Die Kripo will was
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Wieder zurück am heimischen Schreibtisch und meinen diversen Dating-Portalen, noch erfüllt von all den charmanten Zuwendungen, stelle ich fest, dass es doch einige Interessenten gibt, die man in die engere Wahl ziehen könnte.
Sehr vielversprechend ist ein gut aussehender Fünfzigjähriger - kraftstrotzend, grandiose durchtrainierte Muskeln, die das weiße T-Shirt sprengen, grau meliertes, kurzes, drahtiges Haar. Er mailte: »Wow, was für ein Ausdruck in deinem Gesicht - und erst die Pose. Du hast eine tolle Ausstrahlung, und wenn ich auf dieses Foto schaue, dann knistert es ziemlich stark!«
Na, klappt doch.
Ich mailte sofort zurück. Er hieß Norbert und war bei der Kripo. Genau was ich brauchte, aber immer vermied: ein sexy Macho-Mann.
Sofort setzte die Fantasie ein, denn die Hüter des Gesetzes in all ihren Inkarnationen sind einfach bestes Material für alle möglichen spannenden Bilder, mit denen die meisten von uns aufgewachsen sind. Ich sah Norbert als knallharten Detektiv, wie in einer amerikanischen Serie, ein bisschen Cowboy, ein bisschen New York Cop, ein bisschen Prolet in blau, der mich »Baby« nennt und mich auf seinen Schoß zieht, wenn ich ihm etwas Wichtiges erklären will. Seine Welt sind die Straße und toughe Männergespräche im Revier, dort sitzt er, den Colt unter den Arm geschnallt, umgeben von Zigarettenrauch und Protokollen. Sirenen auf dem Hinterhof, quietschende Bremsen, Türenschlagen, gefesselte Verdächtige, die hereingeschleppt und gnadenlos von meinem Norbert gegrillt werden - so ist sein Leben.
Danach geht er in der klassischen alten Kneipe auf dem Kiez mit den Jungs ein Bier trinken, spielt vielleicht eine Runde Pool und bespricht die unglaublichen Abenteuer des Tages und die neuesten Fußballergebnisse. Nebenher beäugt er die Kellnerin Dolly mit dem großen Busen, mit der er einmal etwas hatte und die ihn seitdem mit verzehrenden Blicken und wiederholten Aufforderungen, sie doch anzurufen, verfolgt. Aber er ist müde und geht nach Hause in seine saubere leere Wohnung. Der ewige Junggeselle.
Es fehlt offensichtlich die liebende und ordnende Hand einer Frau, denn er hat noch keine gefunden, die es lange mitmacht, wenn er selbst beim Sex das Handy beantwortet, aus dem Bett springt und knapp sagt: »Ich muss los, Banküberfall in Barmbek.«
So einen will ich.
Den Mann für gewisse männliche Dinge. Wo es keine langwierigen Unterhaltungen über Arbeitsteilung, runtergeklappte Klodeckel, mangelnde Aufmerksamkeit, schwimmende Duftkerzen und die Selbstfindung der Frau gibt.
»Wieso müssen sich Frauen suchen? Sie sind doch da!«, würde er sagen, mit dem Kopf schütteln, mich fest und schnell an sich ziehen und mir den Mund mit einem langen Kuss verschließen. Mein Working Class Hero, der Held der Arbeiterklasse, im Unterhemd, mit der Bierdose in der Hand, der mir einen kräftigen Klaps auf den Po gibt, wenn ich an ihm vorbeigehe.
Ganz so ist es dann nicht mit Norbert. Er jagt selten Gangster mit Blaulicht, er ist Fahnder. Nach was fahndet er denn privat? Oh là là - ich ahne es. Das erklärt seine drängelnde Neugier, denn er ist sehr interessiert an einem Treffen.
»Ich würde dich sehr gern auf einen Vino besuchen«, gesteht er. Bei ihm zu Hause ginge es auch, bietet er an.
Ich habe nicht die Regeln vergessen, die man einhalten sollte, damit man nicht zerhackt und in handliche Pakete verschnürt auf der Müllhalde landet. Man sollte Männer, die man nicht kennt, nie nach Sonnenuntergang und bei sich zu Hause treffen - zumindest gilt das für Dracula. Nun sind wir nicht in den Karpaten, aber trotzdem … Also schlage ich einen öffentlichen Ort vor und gebe ihm meine Handynummer. Zehn Minuten später ruft er an. Er findet, ich sei eine »schöne und interessante Lady, sehr geheimnisvoll«. Seine Stimme ist sehr sexy und männlich, ja, es knistert wirklich. Er hat jetzt Zeit und kann, aber ich nicht, morgen ginge es bei mir, aber nicht bei ihm, aber wir sind sicher, dass wir das baldmöglichst hinkriegen. Wir wollen es.
»Kripobeamte haben Schnauzbärte und sind sehr eitel«, sagt Sarah, als ich ihr ganz aufgeregt von Norbert erzähle. Er hat aber keinen.
Norbert ruft am nächsten Nachmittag an, er sitzt im Auto und würde schrecklich gern auf den Vino vorbeikommen, denn er hat zwei Stunden Pause. Scheinbar sind manche Herren beim Daten sehr ungeduldig und schießen geradewegs auf ihr Ziel zu, ohne jede spielerische Ouvertüre. Eigentlich habe ich Lust dazu, was soll passieren, ich kann selbst auf mich aufpassen.
