10.

Magnus von Henneberg stellte den Becher auf den Tisch zurück und nickte seinem Gastgeber mit zufriedener Miene zu. »Der Wein ist gut. Ich bezweifle, dass Seine Hoheit, der Fürstbischof, einen besseren Tropfen in seinen Kellern hat.«

Ritter Moritz’ ältester Sohn Markus von Mertelsbach lächelte geschmeichelt. »Ich würde Herrn Gottfried Schenk zu Limpurg gerne ein paar Fässer dieses Weines verehren, und Euch natürlich auch, Erlaucht.«

»Der Fürstbischof würde die Gabe zu schätzen wissen, und auch ich wäre sehr erfreut.« Das war nicht einmal gelogen, denn auf den Mertelsbacher Lagen reifte ein Wein, der sich mit dem auf dem Würzburger Stein messen konnte. Henneberg ging es jedoch weniger um ein oder zwei Fässer dieses Trunks, sondern darum, mit Markus von Mertelsbach einen weiteren einflussreichen Burgherrn auf seine Seite ziehen zu können. Die Aussichten standen gut, denn Markus’ Vater, der erst vor wenigen Monaten die blutjunge Bona von Fuchsheim geheiratet hatte, lag schwerkrank darnieder und würde den Worten des Arztes zufolge, den Graf Magnus mit einigen Goldmünzen bestochen hatte, sein Bett in diesem Leben nicht mehr verlassen.

Daher musste Markus von Mertelsbach sich so rasch wie möglich den Besitz seines Vaters sichern, bevor die baldige Witwe im Namen ihres ungeborenen Kindes darauf Anspruch erhob. Bei dem Gedanken an Bona verhärtete sich Junker Markus’ Miene, und er warf der jungen Frau, die eben durch die Halle ging, einen hasserfüllten Blick zu.

Elgard von Rendisheim, die seit der Erkrankung des Burgherrn wieder auf Mertelsbach lebte, um ihren Verwandten mit kundiger Hand zu pflegen, wie sie ständig betonte, teilte Markus’ Abneigung. Ihrer Ansicht nach wäre sie die passende Ehefrau für den alternden Ritter gewesen und nicht dieses unreife Ding. Nun stieß sie Graf Magnus an und wies auf die junge Frau. »Habt Ihr schon einmal ein Weib nach so kurzer Ehe mit einem so dicken Bauch herumlaufen sehen? Ich sage Euch, der Fuchsheimer hat seine Tochter nur deshalb so schnell mit meinem armen Verwandten verheiratet, um einen Fehltritt dieses Weibsstücks zu verbergen.«

»Einem Bastard werde ich hier keine Rechte einräumen, und seiner Mutter auch nicht!«, setzte Junker Markus grimmig hinzu. Er sah sich kurz vor dem Ziel, denn seine drei Brüder, die gleich ihm ehelich geboren waren, galten noch als zu jung, um Ansprüche stellen zu können, und hatten auch nicht die Macht, ihn zu irgendetwas zu zwingen. Hinter Bona aber standen ihr Vater und die gesamte Sippe des Fuchsheimers. Wenn diese sich gegen ihn wandten und versuchten, Bonas Bankert als posthum geborenen Sohn des Moritz von Mertelsbach zu der Burg seines Vaters zu verhelfen, stand es schlecht um ihn. Daher musste er alles tun, um den stärksten Fürsten in dieser Gegend als Verbündeten zu gewinnen, und das war Gottfried Schenk zu Limpurg, das Oberhaupt des Würzburger Hochstifts.

»Wenn das Kind früher geboren wird als neun Monde nach der Heirat – und das wird es gewiss –, kann es nicht von meinem Verwandten stammen!«, setzte Frau Elgard beschwörend hinzu.

Graf Magnus durchschaute die beiden, aber solange deren Absichten ihm in die Hände spielten, würde er sie unterstützen. Ihm ging es um seine eigenen Pläne, und für diese benötigte er den Ritter auf Mertelsbach. Nicht zuletzt deshalb war er dem Schicksal dankbar, das ihn bald von dem widerspenstigen Vater seines Gastgebers erlösen würde. Junker Markus war wie Wachs in seinen Händen, und was Bona betraf, so bestand zur Hälfte die Möglichkeit, dass sie ein Mädchen gebar. Sollte es anders kommen, würde ein Gunstbeweis des Fürstbischofs an ihren Vater ausreichen, diesen dazu zu bringen, seine Tochter in ein Kloster zu stecken und ihren Sohn einem geistlichen Leben zu weihen.

»Ihr steht also auf meiner Seite«, stellte er fest.

Der junge Mertelsbacher nickte eifrig. »Freilich! Das hochnäsige Gesindel auf Kibitzstein muss zurechtgestutzt werden. Obwohl sie aus dem Bodensumpf des niederen Volkes stammen, fühlen sie sich über uns alte Geschlechter erhaben und demütigen uns, wo sie nur können. Das muss ein Ende haben.«

Magnus von Henneberg nickte zustimmend und steuerte schnurstracks auf sein Ziel zu. »Wie viele Waffenknechte könnt Ihr stellen?«

Sein Gegenüber wand sich ein wenig, bevor er Antwort gab. »Ich könnte Euch fünfzehn Krieger geben und dazu dreißig Knechte. Aber solange ich eine Fehde mit dem Fuchsheimer befürchten muss, brauche ich diese Männer selbst.«

»Ich kann zwischen Euch und Fuchsheim vermitteln. Herr Ludolf wurde von Michel Adler vor dessen Tod um mehrere Dörfer gebracht, und die will er wiederhaben. Wenn Ihr ihm versprecht, ihm die Mitgift seiner Tochter zurückzugeben, wird er gewiss bereit sein, ein Bündnis mit Euch einzugehen. Im Notfall bitte ich den hochwürdigen Prälaten Pratzendorfer, mit dem Fuchsheimer zu reden.«

Bei der Aussicht auf eine so hochrangige Fürsprache atmete Markus von Mertelsbach auf. »Unter diesen Umständen bin ich gerne bereit, mich Euch anzuschließen, Graf Magnus. Ich weiß jedoch nicht, wie mein Vater reagieren wird. Zwar liegt er schwerkrank darnieder, aber er versucht immer noch, das Heft in der Hand zu behalten.«

»Wer weiß, ob er die nächsten Tage überleben wird«, antwortete Henneberg leichthin.

Graf Magnus war nicht bereit, den gewonnenen Vorteil noch einmal aus der Hand zu geben. Notfalls würde er dem Arzt einen vergoldeten Wink geben müssen, die Leiden des alten Ritters zu verkürzen. Für ihn aber galt es, alle Vorbereitungen zu treffen, um Kibitzstein zu Beginn des Frühjahrs zu belagern und einnehmen zu können. Es musste so schnell gehen, dass Marie Adler nicht in der Lage war, den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach zu Hilfe zu rufen.

Die Tochter der Wanderhure
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