Der Fluch des Dialekts
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Nur weil man immer online guckt, heißt das
längst nicht, dass es im Internet eine aufregendere Parallelwelt
gibt als im echten Leben. Vielmehr geht es dort nach wie vor
sturzbürgerlich und normal zu.
Da schreibt mir ein Lehrer aus Sachsen-Anhalt, der
in mir eine interessante Partie sieht, auch wenn er selber humorig
zugibt, helle Windjacken zu tragen und Opern zu mögen, was ich in
meinem Selbstporträt verdammt hatte. Netterweise versichert er mir,
dass er immer ehrlich, zufrieden und nicht nachtragend sei.
Ich will gäin Lähr’r, verdammt!
Das findet auch Sarah, allerdings nur teilweise:
»Also, Lehrer und Deutschlands ärmstes Bundesland, das sind leider
schon mal zwei Minuspunkte, obwohl die Ossis ja besser im Bett sein
sollen als wir. Hab doch ein Herz für den Underdog und gib ihm eine
Chance!«
Absolut nicht!
Online-Dating ist ein bisschen wie Heimatkunde. Man
lernt sein in weiten Teilen unbekanntes Vaterland ein wenig besser
kennen mit all den verschiedenen Mundarten, von denen man immer
vergisst, wie sehr man sie nicht ausstehen kann!
Kölsch ist o.k., schwäbisch mag ich nit schwätze
höre, hessisch ned babbele, bayrisch? Jo mei! Balinerisch mit all
dem icke, watt denn, weeßte - det jefällt ma nich.
Manche Vorurteile lassen sich schwerlich
überwinden, lieber Rudi aus Dräsdn! Und das ist nur die Sprache.
Für uns arrogante Big-City-Leute, die außer Berlin, Hamburg und
München nichts wirklich gut kennen, sind so exotische Reisen in
unbekannte Gebiete wie Schwalm-Eder, Groß-Gerau, Diepholz und Worms
mit einem Planetenwechsel gleichzusetzen. Man möchte dort nicht
hin. Es sei denn, jemand hat ein Schlösschen an einem Privatsee mit
Schwänen zu bieten …
Mir fiel auf, dass es laut Elite die meisten Männer
auf der Suche nach Frauen in meinem Alter in sogenannten
anständigen, sprich akademischen, Berufen scheinbar in Bayern gibt.
Und ich habe irgendwie ein Problem mit Bayern. Entschuldigung,
liebe Bayern.
Nur ein winzig kleines, denn natürlich ist es
lächerlich, nur weil man an Dackel, Uschi Glas, Lodenmäntel, Nazis,
Lederhosen und Jägerhütchen denkt, von dem schrecklichen Dialekt
ganz zu schweigen, keinen wirklichen Zugang zu einer anderen Welt
zu haben. Es ist ein albernes Vorurteil und ein Klischee, aber
Klischees stimmen nun mal auch.
Ich bin erst durch einen sehr langen
Auslandsaufenthalt lokalpatriotisch geworden. Und als Hamburgerin
ist man eben nordisch von Natur aus.