Der Preis der Freiheit
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»Du bist zu anspruchsvoll«, den Satz habe ich oft in meinem Leben gehört. Gemeint ist: »Greife schnell nach dem, was zu kriegen ist.«
Ja, natürlich bin ich anspruchsvoll. Ich habe Ansprüche an mich und andere und möchte sie nicht aufgeben. Ich möchte ein Leben, das mir guttut, das zu mir passt und mich kreativ sein und träumen lässt. Nach wie vor.
Ganze Generationen von Frauen haben sich die Köpfe darüber zerbrochen, was der Mann will, damit sie ihm die Wunschfrau sein dürfen. Was Männer wollen, schien unverändert klar zu sein - und ist es heute noch: Viel für sich, vornehmlich von Frauen.
Was Frauen wollen, hat sich doch auf vielen Ebenen verändert. Besonders wenn es um Männer geht. Was ist ihr Wert, ihre Position in unserem Leben? Diese sehr wichtigen und teilweise existenziellen Fragen kamen und kommen immer wieder hoch. Auch bei mir, dem inzwischen eingefleischten Single, obwohl ich sie manchmal einfach verdränge.
Mein Verhältnis zu Männern war nie so richtig leidenschaftlich von Sehnsucht nach konventionellem Glück mit ihnen geprägt. Ein Mann konnte mir nicht zu dem verhelfen, was ich am meisten wollte: Identität und Autonomie.
Extrem eigenwillig und nach Freiheit dürstend, ahnte ich schon als Teenager, dass Männer und Frauen keineswegs die perfekte Paarung waren. Sie hatten zu verschiedene Interessen und behinderten sich oft gegenseitig. Ich wollte selbst wichtig sein und tolle Sachen machen, meine eigenen Spuren hinterlassen, egal wo und wie, und nicht auf irgendwelchen ausgelatschten Pfaden dankbar hinter den Herren der Welt hertrippeln. Und wenn ich genau überlege, dann wollte ich zwar immer nur die allerbesten Männer haben, aber die Sehnsucht nach dem besten Selbst war letztendlich stets größer.
 
Ich gehe nach Hause, leicht deprimiert. Aus meinen Tiefen steigt eine neue Art der Panik, die ich vor zehn Jahren noch nicht kannte. Wie ein warnender Song dudeln Rilkes Gedichtfetzen in meinem Kopf: »Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Der wird in den Alleen wandern …«
Ich will nicht im Herbst zwischen bunten Blättern allein und verloren herumwandern wie eine Heimatlose, weder in Alleen noch sonst wo! Ich will warm und gemütlich mit Leuten zusammensitzen, gern auch Arm in Arm mit einem Mann meiner Wahl. Die Angst vor Verlust ist sicher eine der zentralsten Ängste von Frauen. Und je älter wir sind, desto schärfer tritt sie hervor. Was passiert mit mir, jetzt, wo ich den üblichen Weg der Anpassung verlassen habe? Wer ist noch da, der auf mich wartet, der mich lieben und vervollkommnen kann?
Es erscheint verrückt und ein klein wenig pervers, aber mit dem Anstieg der Ansprüche bei den Frauen erfahren die Beziehungen zu Männern oft einen Abstieg. Man sollte glauben, dass Glück und Zufriedenheit als Resultat der freiheitlichen Wahl des Berufs und des Partners bei Männern die gleiche Freude auslösen wie bei Frauen. Tun sie aber nicht.
Männer fühlen sich schnell entmachtet und bedroht, wenn Frauen sich von ihnen unabhängig machen. Und das tun sie ja nun schon seit Jahrzehnten mit mehr oder weniger großem Erfolg. Glücklicherweise hat in den letzten Jahren das Bedürfnis, einen Mann zwecks Heirat mit krampfhaften Selbstverleugnungsakten zu verzaubern, etwas nachgelassen. Frauen haben Jobs und eigene Ideen über ihre Lebensform. Männer und Frauen müssen es so akzeptieren - am besten ohne Bitternis und ein Gefühl des persönlichen Versagens: Die Idee des harmonischen, lang andauernden Zusammenlebens zwischen den Geschlechtern hat sich für die meisten als utopisch erwiesen.
 
»Willst du denn, wenn du alt bist, allein sein?«, fragt eine Bekannte, die selbst ihren Mann fester und verzweifelter an sich gedrückt hält als ein verängstigtes Kind seinen Teddy, halb mitleidig, halb indigniert.
Ich habe immer Frauen gleichzeitig beneidet und bedauert, die ihre Jugendliebe geheiratet haben und lange harmonische Ehen führten, fest eingebettet in ein Universum der Ruhe und Sicherheit, das wahrscheinlich erst mit dem Tod erlischt.
Es ist wohl ein gewisser Verlust, nicht mit jemanden als Paar »aufgewachsen« zu sein. Das ist das einzig Schöne an einer langen Ehe. Man lernt sich als junger Mensch kennen und hat so eine Art Geheimleben entwickelt, das nur dem Paar gehört und in das nie ohne Erlaubnis von außen eingedrungen werden kann. Also eine beschützende Burg, gebaut aus langjährigem Vertrauen und Sichkennen.
Die andere Seite ist natürlich der Verlust der Individualität und zu starke Angleichung oder Gleichschaltung. Wir alle kennen Paare, die wie Zwillinge und Echos wirken, angefangene Sätze gegenseitig ergänzen und Meinungsverschiedenheiten als Bedrohung der Sicherheit und des Friedens ihrer Burg empfinden. Sie finden’s schön, andere schrecklich.
Doch glücklicher Single zu sein schützt nicht davor, manchmal große Zweifel zu haben, finde ich. Jenseits der Sechzig, nach einigen Lieben und schiefgegangenen Beziehungen, kommt manchmal das Gefühl auf, das in jüngeren Jahren einfach nonchalant weggeschnippt wurde wie ein lästiger Fussel: Bedauern über all die Körbe, oder zumindest den einen großen, wichtigen, die man an ernsthafte Verehrer ausgeteilt hat - und jetzt nicht mehr so richtig weiß, warum.
Mir geht es so. Nun ja, die Männer waren vielleicht eher bodenständig, treu und verlässlich gewesen - in meinen Augen nicht wirklich sexy, als ich fünfundzwanzig oder achtunddreißig war -, aber die Karriere, die Idee von der eigenen Power und das, was man gern »Selbstfindung« nannte, waren mir wichtiger als Küche, Kinder und Opferbereitschaft.
Ich selbst hatte drei sehr kompatible Lebenspartner, die die richtigen hätten sein können, das sehe ich heute. Wer die Falsche war mit ihren Ansprüchen und der ständigen Kritik, das war ich.
Den einen hatte ich schon getroffen, als ich zwanzig war. Aber die Idee, mit dem erstbesten Mann eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen, erschien mir damals, als würde ich eine Tür zum Paradies zuschlagen und mir Handschellen anlegen. Ich war viel zu neugierig auf die Männer der Welt, die ohne Zweifel auf mich warten würden und die ich mir aussuchen konnte.
Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
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