Alles ist möglich - oder was?
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Das Gefühl des »Alles ist möglich« - objektiv gesehen teilweise eine Lüge - ist eine sehr gesunde Philosophie, gerade wenn man sich in einer der letzten Lebensetappen befindet. Konfrontiert mit immer neuen Themen, die einen ziemlich deprimieren könnten, aber nicht sollten.
Uns Älteren steht das Wissen zur Verfügung, dass jung zu sein nie so schrecklich großartig war, wie immer behauptet wurde. Wer vermisst schon die Unsicherheit, den Kampf um Identität, die Wirren der Liebe, die Irrwege auf der Suche nach dem ewigen Glück?
Und genauso ist das Alter nicht so schlimm, wie manche fürchten. Ein bisschen Glück kann immer noch auf unserer Seite sein und uns Dinge nahe bringen, die wirklich interessant und relevant sind, die uns immer noch ein wenig formen und erhellen können.
Noch ist Zeit, durch Wärme und Toleranz einige einst harsche Meinungen ein wenig zu besänftigen und Zuneigungen zu entwickeln, wo bisher keine waren. Ein wenig Zeit, Risiken einzugehen. Vielleicht sogar noch ein wenig Zeit, um genau die Dinge umzukehren, die dich zu dem gemacht haben, was du in keinem Fall hattest werden wollen, als du jung warst.
Weil es Elemente gibt, die scheinbar durch nichts ausradiert werden können, egal wie düster die Aussichten sein mögen: Hoffnung und Glaube, denn deren Macht ist kolossal.
Und plötzlich ist die Angst nicht mehr so groß.
Der Wille zum Träumen und Hoffen, zur Selbsttäuschung und Manipulation ist menschlich und wird uns immer bleiben. Träumen ist legitim. Aber es sollte nur in Episoden auftauchen und wie ein schöner Ausflug in eine formbare, perfekte Welt genossen werden. Träume wechseln mit dem Alter. Romantische Happy Ends, mit einem jugendlichen, verzehrenden Sehnen erhofft, mögen sich irgendwo in den Tiefen der weisen Seele verstecken, bei Romantikern bestimmt, aber sie sind weder Ziel noch Notwendigkeit.
 
Ich bin häufig sehr genervt gewesen bei der ganzen Datingsache, besonders online. Ich habe mich anstecken lassen von der allgemeinen Meinung, dass es eine schreckliche und eigentlich peinliche Sache sei, einen Mann - also auch Glück - zu suchen, anstatt es per Zufall auf dem silbernen Tablett serviert zu kriegen.
»Oh, bin ich froh, dass ich meinen gefunden habe«, sagen viele Freundinnen und meinen damit, dass sie sich glücklich schätzen, nicht mehr mit Herausforderungen, Neugier, Ungewissheiten und so weiter konfrontiert zu werden, da alles bis zum Grab geregelt scheint.
Ich empfinde das aber gar nicht so. Im Gegenteil, ich merke, dass es eine Offenheit gibt, die auf der Überzeugung basiert, dass es spannend, lehrreich und emotionell stabilisierend ist, sich immer wieder neuen Menschen zu nähern, dass das eine sehr vitalisierende Quelle ist.
Der Lebensfluss ist viel aktiver, das Rätselhafte am Menschen wird mir viel stärker bewusst, natürlich auch an mir selbst. Und das führt zu einer größeren Milde und Toleranz anderen gegenüber. Vor allem, wenn ich mich mit Fremden treffe, die ich mir ausgesucht habe. Denn ich bemühe mich dann, etwas Gutes in meinem Gegenüber zu sehen. Schon allein deshalb, weil ich selbst nicht als komplette Idiotin, die den ganzen Aufwand völlig umsonst gemacht hat, dastehen will. Also, Milde aus Selbstschutz oder Rechtfertigung. Warum nicht?
Ich merke auch, wie ich einen gewissen Zynismus verloren habe, und ja, ich muss es wohl zugeben, eine gewisse Überheblichkeit. Es waren so viele liebenswerte, gutgläubige, herzliche, ehrliche, bodenständige Männer darunter, dass ich irgendwie kein Recht habe, mich über sie lustig zu machen.
