Männer am Rande des
Nervenzusammenbruchs

Kaum habe ich mich ins Getümmel geworfen,
kriege ich ziemlich viele Anfragen und Anmachen, was mich
überrascht, und zwar von Männern zwischen sechsundzwanzig und
fünfundsechzig. Ja! Das junge Volk ist eher leger: »Klasse Frau!
Würd’ Sie gern mal treffen!«, aber meine Generation legt richtig
los.
Die Mails sind teilweise sehr charmant, freundlich
und triefen vor Komplimenten.
»Stilvolle Lady, du siehst so aristokratisch aus,
ich würde mich freuen, wenn du mir die Chance geben würdest, dich
näher kennenzulernen«, meint wirbeide67, seines Zeichens
Ingenieur aus Ingolstadt.
Ich wusste gar nicht, dass der deutsche Mann zu so
was fähig ist, denn im täglichen Leben hört man das natürlich nicht
alle Tage, und vermisst es eigentlich auch nicht. Ich habe mich
natürlich für das Foto nett zurechtgemacht und bin wohl fotogen,
aber so eine Reaktion ist doch erstaunlich, finde ich.
Ein fiete, »junge 62 und
tageslichttauglich«, prescht sehr beherzt vor und deklamiert: »Dich
oder keine! Ein Traum würde in Erfüllung gehen. Mit Dir möchte ich
eine schöne Zukunft für den Rest des Lebens verbringen. Entscheide
Dich für mich und Du hast für dein Leben ausgesorgt.«
Das ist natürlich beruhigend zu wissen.
Ein netter Vierundsechzigjähriger, freundliches
Gesicht, rundliche Figur, fotografiert sich mit Blumenvase und Rose
- extra für mich! Zum Valentinstag.
»Eine solche Frau wie du ist sicherlich nicht
allein an so einem Tag, trotzdem möchte ich dir sagen, dass ich an
dich denke.«
Sarah, der ich das schicke, lästert natürlich: »Der
Typ erinnert mich an die Szene aus Manche mögen’s heiß, ich
glaube, es war Jack Lemmon mit der Rose quer im Maul. Ich hasse es,
wenn Männer neckisch sind, das geht immer daneben.«
Aber wie sollen sie sein? Sie tun sich schwer, die
Männer, die mit dem Ansturm der letzten dreißig Jahre von
weiblichem Begehren nach Freiheit, Geld und Selbstausdruck ganz
schlecht klarkommen. Da sie nie gelernt haben - hallo Mütter, hier
liegt eure Aufgabe! -, ihre Emotionalität als etwas
Wertvolles zu empfinden, werden sie noch stummer und ratloser, als
sie früher schon waren, es aber noch verbergen konnten.
Selbstbewusste Frauen flößen ihnen Furcht ein, und sie sehen, dass
ihre einst übermächtige Machtposition in der Welt schmilzt wie das
Eis am Nordpol, dass ihnen das Wasser abgegraben wird, was
Wichtigkeit und Dominanz angeht. Sie haben Angst, nackte Angst. Nur
darf das keine merken.
Wie nun sollen sich diese verwirrten Männer online
als suchende Liebhaber, tolle Freunde, zukünftige Ehemänner und
Romantiker ins rechte Licht setzen? Das ist eine sehr feine
Gratwanderung zwischen dem ausgelaufenen und belachten Modells des
Softies und dem modernen, aufgeklärten Mann mit Herz und
natürlicher Männlichkeit.
Wie sehr sie suchen und lieben möchten und nicht
falsch wirken wollen, wie sehr sie verstanden, gemocht und
akzeptiert werden wollen, merkt man an den langen, sehr wortreichen
Erklärungen und Versuchen, sich menschlich, nicht männlich
darzustellen. Männer und wortkarg? Das sind Überbleibsel der
sorgenfreien Herren- und Meistertage, als Knurren und Kopfschütteln
ausreichendes Vokabular war, ohne dass sich allzu großer Protest
regte. Das kann sich heute kein Mann mehr erlauben. Und so nähern
sie sich an die Frauen an und öffnen sich, bitten um Verständnis
und Milde für ihre ungelenken Selbstdarstellungsversuche.
Denn wie’s scheint, sind sie noch nicht so ganz
sicher, gelenkig und gewieft auf dem glitschigen und mit Fußangeln
gespickten Weg zu den Frauenherzen (und Mösen). Also suchen sie
nach der Balance und leihen sich Begriffe aus dem rosa Vokabular
der Frauen. Wie mit einem großen Zaubergummi wegradiert sind so
scheußlich männliche Eigenarten wie Egomanie, krawalliges Machotum,
Achtlosigkeit, fehlende Sensibilität, Großkotzigkeit und so
weiter.
Was bleibt, ist der weichgespülte Mann mit den
unauffälligen Eigenschaften, passend zur modernen Frau im
aufdringlichen Dominakostüm. Und das zeigt sich beim Online-Dating
häufig daran, dass Männer gern das gefürchtete, viel zu oft
gebrauchte K-Wort, nämlich »kuscheln«, einfügen: »Ich kuschel
gern«; »brauche auch Kuschelmomente«; »bin ein Kuschelbär«. Oft
werden das wichtige Schlüsselwort »romantisch«, qualitativ
hochwertige Aktivitäten wie »Kerzenlichtdinner« und menschelnde
Qualitäten wie »sensibel«, »guter Zuhörer« beigefügt.
Jeder Mann glaubt zu wissen, dass die meisten
Frauen auf Sex ohne Gewissen und Pornos ohne Peinlichkeit empört
reagieren - ob das nun stimmt oder nicht.
Seit eine riesige lukrative Industrie sich der
Frauen und ihrer angeblichen geheimen Wünsche und ihrer speziellen
warmherzigen Disposition angenommen hat, weiß selbst
der größte Depp so ganz vage, dass Frauen Duftkerzen, Badeschaum
und dekorativen Schnickschnack ebenso lieben wie flauschige
Kätzchen, unbequeme Riemchenstilettos und einen ganzen Becher
Häagen-Dasz-Eiscreme beim Anschauen einer romantischen Komödie vor
dem Fernseher.
Natürlich wollen die Männer sie nicht verärgern,
die neuen Amazonen und Gebieterinnen, die ungeduldig und
scharfkantig geworden sind. Aber ihnen zu gefallen ist
komplizierter geworden als Hirnchirurgie, denn ist man als Mann zu
freundlich, ist man weibisch; zu höflich, ein Weichei; zu unsicher,
Muttis Bester; zu männlich, ein Macho; zu stilsicher, heimlich
schwul; zu charmant, ein Schürzenjäger; zu kritisch,
frauenfeindlich. Die Liste ließe sich endlos verlängern.
Ja, die Welt des Mannes, so wie sie einmal war, ist
am Bröckeln, er weiß nicht mehr so richtig ein noch aus - aber
Ratlosigkeit wirkt nicht sexy. Könnte man nicht den Mann etwas
vermenschlichen, ohne dass er Erotik und Sexiness verliert? Geht
das überhaupt?
Denn auch wenn sie noch so gern kuscheln, in einer
der unzähligen Studien ist wieder einmal herausgefunden worden,
dass der verständnisvolle, sensible, einfühlsame Softie nicht das
ist, wovon Frauen träumen, und deshalb, um Bushido zu zitieren (ich
möchte nicht wirklich mit oder für ihn sprechen), »kein’n Respekt«
von Frauen bekommt.