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Kelsey zog das Negligé mit zitternden Fingern an. Sie hatte gewußt, daß sie sich nicht wohl darin fühlen würde, verbot sich jedoch eigensinnig, es wieder auszuziehen.

Es schien ihr einfach indezent, nicht nur, weil es durch-sichtig war, sondern weil es bis zu den Hüften ge-schlitzt war und mehr von ihren Beinen zeigte, als sie bisher jemandem gezeigt hatte. Es war ärmellos, aus blaßblauer Seide, mit einem tief ausgeschnittenen Mieder und wurde von Bändern zuammengehalten, die ganz leicht gelöst werden konnten.

Wäre da nicht noch der Morgenmantel aus der gleichen weichen Seide gewesen, dann hätte sie überhaupt nicht gewagt, es zu tragen, aber der Morgenmantel bedeckte ihre Beine und Arme. Zwar konnte man, obwohl sie den Mantel fest zuschnürte, immer noch ihre Brüste ein wenig sehen, aber das war unter diesen Umständen wohl angebracht.

Als es an der Tür klopfte, stand sie gerade am Kamin und kämmte sich die Haare. Sie brachte kein Wort heraus, um Derek zum Eintreten aufzufordern. Aber offensichtlich hatte er das auch gar nicht erwartet, denn er öffnete einfach die Tür, stand da und sah sie an. Seine Augen weiteten sich, wurden dunkel ..

»An diesem Erröten müssen wir wirklich noch arbeiten, Kelsey«, bemerkte er amüsiert.

Sie schlug die Augen nieder. Die Hitze auf ihren Wangen brannte heißer als das Feuer im Kamin hinter ihr.

»Ich weiß.«

»Du siehst ... wunderschön aus.«

Es klang so, als hätte er lieber etwas anderes gesagt, als ob er Scheu vor ihr hätte. Und dann stand er dicht vor ihr, nahm ihr den Kamm aus der Hand und legte ihn weg. Er hob eine Locke ihres langen Haars an seine Wange und ließ sie wieder zurückfallen.

»Ganz wunderschön«, wiederholte er.

Sie sah ihn an, und unter dem Blick aus seinen grü-

nen Augen wurde ihr nur noch wärmer. Daß er so nahe bei ihr stand, löste seltsame Gefühle in ihr aus.

In ihrem Unterleib pochte es, und ihre Brüste prickel-ten. Sogar sein Geruch ließ ihre Nerven vibrieren.

Sie blickte verlangend auf seinen Mund, bereit ihn zu küssen, weil sie daran denken mußte, wie schön es gewesen war, als er sie geküßt hatte. Ihr war fast das Bewußtsein geschwunden, sie hatte keinen klaren Gedanken mehr fassen können und hatte sich so friedlich gefühlt.

Der Gürtel ihres Morgenmantels wurde gelöst – mit seiner Hilfe. Die Röte stieg ihr wieder in die Wangen, als die dünne Seide zu Boden fiel. Sie hörte, wie er scharf den Atem einzog, fühlte, wie seine Augen langsam über sie hinwegglitten.

Heiser sagte er: »Wir werden dir mehr . . davon kaufen müssen«, und er wies auf das Negligé. »Viel mehr.«

Müssen wir das wirklich? Sie dachte, sie hätte es laut gesagt, aber sie hatte kein Wort herausgebracht. Sie wartete zu angespannt ... wartete.

Und dann umfaßten seine Hände zärtlich ihr Gesicht.

»Weißt du eigentlich, wie sehr ich mich auf diesen Augenblick gefreut habe?« fragte er leise.

Sie konnte ihm nicht antworten. Das brauchte sie auch nicht, denn kaum hatte er es gesagt, küßte er sie. Seine Zunge glitt zwischen ihre Lippen, tauchte in ihren Mund, forderte ihre Zunge heraus. Er zog sie näher an sich heran, und ihre Brüste berührten seine Brust. Sie kämpfte mit dem Verlangen, sich an ihn zu pressen und gab ihm schließlich nach.

