Beige, beige, beige sind alle meine
Kleider

Was Frauen täglich alles durch den Kopf
geht, ist bei den vielen rasenden Gedanken ziemlich schwer zu
erforschen. (Bei Männern ist es laut verschiedener Studien ziemlich
einfach: Sie denken meistens an Sex.) Aber ein ganz wichtiger
Gedanke ist unter Garantie täglich dabei: Was ziehe ich an? Denn
unser Aussehen und wie wir uns kleiden ist unverwechselbarer
Ausdruck unserer Persönlichkeit. Auch bei mir kamen Stilfragen
stets auf, wenn sich ein Date näherte. Eigentlich hat das nicht
unbedingt etwas mit den Männern zu tun, denn ab einem bestimmten
Alter wird die Art der Kleidung zur Philosophie.
Wie will man wirken? Natürlich, zurückhaltend,
cool, elegant, chic, lässig, sexy, flippig, damenhaft? Angeblich
soll sich die Frau ab fünfzig am besten in freundliches Beige,
feines Dunkelblau, in Kaschmir und Kamelhaar gewanden. Das ergibt
einen Look von Perlenkette und Jeans mit Bügelfalte, der einen so
unauffällig in den Hintergrund einfügt, dass man damit verschmilzt.
Womit wir wieder beim Thema »unsichtbar« wären … So haben die
Jüngeren das Alter gern: hinten und nicht im Vordergrund.
Tragischerweise wird die Frau über sechzig in der
Mode noch nicht so recht wahrgenommen. Und eigentlich gibt es nur
drei Richtungen: Oma, Dame oder Nutte - und alle drei bringen es
nicht.
Ich selbst bin keine Jeansperson, sondern mag es
lieber individuell mit einem Tick Extravaganz. Aber da muss man
aufpassen, denn glaubt man ernsthaften Studien, mögen Männer am
liebsten die Kombination T-Shirt-Jeans-Blazer, wenn man zu alt ist,
sich in busenbetont, bauchfrei und kurz zu quetschen. (Denn das
mögen sie natürlich noch lieber, allerdings eher zum
Angucken bei fremden Frauen.)
Mit anderen Worten, wenn ich Walter, einen
sechzigjährigen Akademiker im Vorruhestand treffe, dann will er
eine »gepflegte« (wie ich den Begriff hasse!), sprich »normale«
Frau sehen, und ich kann nicht einfach im durchgeknallten
Vivienne-Westwood-Outfit aufkreuzen (das ich zum Glück nicht
besitze) oder zu schick in Schwarz wie Catherine Deneuve
(sechsundsechzig).
In unserem Alter ist natürlich gut auszusehen und
sich passend anzuziehen ein riesiges Thema, eben weil wir jünger
als unser Alter aussehen. Eigentlich ist die Frage nach dem Alter
nie höflich, wichtig, richtig oder relevant, egal wer sie stellt,
und sollte nicht unbedingt beantwortet werden. Aber wir sind es
gewohnt, jeden schnell zu kategorisieren, wenn wir sein Alter
wissen, sodass wir dann glauben, nichts weiter über ihn
herausbekommen zu müssen.
»Na ja, so alt bist du ja nun auch nicht«, klingt
es mir im Ohr.
Das ist sehr diplomatisch ausgedrückt, ich bin alt.
Nur eben nicht auf die Art, wie es früher üblich war. Ich bin
modern und jugendlich alt. Ich bin
»dafür-sehen-Sie-abernoch-gut-aus«-alt. Das ist zwar ein Satz, der
um die Welt geht, aber eben auch der Satz, den man jedem, der ihn
ausspricht, um die Ohren hauen darf. Dafür sieht man also
gut aus. Danke. Wie war das noch: Wofür?
Die meisten von uns sehen tatsächlich ziemlich fit
aus. Da ist nur die vertrackte mollige Mitte. Eigentlich bin ich
Fast-Vegetarierin, schwinge auch ab und zu lustlos die Beine in
Fitnessclubs, mache Yoga, stemme Gewichte, schwimme im dunklen
Einteiler tapfer neben achtzehnjährigen Amazonen durch grünes
Chlorwasser und gehe schnellen Schrittes an der viel zu großen
Pralinenabteilung im Kaufhaus vorbei.
Und was zeigen all diese unfrohen Realitäten?
Spätestens ab fünfzig wird jedes unliebige Thema
neu aufgerollt, alles unter dem Aspekt der äußerlichen
Veränderungen im Alter, die so unaufhaltsam sind wie ein
Gitarrenriff von Led Zeppelin. Die inneren Veränderungen brauchen
länger, um adressiert und akzeptiert zu werden.
Alter, glaubt man den Kosmetikanzeigen, ist ein nur
schwer zu kaschierender Makel, der sich tief in Haut und Seele
gefressen hat und den man bekämpfen muss wie Siegfried den
Lindwurm. Wer sich von dem Wahnsinn abwendet, spart viel Geld und
blödsinnige Anstrengungen.
Immer wenn ich halb nackte junge Mädchen sehe, bin
ich froh, dass wir älteren Frauen uns nicht mehr mit dem Hintern
ausdrücken müssen.
Ich habe mir jetzt ein sehr schönes Foto von Meryl
Streep und Charlotte Rampling an die Wand gepinnt. Als Erinnerung
daran, was alles ab sechzig geht. Und als Inspiration dafür, dass
Schönheit und Eleganz etwas mit Vitalität und dem Wissen in den
Augen tun haben und der Einstellung zur eigenen
Selbstsicherheit.
Beide Frauen sind keine Modesklavinnen. Meryls
Geschmack ist manchmal etwas hausbacken, rüschig und ungünstig, wie
die Oscar-Verleihungen zeigen, aber alles in allem ist sie schlicht
angezogen. Ihr wunderbares Gesicht, voll mit Humor und Wärme, ihre
weiblichen Formen und völliges
Fehlen von Eitelkeit lassen einen sowieso falsche Rüschen
vergessen. Charlotte hat mehr Stil. Sie ist die etwas strenge
Minimalistin mit einem Jungskörper, da geht so was. Bei ihr ist es
die klassische Uniform - schwarze Anzüge, weißes Hemd, flache
Schuhe. Schluss.