollte.

Michi legte seine Rechte schwer auf Falkos Schulter. »Damit würdest du nur unnütz dein Leben opfern oder gar denen da als Geisel dienen. Graf Otto führt den Angriff mit viel mehr Umsicht als sein Bruder, wie du selbst sehen kannst. Der lässt sich nicht überraschen. Es ist zum Verzweifeln! Bis die neue Truppe aufgetaucht ist, hatte ich noch die Hoffnung, wir könnten uns halten. Aber das da drüben sind gut gedrillte Würzburger Soldaten und von der Anzahl her wahrscheinlich die gesamte Heeresmacht, die der Fürstbischof aufbringen konnte. Der Teufel soll Herrn Gottfried holen!«

Marie lachte bitter auf. »Das wünschte ich auch! Aber leider steht der Mann dem Herrgott zu nahe.«

Sie sah ihren Sohn und ihren Kastellan fragend an. »Hat es überhaupt noch Sinn, Widerstand zu leisten? Verurteilen wir damit nicht zu viele Menschen zu einem sinnlosen Tod?«

»Vermutlich hat Herr Gottfried Kenntnis davon erlangt, dass der Markgraf von Brandenburg-Ansbach uns zu Hilfe kommt, und will uns in die Knie zwingen, bevor dessen Truppen marschbereit sind. Aber wenn wir uns jetzt ergeben, fallen wir Albrecht Achilles in den Rücken.«

Falkos Stimme klang beschwörend, während an Michi sichtlich Zweifel nagten. Von den Absichten des Brandenburgers hatten sie nur durch Hertha von Steinsfelds Boten erfahren, dem es gelungen war, sich nächtens an den Belagerern vorbeizuschleichen. Ihm schien es unwahrscheinlich, dass Markgraf Albrecht Achilles wegen Kibitzstein einen Krieg mit Würzburg beginnen würde. Und selbst wenn der Ansbacher käme, würde es für sie zu spät sein.

Der Fürstbischof schien seinen Leuten nach dem Marsch keine Pause zu gönnen. Während ein Teil der Soldaten die Ochsen ausspannte, machte sich ein anderer daran, die Bettungen für die Geschützrohre aufzubauen. Am nächsten, spätestens am übernächsten Tag würden die Mäuler der Kanonen schwere Steine gegen die Kibitzsteiner Mauern schleudern.

Das Geschütz, welches Michi von Schweinfurt hierhergeschmuggelt hatte, wies ein kleineres Kaliber auf und vermochte die feindlichen Kanonen nicht zu erreichen.

»Wir werden sie nicht daran hindern können, uns zusammenzuschießen, und wir können auch keine Ausfälle mehr machen, denn der Feind ist uns an jeder Stelle überlegen und würde uns sofort in die Zange nehmen.«

Michi merkte selbst, wie mutlos er klang, und lachte spöttisch auf, um diesen Eindruck zu verwischen. »Unsere Mauern sind fest und werden dem Beschuss einige Zeit standhalten. Wenn die Kerle wirklich stürmen, werden wir ihnen einen sehr heißen Empfang bereiten.«

»Also kämpfen wir?«, fragte Marie zweifelnd.

»Diese Entscheidung müsst Ihr treffen. Ihr wisst selbst, was Euch blüht, wenn Ihr Euch ergebt. Magnus von Henneberg hat überall herumposaunen lassen, Ihr müsstet barfuß und im Büßerhemd diese Gegend verlassen. Falko würde wahrscheinlich in einem Kerker des Fürstbischofs enden und der Rest von uns als leibeigene Knechte des hohen Herrn!«

Noch während er diese Worte aussprach, begriff Michi, dass er eher kämpfend untergehen wollte, als sich selbst, seine Mutter und seine Geschwister als Unfreie zu sehen.

Falko schüttelte die Fäuste gegen den Feind. »Ich kämpfe! Für meine Familie und für Kibitzstein!«

Nach einigen tiefen Atemzügen nickte Marie ebenfalls. »Auf eine so beschämende Weise werden wir uns nicht ergeben. Dennoch sollten wir beim Bischof anfragen, ob er zu Verhandlungen bereit ist. An die Hilfe des Brandenburgers glaube ich nämlich erst, wenn sein Banner den Weg von Prichsenstadt heraufgetragen wird.«

Die Tochter der Wanderhure
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