Er stöhnte, nahm sie auf die Arme, trug sie zum Bett und legte sie dort sanft nieder. Während er seine Jacke auszog und sein Halstuch löste, betrachtete er sie. Ihre Augen begegneten seinen, und ihre Lippen teilten sich zitternd, aber sie konnte nicht wegblicken, so sinnlich, so betörend war sein Blick.

Sie hatte die Lampen im Zimmer nicht gelöscht. Am liebsten hätte sie es getan, weil sie so verlegen war. Am liebsten wäre sie auch unter die Decke geschlüpft, aber sie hatte daran denken müssen, was May gesagt hatte, daß Männer es lieben, eine nackte Frau anzusehen. Jetzt war sie schon so gut wie nackt, die dünne Seide verhüllte ihren Körper kaum. Wenn er doch endlich zu ihr käme.

Sie wußte nicht, wie verführerisch sie war, mit ihren schwarzen Haaren, die über dem Kissen lagen, dem schlanken Bein, das von der blauen Seide nicht verhüllt wurde. Mit ihren vollen Lippen, die leicht offenstan-den, schien sie um seinen Mund zu flehen. Und ihre verwirrten grauen Augen mit den langen schwarzen Wimpern,

die

so

furchtsam

dreinblickten

nein,

hoffentlich nicht. Und doch kam sich Derek vor wie ein rauher Krieger, der ein Dorfmädchen vergewaltigen wollte. Ein seltsames Gefühl, das seine Lust noch steigerte.

Von dem Augenblick an, als er den Raum betreten und sie in diesem offenherzigen Ensemble gesehen hatte, war er erregt gewesen. Er hatte versucht, an andere Dinge zu denken, aber nichts half. Er wollte sie einfach zu sehr, das war das Problem. Und er wußte noch nicht einmal genau, warum.

Er hatte schon mit anderen, schöneren Frauen geschlafen. Aber um Kelsey war irgend etwas, diese gespielte Unschuld vielleicht, dieses alberne Erröten, das sie jederzeit auf ihre Wangen zaubern konnte, vielleicht auch die Tatsache, daß er sie gekauft hatte .. er wußte es nicht, aber am liebsten hätte er sich auf sie gestürzt und sie gleich genommen. Aber das war natürlich unmöglich.

Es fiel ihm schwer, und es wurde auch nicht leichter, als er sich zu ihr legte und sie wieder berührte. Sie war ganz seidige Sanftheit, und weich an den richtigen Stellen.

Als er die Bänder an ihren Schultern löste und die blaue Seide langsam herunterschob, um ihre Brüste zu enthüllen, die sich seinem heißen Blick bereitwillig darbo-ten, hätte ihn die Lust beinahe zu früh überwältigt.

Wieder stieg in ihm das Verlangen auf, sich gleich in ihr zu versenken. Er hätte seine Glut nur durch ein kaltes Bad löschen können, ein lächerlicher Gedanke unter diesen Umständen.

Besser wäre es gewesen, mehr Wein zum Abendessen zu trinken. Nein, sie hätte mehr trinken sollen, dann hätte es ihr nichts ausgemacht, wenn er sie einfach nehmen würde. Vielleicht würde es ihr sowieso nichts ausmachen? Verdammt, ihm machte es aber etwas aus. Er war ja schließlich kein unerfahrener grüner Junge, der sich nicht beherrschen konnte. Er würde sich Zeit lassen, und wenn es ihn umbrachte.

Also begann er, sie wieder zu küssen, bewußt und kon-zentriert. Er konnte jedoch seine Hände nicht davon abhalten, über ihren Körper zu gleiten. Ihre Brüste waren rund und fest, paßten genau in die Wölbung seiner Hand. Es dauerte nicht lange, und sein Mund war dort angelangt. Ihr lustvolles Aufkeuchen war süße Musik in seinen Ohren.

Er berührte sie überall. Kelsey mußte sich wiederholt ins Gedächtnis rufen, daß er das Recht dazu hatte. Und was für Gefühle sein Mund in ihr auslöste! Sie fürchtete fast, sie könne wieder Fieber bekommen.

