7.

Hertha von Steinsfeld hatte sich vor Markgraf Albrecht Achilles aufgebaut, als sei sie eine Henne, deren Küken er bedrohte. Die Rechte zur Faust geballt, wies sie mit der anderen Hand in die Richtung, in der ihre Heimat lag.

»Wie könnt Ihr zulassen, dass der Würzburger Bischof uns freie Reichsritter seiner Herrschaft unterwirft? Kibitzstein ist nur der Anfang. Wenn diese Burg fällt, wird der Würzburger Raubvogel sich auf die nächste Beute stürzen!«

Damit meinte Junker Hardwins Mutter sich selbst und ihren Besitz. Sie hatte die Burg und die Herrschaft Steinsfeld nicht so viele Jahre für ihren Sohn erhalten, um nun einen Bückling vor dem Würzburger machen zu müssen. Auch gefiel es ihr wenig, ihren Bauern noch höhere Abgaben aufzuerlegen, um die Steuern zahlen zu können, die Gottfried Schenk zu Limpurg von ihr fordern würde.

Albrecht Achilles von Hohenzollern, Markgraf zu Brandenburg-Ansbach, brauchte kein Hellseher zu sein, um die Gedanken der Witwe nachvollziehen zu können. Wahrscheinlich hätte sie statt seiner lieber den Teufel um Hilfe gebeten, denn sie war ebenso wenig bereit, seine Farben anstelle der Würzburger über ihrem Besitz aufziehen zu lassen.

Gleichzeitig erinnerte Albrecht Achilles sich an sein Versprechen, das er Marie Adlerin auf Kibitzstein nach dem Mord an ihrem Mann gegeben hatte. Da war er wohl doch etwas voreilig gewesen, wie er sich selbst eingestehen musste. Es reizte ihn zwar, den Würzburger Bischof zu rupfen und seine eigene Macht mainabwärts auszubauen. Doch ein solcher Feldzug musste gut vorbereitet werden. Einen Streit mit Gottfried Schenk zu Limpurg vom Zaun zu brechen, würde ihm keinen nennenswerten Gewinn bringen, aber große Kosten verursachen. Andererseits durfte er dem Würzburger nicht freie Hand lassen.

»Warum hat Marie Adlerin sich nicht schon vorher an mich gewandt? Dann hätten wir uns rüsten und ihr wirkungsvoll zu Hilfe eilen können!«, fragte er, um Zeit für Überlegungen zu gewinnen.

Hertha von Steinsfeld plusterte sich erneut auf. »Das hat sie sehr wohl. Drei Mal hat sie Euch Botschaft geschickt.«

»Nicht eine hat mich erreicht, und auch sonst erhielt ich keinen Hinweis, dass sich die Situation um Kibitzstein so dramatisch zugespitzt hat.«

Auf der sonst so glatten Stirn des Markgrafen zeichneten sich Kerben ab. Wer von seinen Höflingen oder Beamten hatte sich vom Würzburger Gold dazu verleiten lassen, ihm Marie Adlerins Briefe zu unterschlagen und alles, was mit dieser Frau zu tun hatte, kleinzureden? Nach dem, was er erfahren hatte, gab es zwar eine Fehde, aber bei der sollte es sich nur um eine Auseinandersetzung zwischen Kibitzstein und einem oder zwei Nachbarn handeln. Solche Reibereien waren in diesen Gegenden nicht selten. Meist wurden sie mit vielen Worten und wenig Pulver geführt und bald durch die Vermittlung der Nachbarn beigelegt. Er war getäuscht worden, und das machte es ihm beinahe unmöglich, jetzt noch ein Heer zu sammeln und in Marsch zu setzen. Einige seiner Nachbarn warteten nur darauf, dass er eines seiner Länder entblößte.

»Könnt Ihr Nachricht nach Kibitzstein bringen lassen?«, fragte der Markgraf unvermittelt.

Hertha von Steinsfeld wiegte den Kopf. »Bis vor kurzem wäre das noch möglich gewesen. Aber seit Graf Otto von Henneberg den Oberbefehl über die Truppen der Belagerer übernommen hat, ist Kibitzstein von der Außenwelt abgeschnitten. Doch ich werde es versuchen.«

Über das Gesicht des Markgrafen huschte ein boshaftes Lächeln. »Tut das, gute Frau! Lasst Marie Adlerin mitteilen, dass sie die Burg halten soll, solange es irgend möglich ist. Ich werde derweil ein Heer zu ihrer Unterstützung zusammenrufen.«

Albrecht Achilles nahm sich vor, diese Nachricht so schnell wie möglich unter seinen Höflingen zu verbreiten. Mindestens einer von ihnen würde sie an den Würzburger Bischof weiterleiten. Mit etwas Glück würde er herausbekommen, wer in Herrn Gottfrieds Diensten stand, und denjenigen bestrafen können.

Albrecht Achilles konnte nur hoffen, dass Gottfried Schenk zu Limpurg die Nachricht ernst nahm und Frieden mit Kibitzstein schloss. Begriff der Würzburger jedoch, dass es sich um eine Kriegslist handelte, und vertrieb Marie Adlerin von ihrem Besitz, musste er dem Mann, der sich Herzog von Franken nennen ließ, zu einer gelegeneren Zeit die Rechnung für dessen Raffgier präsentieren.

Hertha von Steinsfeld nahm die Zusage des Markgrafen für bare Münze und bedankte sich überschwenglich. Gleichzeitig fasste sie den Entschluss, der Himmelsmutter eine besonders schöne Kerze zu stiften, damit Gottfried Schenk zu Limpurg Vernunft annahm und die Belagerung von Kibitzstein aufgab. Ein Krieg zwischen den beiden Reichsfürsten, in den sie womöglich selbst hineingezogen wurde, war nicht gerade das, was sie sich wünschte. Während sie sich unter Ehrenbezeugungen zurückzog, verfluchte sie ihren Sohn, der sie im Stich gelassen hatte, um dem Söldnerhauptmann Eichenloh zu folgen. Gleichzeitig aber wünschte sie, Hardwin würde von diesem Mann lernen, die Freiheit seiner Herrschaft zu erhalten.

Die Tochter der Wanderhure
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