2.

Ich glaube, die beiden sind dort vorne!« Hardwin von Steinsfeld wollte in die Richtung gehen, aus der er Bonas Stimme vernahm.

Gressingen hielt ihn mit einem leisen Auflachen zurück. »Nicht so ungeduldig, mein Guter. Eine Jagd muss genossen werden, egal ob auf einen Hirsch, einen Eber oder auf ein Weib.«

»Du kannst eine kleine Tändelei mit zwei hübschen Mädchen doch nicht mit einer Jagd vergleichen«, protestierte Hardwin.

Die Miene des Älteren wirkte mit einem Mal herablassend. »Wieso nicht? Sag, was willst du tun, wenn wir wieder bei den beiden sind?«

»Mich erst einmal bei Bona und Trudi entschuldigen, weil wir sie vor hin so bedrängt haben. Ich fürchte, wir haben sie erschreckt!« Georg von Gressingen schüttelte nachsichtig den Kopf. »Nein, mein Guter! Ich habe die beiden nicht so weit von der Burg fortgelockt, um jetzt höflich meinen Diener vor ihnen zu machen.«

»Fortgelockt? Aber wir sind ihnen doch nur aus Zufall begegnet«, rief Hardwin verdattert.

Gressingen lachte spöttisch auf. »Das glaubst auch nur du! Ich selbst habe ihnen den Rat gegeben, ein wenig spazieren zu gehen, während ihre Väter sich mit meinem Onkel, deiner Mutter und einigen anderen Gästen die Köpfe heißreden. Jetzt haben wir die Zeit und die Gelegenheit, die wir brauchen. Die beiden Mädchen sind wie pralle Äpfel – gerade reif zum Pflücken. Und das werden wir beide auch tun. Oder zwickt es dich nicht, Bona die Röcke hochzuschlagen und mit ihr das zu tun, was schon Adam mit Eva gemacht hat?«

Hardwin starrte sein Gegenüber erschrocken an. »Du willst Ritter Ludolfs Tochter Gewalt antun, und das hier, auf seinem eigenen Grund und Boden. Das wäre ein Schurkenstück …«

»Wenn es denn eines wäre!«, unterbrach Georg den Jüngeren lachend. »Wenn die beiden Mädchen es nicht selbst wollten, würden sie nicht hier im Wald auf uns warten, sondern wären längst zur Burg oder wenigstens auf die Straße zurückgekehrt. So aber sind sie doch darauf aus, dass wir sie finden. Keine Sorge, du wirst nicht zu kurz kommen. Ich überlasse dir Bona, denn mir steht der Sinn mehr nach Jungfer Hiltrud.«

… und nach deren Mitgift, setzte Gressingen insgeheim hinzu. Sein Besitz brachte kaum genug ein, um ihn zu ernähren, und die Schulden, die er in den letzten Jahren angehäuft hatte, drohten ihm die Luft abzuschnüren. Er brauchte dringend eine reiche Braut, doch eine solche war unter den Töchtern der fränkischen Ritter seltener zu finden als eine Perle in einer Muschel. Trudi Adler war die einzige heiratsfähige Erbin, die er kannte, und aus diesem Grund hatte er sie schon bei der ersten Begegnung umworben und versucht, sie für sich einzunehmen. Außerdem war sie hübscher als die meisten Mädchen, die für ihn als standesgemäße Bräute in Frage kamen, und das hielt er für eine angenehme Zugabe zu ihrem Geld. Heute würde er den Knoten so fest schürzen, dass ihm dieses fette Täubchen nicht mehr entfliehen konnte. Allerdings wusste er, dass er bei Trudis Mutter als Brautwerber nicht willkommen sein würde. Das hatte Marie Adler ihn bei seinen Besuchen auf Kibitzstein zwar höflich, aber doch unmissverständlich spüren lassen. Doch wenn diese erfuhr, dass er sich mit ihrer Tochter bereits fleischlich verbunden hatte, würde sie sich nicht mehr gegen eine Heirat stemmen können.

Unterdessen hatte Hardwin einen weiteren Haken entdeckt. »Aber du bist noch nicht einmal mit Trudi verlobt, und was Bona betrifft, so soll sie diesen alten Bock Mertelsbach heiraten!«

»Bonas Heirat mit Mertelsbach sollte ein Grund mehr für dich sein, ihr wenigstens eine schöne Stunde zu bescheren.« Gressingen klopfte seinem Freund aufmunternd auf die Schulter und zog ihn dann mit sich. Insgeheim spottete er über den Einfaltspinsel, der die Rechte eines Tattergreises achten wollte. Seine eigene Familie hatte sich bereits vor vielen Jahren mit dem Herrn auf Mertelsbach überworfen. Allein aus diesem Grund wollte er dafür sorgen, dass dieser statt einer tugendsamen Jungfrau ein bereits erprobtes Frauenzimmer als zweite Gemahlin erhielt. »Du glaubst, Bona würde mir die Schenkel öffnen, obwohl sie mit Ritter Moritz verlobt ist?« Hardwins Stimme klang gepresst, und er leckte sich unwillkürlich mit der Zunge über die Lippen. Nun hatte Gressingen das Jüngelchen, das noch nicht einmal den Ritterschlag erhalten hatte, genau in dem Zustand, in den er es hatte bringen wollen. »Gerade weil sie mit diesem alten Bock verlobt ist, wird sie die Beine für dich spreizen. Aber Vorsicht! Ungeduld schadet nur. Jungfern sind da sehr eigen. Einerseits brennen sie darauf, dass ein Mann sie besteigt, andererseits aber fürchten sie sich davor. Am besten, du achtest auf mich. Ich gebe dir das Zeichen, wann du deinen Sturmbock zum Angriff rüsten kannst.«

Hardwin von Steinsfeld war zwanzig, also nur vier Jahre jünger als sein Begleiter, aber so unerfahren, dass es auch vier Jahrzehnte hätten sein können. Von seiner strengen Mutter am kurzen Zügel gehalten, bestand seine Erfahrung mit dem anderen Geschlecht aus dem einen Mal, bei dem eine schon ältere Magd im letzten Jahr auf dem Heustock den Rock für ihn gehoben und er sich beinahe noch im selben Augenblick in sie ergossen hatte. Der Spott, mit dem dieses Weib ihn überschüttet hatte, ließ ihm noch heute das Blut in die Wangen steigen, und er nahm sich fest vor, Bona keinen Grund zu liefern, ihn zu verhöhnen. Aber er war sich nicht sicher, ob er sich ihr wirklich nähern sollte. Sie war nicht nur die Braut eines anderen Mannes, sondern ebenso wie Trudi eine gute Freundin, die er seit seiner Kindheit kannte. Wenn er mit ihr das Gleiche tat wie damals mit der Magd, würde das ihre Freundschaft entweihen.

Georg von Gressingen ahnte seine Gewissensbisse und ärgerte sich darüber. Wenn er Trudi endgültig an sich binden wollte, musste er diesen Tag nutzen und durfte sich seine Chance nicht durch dieses zaudernde Jüngelchen verderben lassen. Daher heizte er die Leidenschaft seines Freundes mit schlüpfrigen Bemerkungen an, während sie auf die Lichtung zueilten, auf der die Mädchen auf sie warteten.

Die Tochter der Wanderhure
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