Vorsichtig versuchte er, mit seiner Hand zwischen ihre Beine zu kommen, aber sie hielt sie fest zusammenge-preßt. Er lachte leise und küßte sie dann so leidenschaftlich, daß sie ihre Beine völlig vergaß – und seine Hand schlüpfte dazwischen. Sie wäre fast aus dem Bett gesprungen. Nie im Leben hätte sie sich etwas so Schockierendes – und so Aufregendes — vorstellen können, wie das, was er mit seinen Fingern tat.

Schließlich gab sie sich dem Gefühl hin, das so angenehm war, daß sie den Schmerz, der sich beständig in ihr aufbaute, erst wahrnahm, als er sie mit voller Wucht packte und überwältigte. Ihr Stöhnen kam tief aus ihrer Kehle. Sie bog sich ihm entgegen, zog ihn an sich – und wußte nicht, wie ihr geschah.

Und in diesem Augenblick gab Dereks mühsam vorgetäuschte

Beherrschung

vollends

nach.

Er

bewegte

sich zwischen ihren Beinen, hob sie an und war im nächsten Moment tief in ihr. So rasch drang er in sie ein, daß ihm keine Zeit blieb, vor irgendwelchen Grenzen anzuhalten. Zwar bemerkte er vage, daß es ein Hindernis gab, konnte aber nicht darüber nachdenken, weil er eine solch lustvolle Enge, eine solch köstliche Hitze, ein solch primitives Verlangen empfand. Fast wäre er schon bei diesem ersten Stoß zum Höhepunkt gekommen – doch der nächste ließ ihn endgültig zer-fließen.

Als der erste klare Gedanke seinen lustgetrübten Verstand durchdrang, seufzte Derek. Er hatte eigentlich gedacht, er sei schon weit hinaus über seine ersten gierigen Liebeserfahrungen als Junge, als er nur an sein eigenes Vergnügen gedacht und seine Erregung nicht hatte beherrschen können. In Gedanken wies er sich zurecht. Das war heute nacht eine reizende Demonstra-tion von Beherrschung gewesen.

Er wußte noch nicht einmal, ob das arme Mädchen sein Vergnügen gehabt hatte, so sehr war er mit sich beschäftigt gewesen. Sie zu fragen, wäre allerdings recht taktlos. Wenn sie nichts davon gehabt hatte, dann mußte er das natürlich wiedergutmachen. Allein der Gedanke daran ließ seine Erregung wieder wachsen.

Erstaunlich. Aber sie war auch so unglaublich eng . .

»Kannst du dich . . bitte ... auf die Seite legen?«

Er war zu schwer. Was war er doch für ein Tölpel – er lag da, genoß sein Vergnügen und zerdrückte dabei das arme Mädchen. Schnell richtete er sich auf, um sich zu entschuldigen und sein Gewicht wenigstens von ihrem Oberkörper zu nehmen, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken, als er ihre Tränen und ihren aufgelösten Gesichtsausdruck sah. Er war tatsächlich sekundenlang auf einen Widerstand gestoßen, der ihm den vollen Zu-gang unmöglich gemacht hatte.

»Du lieber Himmel, du warst wirklich noch Jungfrau!«

sprudelte er hervor.

Sofort wurde sie rot. »Ich glaube, das ist schon bei der Auktion erwähnt worden.«

Er starrte sie ungläubig an. »Mein liebes Mädchen, das hat

keiner

ernsthaft

geglaubt.

Mädchenhändler

sind

schließlich bekannt dafür, daß sie lügen. Und außerdem bist du in einem Bordell verkauft worden. Was zum Teufel sollte eine Jungfrau in einem Bordell zu suchen haben?«

»Offenbar verkauft zu werden, und das wie im Vertrag vereinbart«, entgegnete sie steif. »Es tut mir leid, daß ich mir von Lonny nicht meine Jungfräulichkeit habe nehmen lassen, bevor er mich verkaufte. Ich hatte keine Ahnung, daß ich dazu verpflichtet war.«

»Red keinen Unsinn«, brummte er. »Es ist eben nur eine ... Überraschung ... auf die ich mich erst ein bißchen einstellen muß.«

Ein bißchen? Dieses ganze Erröten war echt gewesen, und nicht gespielt! Und ebenso all die unschuldigen Blicke!

