44
Derek blieb drei Tage lang weg. Was sich als klug erwies, da Kelsey so lange brauchte, um sich wieder zu beruhigen. Schließlich kam sie zu dem Schluß, daß sein Heiratsantrag
wahrscheinlich
mit
dem
Ashford-Vorfall
und seiner Besorgnis um sie zu tun hatte. Der Antrag war
wahrscheinlich
auch
impulsiv
gemacht
worden.
Und da er nun Zeit gehabt hatte, darüber nachzudenken, würde ihm klar sein, wie albern sein Benehmen gewesen war.
Als er drei Tage später wieder erschien, erwähnte er den Heiratsantrag nicht mehr, also beschloß Kelsey, auch
ihrerseits
das
Thema
nicht
anzusprechen.
Nachdem ihr Ärger darüber verebbt war, hatte sie den Antrag eigentlich als gutes Zeichen gesehen, oder zumindest als ein Zeichen dafür, daß er begann, sie mehr zu mögen, als sie gedacht hatte. Wenn ein Mann einem schon nicht sagte, was er fühlte, war es doch nett, wenigstens einen Hinweis zu bekommen, und ein Heiratsantrag war ein ziemlich deutlicher Hinweis.
Also versöhnten sie sich wieder, obwohl sie eigentlich nicht miteinander gestritten hatten. Und sie liebten sich in dieser Nacht ein wenig feuriger als sonst, geradezu explosiv und so lange, daß sie beide am nächsten Morgen verschliefen.
Kelsey stand als erste auf. Sie zog sich an und ging rasch hinunter, um nachzusehen, was Alicia zum Frühstück vorbereitet hatte, um es Derek auf einem Tablett nach oben zu bringen.
Sie hatte keinen Butler, weil sie das in ihrem kleinen Haushalt nicht für nötig hielt, vor allem, da sie keinen Besuch empfing. Außerdem versah ihr Lakai diese Pflichten. Wenn er jedoch nicht da war, öffnete die Tür, wer immer sich gerade in der Nähe aufhielt, falls es klopfte.
An diesem Morgen klopfte es, als Kelsey gerade die Treppe herunterkam. Sie öffnete die Tür – eine recht unangenehme
Überraschung
für
die
frühe
Morgen-
stunde stand ihr bevor.
»Ich gäbe einen guten Detektiv ab, nicht wahr?« sagte Regina Eden und strahlte sie an.
Kelsey fiel keine Erwiderung ein. Solche Situationen durfte es einfach nicht geben. Hatte Derek ihr nicht versprochen, sie würde nichts mehr mit seiner Familie zu tun haben? Und Reggie spazierte herein, als ob sie nicht den leisesten Zweifel daran hegte, daß sie willkommen wäre. Auf die Idee, es nicht zu sein, käme sie gar nicht. Sie waren schließlich rasch Freundinnen geworden – zumindest, was Reggie betraf.
Kelsey stöhnte insgeheim auf. Sie brachte nur heraus:
»Wie haben Sie mich gefunden?«
»Nun, zuerst bin ich natürlich bei Percy vorbeigefahren.
Allerdings nicht heute morgen. Das war letzte Woche.«
»Warum?«
»Um nachzusehen, ob Sie sich noch in der Stadt aufhielten. Nicholas hat noch Geschäfte zu erledigen, deshalb sind wir länger geblieben, als ich dachte. Jedenfalls bin ich bei Percy vorbeigefahren; er war nicht zu Hause, aber sein Butler sagte mir, bei ihm wohne keine Cousine, und es habe auch keine da gewohnt. Ich hinterließ ihm eine Nachricht, daß er vorbeikommen und mich besuchen solle, aber das tat er nicht. Nun ich bin nicht gerade bekannt für meine Geduld, also habe ich alle Hotels in der Umgebung überprüft, und ich kann Ihnen sagen, ich habe mich völlig lächerlich gemacht, weil in einem Hotel eine Langton registriert war. Das waren natürlich nicht Sie, sondern eine Dame mit ihrer Nichte. Und sie hatte sogar noch eine weitere Nichte, die Kelsey heißt.«
»Unglaublich«, krächzte Kelsey.
»Das fand ich auch. Allerdings hatten sie noch nie etwas von Percy gehört, also konnte ihre Kelsey natürlich nicht die sein, die ich suchte. Nachdem ich alle Hotels abgeklappert hatte, habe ich die besseren Vermietungs-agenturen überprüft, aber keine hatte je etwas mit Percy oder Ihnen zu tun gehabt. Dann jedoch – und ich weiß eigentlich gar nicht, wie ich darauf gekommen bin, vielleicht, weil Derek in der Vergangenheit häufig geschäftliche Angelegenheiten für Percy erledigt hat – erwähnte ich Dereks Namen, und siehe da, er hatte gerade dieses Haus gemietet. Und hier bin ich.«
Ja, da war sie, Kelsey wußte nicht, was sie tun sollte. Es schien ihr kaum möglich, Regina zu bitten, zum Tee zu bleiben, wo Derek jeden Moment die Treppe herunter-kommen konnte. Er hatte noch geschlafen, als sie aufgestanden war, aber er wachte meistens ziemlich schnell auf, wenn sie nicht mehr neben ihm lag, als ob er sie selbst im Schlaf vermissen würde.
In diesem Augenblick öffnete sich oben eine Tür, und Dereks Stimme ertönte: »Wo bist du, Liebling? Du hättest mich wenigstens wecken können, Kelsey.«
Er nahm wahrscheinlich an, sie sei im rückwärtigen Teil des Hauses und könne ihn nicht hören, denn die Tür schloß sich wieder. Kelsey wäre am liebsten in den Boden versunken.
Reggie hatte natürlich bei dem Klang seiner Stimme nach oben geblickt. Sie erkannte sie sofort und fragte:
»Was tut er denn hier – vor allem da oben?«
Kelsey wurde tiefrot, und als Reggie das sah, sagte sie
»Oh« und errötete selbst. Dann, als ihr klar wurde, was vor sich ging, fügte sie empört hinzu: »So ein Schuft!
Wie kann er Sie nur so ausnutzen!«
Kelsey stöhnte auf. »Es ist nicht so, wie Sie denken – ich meine, es ist ... aber die Umstände sind ... bitte, Reggie, gehen Sie jetzt, bevor er herunterkommt. Ich werde Ihnen alles später erklären.«
»Wann später? Ich kann doch nicht einfach so tun, als sei nichts passiert.«
Kelsey war klar, daß sie um eine Erklärung nicht her-umkommen würde. »Ich komme heute nachmittag zu Ihnen.«
»Versprechen Sie es?«
»Ja.«
»Nun
gut«,
erwiderte
Reggie,
obwohl
sie
immer
noch empört war. »Ich hoffe wirklich, es gibt eine gute Erklärung dafür, sonst müßte ich meinen Onkel Jason
davon unterrichten.
Derek
sollte
sich
davor
hüten, unschuldige Mädchen aus guter Familie zu verführen. Das haben ja selbst unsere wüsten Onkel nicht getan.«