Na ja, jedenfalls nicht über alle!
Vielleicht ist bei manchen Menschen der Drang nach draußen und der Wunsch nach Experimenten einfach größer. Die Preise für all die verschiedenen Lebensformen sind allerdings auf einer Ebene gleich teuer, denn Sonderangebote und one size fits all, also einen, der für alle passt, gibt es nicht wirklich.
Die Entscheidung ist lediglich, welchen Preis man gern zahlt, ohne im späteren Leben daran zu zerbrechen.
Tradition oder Abenteuer? Das ist meistens die Frage. Man kann sicherlich beides in manchen Lebensstrecken verbinden und damit glücklich werden. Doch worum geht es denn letztendlich? Die Hoffnung auf immerwährendes Glück oder dem, was wir darunter verstehen, ist eine Illusion.
Ja, Glück ist eine persönliche Interpretation, kein harter, unbeweglicher Fakt.
Das Leben ist die Reise, aber das Ziel ändert sich manchmal, während wir reisen. Was wir nie aus dem Blickwinkel verlieren sollten, ist der persönliche Weg der Wahl. Auf ihm zu bleiben ist nicht immer leicht, denn die Verführungen in allen möglichen schicken und sexy Kostümierungen lauern überall.
Niemand hat es besser gesagt als John Lennon, der ja vieles besser gesagt hat als irgendjemand sonst auf der Welt: »Life is what happens to you while you’re busy making other plans.«
Das Leben ist mein Plan, nicht die Pläne. Das süße, bittere, mysteriöse, schmerzliche, schwierige, unberechenbare, schöne Leben.
»Mit ohne Mann«, sagte meine kleine Cousine in ihrer herrlichen Kindergrammatik. Ein perfekter Ausdruck für das Gefühl zwischen Wunsch und Realität, das unser aller Ambivalenz spiegelt.
Mit oder ohne - es ist, wie es ist.
Es geht um Wünsche und Begierden und die fixe Idee davon, was man zu brauchen hat, obwohl dem keinesfalls unbedingt so ist.
Ich habe zu dem Thema die sehr überzeugende Philosophie eines indischen Swamis entdeckt und gleich so begeistert adoptiert wie eine Mutter ihr schwer erkämpftes Kind aus der Dritten Welt: »Wenn es nicht in deinem Leben ist, dann brauchst du es auch nicht.«
Liebe aber braucht man immer, deshalb ist die Toleranzschwelle für schädliche Konflikte für mich sehr nach unten gerutscht. Herz gibt es nur, wenn der Schmerz draußen gehalten werden kann!
Denn das ist oder sollte das Schöne im Alter sein: Schmerzfreie Liebe, die frei, tolerant und authentisch ist und sich nicht wie eine Schnur um den Hals wickelt.
Wenn ich mich einst als Cowgirl mit Lasso gesehen habe, das Männer und Menschen einfängt und fesselt, um sie genauer betrachten und beherrschen zu können, dann ist mir längst klar geworden, dass das nicht gehen wird.
Wir haben inzwischen alle in irgendeiner Beziehung genug geredet, geschwiegen, Kompromisse geschlossen, geweint, gebettelt, gewartet, gehofft und gemerkt, dass das alles nichts genützt hat.
Keiner lebt dein Leben für dich und holt dir die Kohlen aus dem Feuer oder die Sterne vom Himmel. Nicht deine Kinder, nicht dein Mann, nicht deine Eltern oder der Boss. Das Bekenntnis zur alleinigen Verantwortung für das eigene Leben ist der ultimative Akt des Erwachsenseins.
Dabei hilft der kleine Abschied vom Mann als Idol, als Autorität, als Vaterfigur und mächtiger Mythos. Das erfrischt und befreit. Und man reduziert die Männer - das kann man auch sehr warmherzig machen - ganz einfach auf das, was sie sind: Menschen, die nicht großartiger - aber auch nicht schlechter - sind als wir und die nicht alles für uns Frauen zu sein brauchen.
Je weniger wir jemanden brauchen, um uns interessant, wichtig, liebenswert und komplett zu fühlen, desto freier und freundschaftlicher benehmen wir uns. Und das ist natürlich auch sehr attraktiv für Männer jeden Alters.
