Hoffentlich bald wieder da - Sex auf Urlaub
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Nachdem ich Gerd abgeschmettert habe, denke ich über etwas genauso Wichtiges wie den Verlust der Jugend nach. Nämlich darüber, wieso ich sexuell so zurückhaltend geworden bin, was sicherlich auch mit diesem Verlust zu tun hat.
Ach was, sagen wir die Wahrheit, ich habe zwar mildes Interesse, aber nicht viel Lust. Der Spruch »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« bekommt hier eine ganz eigenwillige neue Note.
Ich scheine auf einige Männer noch sexy zu wirken, habe nichts zu verlieren, bin erfahren und selbstbewusst genug, um Sex selbst so mitzugestalten, dass ich auf meine Kosten komme, selbst wenn der Mann nicht der heißeste Lover unter der Sonne ist. Also, warum der Verlust der Lust?
Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob es mich sehr stört, denn eigentlich war Gerd nicht mein Typ. Dann wiederum kenne ich genug Frauen, die sich einfach jemanden sexy gedacht (oder getrunken) haben, weil sie einfach große Lust auf Sex hatten und weil ein Mann da war, willig und der Sache gewachsen (wortwörtlich).
»Du bist zu wählerisch«, höre ich meine Freundin Sarah sagen.
Ja, das bin ich wohl, und eigentlich finde ich das ziemlich angebracht für eine Zweiundsechzigjährige.
Weggelassen hat sie den Satz: »Sei froh, dass noch jemand an dir interessiert ist!«, und: »Kannst du dir das erlauben?«
Ich weiß es nicht. Was bedeutet das auch?
Doch nur die Akzeptanz einer Eingrenzung der Wahlmöglichkeit, also das Prinzip Dankbarkeit, zu dem Frauen leider neigen. Wo bleibt da der eigene Wert?
Mir fällt manchmal dieser wirklich platte Satz der L’Oréal-Werbung ein, den die Reichen, Gefärbten und Berühmten dieser Welt mit einem neckisch-emanzipatorischen Lachen von sich geben: »Weil ich es mir wert bin!«
Ich bin dankbar für vieles: meine Gesundheit, die Existenz von New York, die noch wenigen wunderbaren Orang-Utans, Champagner, die Beatles, Demokratie, Lippenstift, Parks und Budnikowski. Aber dankbar, dass ein mir bis dato unbekannter Mann sich für mich interessiert? Nein.
Ich verweigere mich also der Auflage - mehr als ich aufgrund von Männermangel und Alter sowieso muss -, nur deshalb Sex zu haben, weil er möglich wäre. Zu hohe Erwartungshaltung, die unter Garantie nicht erfüllt wird? Angst vor Enttäuschung? Oder ganz einfach hartnäckige Inflexibilität?
Wenn ich nicht genau das kriege, was ich will, dann will ich gar nichts, dieses Motto habe ich scheinbar bisher für mich nicht ändern können. Und es ist ein alter Klassiker. Jetzt mit Betonung auf »alt«.
Die Frage, die sich für alleinstehende Männer und Frauen ab sechzig also stellen könnte, wäre diese: Ist es schlimm, wenn man niemanden findet, mit dem man wirklich gern Sex hat, oder entscheidet man sich von vornherein, einfach auf Sex ganz zu verzichten?
Es gibt ganz viele, die Sex so aus ihrem Leben gestrichen haben wie Fritten, Sonne und unbequeme Schuhe. Und scheinbar wird es nicht als großer Verlust empfunden. Denn dass hauptsächlich Sex das Barometer für eine schöne Beziehung ist und nicht Liebe, Wärme und Verständnis, bezweifelt man vielleicht nicht, wenn man jünger ist. Aber es gibt so etwas wie eine Vergeistigung und Transzendenz, die nicht aus Frustration geschieht, sondern aus Lebenserfahrung.
Und ehrlich, wer kann schon diese Energie, die Sexualität einmal hatte, Jahr um Jahr aufrechterhalten? Vielleicht schießt das Interesse an Sex ab siebzig wieder etwas nach oben, weil sich die letzten Auseinandersetzungen mit dem Selbst friedlich eingependelt haben und nun Genuss wieder vornean steht?
Bisher geben jedenfalls die Frauen zwischen fünfzig und sechzig oft an, so überhaupt keine Lust mehr auf Sex zu haben. Und wie so oft bei kniffligen Fragen, haben wissenschaftliche Studien einige Antworten parat. Und die haben oft mit der Natur zu tun. Ab fünfzig sinkt jeder Spiegel, besonders der hormonelle - und dann auch bald der echte in der Hand, nach einem Blick ins ältere Antlitz. Keiner will sich mehr sooo genau angucken.
Nehmen wir uns die Natur einmal vor. Sie wird als Frau dargestellt und Mutter genannt! Also kann sie nicht frauenfeindlich sein, oder? Na ja, Frauen sind auch launisch, rachsüchtig und nicht immer die besten Freundinnen oder Mütter.
Vielleicht ist auch Mutter Natur hormongesteuert! Und ist nach zu viel Sex mit den Herren Herbst und Winter (Frühling und Sommer sind weiblich, meiner Meinung nach) mit Stürmen, Blitzen, Überschwemmungen und so weiter zu dem Schluss gekommen, dass irgendwann einmal Schluss sein muss mit Drama, Eros und zu viel Leidenschaft. Sie hat sich also etwas dabei gedacht, als sie dafür gesorgt hat, dass Frauen mit sechzig endlich einmal etwas zur Ruhe kommen. Wer braucht pulsierendes Verlangen beim Anblick jedes attraktiven Mannes, schlaflose Nächte, Eifersüchteleien und all den anderen Unsinn, der jungen Frauen das Leben schwermacht?
 
Am interessantesten finde ich die Frage nach der individuellen sexuellen Persönlichkeit, die jeder besitzt. Verlieren wir wirklich total die Vitalität und Kraft, die Sex darstellt, ihre grundsätzliche Essenz, nur weil wir älter werden? Und ist denn nicht auch bei Sexualität irgendwann ein natürliches Ende vorprogrammiert? Ist es nicht ein Teil des Loslassens dieses Teils von dir, der einmal blühte und forderte und heiß und ungeduldig war? Vielleicht altert unsere Sexualität einfach in demselben Stil wie der Rest von uns.
Oder bleibt sie so, wie sie immer war? Kann aus einer ehemals schüchternen und nüchternen, wenig lustbetonten Frau im Alter eine fröhlich vögelnde Liebhaberin werden? Oder wird aus einer wilden und leidenschaftlichen, nahezu promisken Sexsirene unter Umständen eine zurückhaltende und sexuell wenig aktive Mittsechzigerin?
Wir ändern uns nicht groß im Alter, wir werden nur mehr wir selbst, sagt man - sicherlich eine große Wahrheit.
Ich glaube auch, dass es einen Teil in einem selbst gibt, der sich NIE ändert - wohl der Teil, der unversehrt geblieben ist und sich selbst spiegeln kann.
Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
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