Ruckzuck-Sex mit Fremden am Nachmittag ist theoretisch eine feine Sache, und dass Norbert sich in einer Art sexuellem Notstand befindet und nicht experimentelle Theaterstücke diskutieren möchte, scheint klar. Natürlich hatte ich schon einige (wenige!) One-Night-Stands und Miniaffären mit mir ziemlich unbekannten Männern. Aber ich denke, vielleicht lasse ich das besser »ab einem gewissen Alter« - kein Satz, den ich normalerweise befürworte.
Also, ich tue beschäftigt, schlage für den nächsten Tag ein Café vor, Norbert ist sehr enttäuscht.
Ich schreibe als Erklärung eine humorige Mail, in der Hoffnung, dass er sie versteht.
»Warum so eilig? Und warum soll ich einen mir komplett unbekannten Mann nach Hause einladen? Ich kann mir nur vorstellen, dass ihr erstens bei der Kripo gerade Tests macht, wie einfach es ist, sich bei naiven Frauen, die man online kennenlernt, nach Hause einzuschleichen. (Gab im TV gerade eine interessante Doku darüber!) Zweitens hast du Angst vor öffentlichen Räumen, weil du als Kind einmal dort über Nacht eingeschlossen wurdest. Drittens bist du in Wirklichkeit Innenarchitekt und möchtest meine Stahlmöbel aus den Dreißigerjahren heimlich kopieren. Anders kann ich mir deinen wiederholten Vorschlag, mich zu besuchen, kaum erklären.«
Aber das kommt gar nicht lustig rüber.
»Ich will das Leben locker genießen, das ist mir alles viel zu stressig«, mault er per Mail. Seine flammende Begierde für »die stilvolle Lady« zerbirst in ein Nichts.
Die Kripo springt ab.
Ich vergesse immer, wie limitiert sexuelles Interesse sein kann. Vielleicht hätte ich das Ganze in eine supersexy aufgebretzelte Form pressen und so etwas gurren müssen wie: »Oh oh, warum willst du mich denn besuchen, Big Boy?« Aber in meinem Alter fällt es mir schwer, den mentalen Babystrampler anzuziehen.
Aber die Handschellen! Ich hatte mich so auf die Handschellen gefreut!
»Ist doch in jedem Fall lustig, die Geschichte. Sei froh, dass noch einer hinter dir her ist«, lacht Toni.
Karen führt an, dass er sicherlich verheiratet sei. Da mag sie recht haben. Es gibt natürlich viele verheiratete Männer, die etwas für nebenher suchen, und ich habe schon einige Mails von denen gekriegt.
Da gibt es die sexlose Heirat mit einer bedauernswerten, aber nichtsdestoweniger wertvollen feinen Frau, die immerjung nicht verlassen mag, aber die er auch nicht voll akzeptiert, da ist tommysex, der getrennt lebt (stimmt selten) und schon mal seine Fühler und andere Organe ausstreckt. Beliebt ist auch der pflichterfüllte Mann, der eine kranke Frau zu pflegen hat und deshalb noch nicht mit dem Eheversprechen locken kann.
Sarah wittert ernstere Probleme.
»Vielleicht bist du einem Meuchelmörder entgangen«, witzelt sie.
Sie schickt mir neuerdings immer gemeine Links mit den neuesten Dating-Greueltaten, wo Frauen per Internet angelockt, vergewaltigt und abgemurkst werden. Das Ganze abgerundet mit ihren süffisanten Bemerkungen. »Deinem Cop sollte man selbst die Polizei auf den Hals hetzen!«, fordert sie.
»Aber er hatte eine tolle Stimme und sah sexy aus«, werfe ich ein.
»Auch Mörder können sehr nett sein. Denke an Ted Bundy, den amerikanischen Frauen-Massenmörder!«, wirft sie ein.
So kann man es auch sehen.
Diese Date-Verbrechen geben mir allerdings schon zu denken. Da sind Zwanzigjährige, die blöder zu sein scheinen, als Paris Hilton aussieht, und sich wundern, dass lotterlude 12 auf dem Sofa aufdringlich wird, wenn sie mit ihm nach Hause gehen, und er dem armen rosenresli28 an die Klamotten will, das mit großen dummen Augen das Geschehen verfolgt. Wo ist da die Überraschung, oder sind junge Frauen derartig einfältig? Nimmt man Hunde mit zum Schlachter? Oder Elefanten mit in den Porzellanladen?
Und das, liebe jüngere Menschen und Leser, ist ein weiterer großer Vorteil der Reife und eines gewissen Alters: Man durchschaut die eindeutigsten Anmachen ganz schnell und wird ganz sicherlich nicht bei sadisto666, der sich bei einem als »für dunkle Spiele interessierend« vorstellt, spätabends zu Hause vorbeischauen, für ein besinnliches Spiel mit niedlichen Ledermasken.
All das tun wir Frauen über sechzig natürlich nicht. Dazu besteht kein Grund. Denn Beute ist man nicht mehr, auch keine niedliche Sexmaus. Die Zeiten sind vorbei, sollten sie je da gewesen sein, und das ist gut so. Man ist sinnlich-erotisch, in dieser köchelnden Form, die Hitze verströmt, aber nicht verbrennt.
Das ist nichts für derangierte Lustmolche.
Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
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