Eine Jungfrau, und zwar seine erste, wenn er die Küchenmagd

auf

Haverston,

die

anschließend

ihre

Gunst jedem Lakaien geschenkt hatte, nicht mitrech-nete. Kein Wunder, daß Ashford sie unbedingt hatte haben wollen und so wütend geworden war, als er sie nicht bekam – noch mehr Blut, das er seinen kranken Vergnügungen hätte hinzufügen können.

Eine Jungfrau! Die volle Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag, und mit ihr kam eine Welle von Besitzdenken, das er noch nie empfunden hatte. Er war ihr erster Liebhaber, der einzige Mann, der sie je berührt hatte, und nicht nur das, er besaß sie. Sie gehörte ihm.

Er lächelte sie strahlend an. »Siehst du? Ich habe mich schon daran gewöhnt.« Er war wieder hart und sehnte sich danach, sie erneut zu besitzen, aber statt dessen zog er sich vorsichtig aus ihr zurück. »Ich habe dein erstes Erlebnis ganz schön verdorben. Ich habe mich benommen wie ein ungeübter Junge, weil ich dich so sehr begehrte, aber das hat es nur noch schlimmer für dich gemacht. Wenn du dich ein bißchen erholt hast, werde ich dafür sorgen, daß du das gleiche Vergnügen empfindest wie ich. Aber jetzt sehen wir erst einmal nach deinen Verletzungen.«

Bevor sie protestieren konnte, hob er sie wieder hoch und trug sie ins Badezimmer. Dort setzte er sie auf einen Hocker und wickelte sie in ein großes Badetuch, während er Badewasser einließ, die Temperatur prüfte, Badesalz

und

Duftwässer

hinzufügte,

bis

sich

die

Wanne füllte. Sie brauchte nur dazusitzen und sorgsam darauf zu achten, ihren Blick von ihm abzuwenden, denn sich selbst hatte er nicht bedeckt. Er war immer noch völlig nackt.

Als er Anstalten machte, sie ins Wasser zu heben, streckte sie die Hand aus. »Ich kann doch selbst ...«

»Unsinn. Er nahm das Handtuch weg und hob sie hoch, um sie vorsichtig in die gefüllte Wanne gleiten zu lassen. »Ich habe mich schließlich daran gewöhnt, dich zu baden, und ich muß sagen, es ist eine hübsche Gewohnheit.«

Dann kniete er neben der Wanne nieder und wusch sie, überall. Die ganze Zeit über blieb ihre Haut rosig ange-haucht, und das kam nicht von der dampfenden Hitze.

Schließlich hob er sie wieder heraus, trocknete sie ab und trug sie zum Bett zurück. Dort legte er sie unter die Decke, streckte sich neben ihr aus und kuschelte sich eng an sie.

Endlich konnte sie sich entspannen, heute nacht würde es keine Schmerzen – und auch kein Vergnügen – mehr geben. Selbst ihre Nacktheit störte sie nicht mehr, sie trug einfach nur zu der Wärme bei, die sie langsam in den Schlaf hinübergleiten ließ.

Sie war beinahe eingenickt, als er sagte: »Danke, Kelsey Langton, daß du mir deine Jungfräulichkeit geschenkt hast.«

Sie wies ihn nicht darauf hin, daß sie gar keine andere Wahl gehabt hatte. Und es war auch nicht so schlimm gewesen, wie es mit jemand anderem hätte sein können.

Vor dem Schmerz hatte es immerhin einiges an Ange-nehmem gegeben.

Also erwiderte sie halb gähnend in dem gleichen for-mellen Tonfall: »Bitte, gern geschehen, Derek Malory.«

Sie konnte zwar sein Lächeln nicht sehen, spürte aber, wie er sie enger an sich zog. Ihre Hand glitt hinauf und legte sich, zunächst zögernd, dann aber unbesorgt, auf seine Brust. Sie konnte ihn jetzt berühren, wann immer sie wollte. Nach dieser Nacht hatte sie das Recht dazu –

so wie er das Recht gehabt hatte, sie zu berühren –, und erstaunlicherweise machte es ihr Freude.

Man stelle sich das vor.