Manchmal glaube ich, Männer doch gut zu kennen. Sie sind dünnhäutiger, sensibler, unsicherer, liebesbedürftiger, konfliktgeschüttelter, als wir glauben - eigentlich ganz liebe Jungs. Dann wird all das wieder infrage gestellt.
Ja, wie sind sie nun, die Männer?
»Es gibt solche und solche«, sagte schon meine Oma, die bereits 1910, als sie eine junge Frau war, mit dem Rätsel Mann konfrontiert wurde. Nur damals sprach man das nicht an, machte sich keine Gedanken darüber, weil eine Frau sowieso immer unrecht hatte.
Mag sein, dass ich Männer besser verstehe als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Aber das reicht sicherlich niemals, um das Mysterium Mann wirklich zu lösen. Was ich ja auch nicht muss. Wozu auch?
Wichtiger ist, dass diese langjährigen Erfahrungen mit Männern mir letztendlich Abstand, Humor und etwas Verständnis beschert haben. Ich sehe Männer mit neuen Augen. Nicht unbedingt mit weniger kritischen, nein, ihre, unser aller Schwächen sind unübersehbar da, aber sie erscheinen mir trotzdem menschlicher, freundlicher, amüsanter - und vor allem völlig unbedrohlich.
Ich akzeptiere sie, finde sie völlig in Ordnung und verstehe vor allem endlich auch, dass es Männern nicht viel anders ergeht als uns Frauen. Sie sind einfach auch meine Generationskumpane und Lebensgenossen, denen die wechselnden Zeichen der Zeit selber oft mehr zu schaffen gemacht haben als mir selbst und den anderen Frauen.
Heute, als emotional ziemlich gefestigte Person, ist es mir sowieso ein bisschen egal geworden, wer wen versteht oder nicht. Meine Aufmerksamkeit hat sich vielmehr mir selbst zugewandt, hoffentlich ohne dass ich zu einer unausstehlichen Narzisstin geworden bin. Ich ringe um ein Verständnis für mich selbst.
Irgendwann wird sowieso die Reise durchs Leben mehr eine Reise durch das Selbst, die in jedem Fall die Suche nach dem Mann ersetzen sollte. Die Stationen sind so viel interessanter als ein großer Teil dessen, was gerade in der Außenwelt passiert. Reflexion wird zum größten Hobby.
Denn das andere Geschlecht, auch in der Form eines festen Lebenspartners, kann nur Spiegelung oder manchmal Ergänzung sein. Und kann natürlich Nähe und Intimität bedeuten. Sex ist wunderbar, aber es geht eigentlich darum, seine Leidenschaft und sein Begehren in etwas umzusetzen, das wärmt und leuchtet, nicht verzehrt und dann erlischt.
Das muss genügen.
Es wird immer Menschen geben, für die die Suche spannender ist als das Finden (oder der Gefundene). Vielleicht kommen die Jahre, in denen sich viele von uns ganz aus den Bemühungen um Partner, Zeitvertreiber und Träume heraushalten und einfach Single sind und bleiben. Und vielleicht sogar jeden Tag denken: »Vielen Dank für mein leeres Bett.«
Vielleicht auch nicht. Nur Bitterkeit sollte in diesem Leben keinen Platz haben.
Vielleicht bleibe ich Junggesellin - ein hübsches altmodisches Wort, das einzige nicht frauenfeindliche in dem ganzen Vokabular rund um die Singles.
Jung kommt darin vor und Gesellin, was wiederum »gesellig« in sich hat. Gesellen sind außerdem Menschen, die in der Ausbildung stehen, auch das ist ein guter Vergleich.
Die Junggesellin ist eine gesellige, jung gebliebene Frau, die neugierig geblieben ist und immer noch in der Lebensausbildung steckt.
»Was willst du denn?«, sagt Sarah. »Du hast innerhalb von zehn Monaten mehr Dates gehabt als wir alle, bist geküsst und bewundert worden, bist gereist, hast geflirtet und Sex gehabt. Gibt Schlimmeres.«
 
Und Philipp hat auch wieder angerufen. Allerdings rauchte er am Telefon …
Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
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