Eindeutige Angebote

Wer glaubt und von Herzen bedauert, dass
eine Frau über sechzig nie wieder mit eindeutig sexuellen Angeboten
umgehen muss, die keineswegs nur von derangierten Perverslingen
kommen, dem möchte ich Mut zusprechen.
Das heißt, wenn sie diese Form des Begehrtwerdens
vermisst und daraus eine wichtige Form der Erotik zieht.
Es sieht so aus, als ob jeder - ob jung, alt,
verheiratet oder verklemmt -, gern sagt, was ihn erregt und was er
gern hätte. Dafür ist das Internet ja da.
Eine besondere Kategorie ist der Netzprotz, man
könnte ihn auch Otto Orgasmus nennen. Es gibt ihn in allen
Variationen: als Schmuseprotz, der »viele schöne Liebesstunden«
verspricht, als Hardcore-Lover, der es mir »besorgen kann«. Da sind
die Männer, die Sex wollen, sonst gar nichts, und eben tolle
Angebote wie: »Magst du es, wenn man deine Füße verwöhnt?« Nicht
ungewöhnlich auch geradeheraus gestellte Forderungen nach
Analverkehr.
Ganz besonders originell finde ich, was der
sexuelle Reparaturmann mir anbietet: »Hausbesuche nach
Vereinbarung. Sehr diskret. Hobbys: Erotik und Sex.« Natürlich hat
er, der verheiratet ist, kein Foto eingestellt, denn das darf Silke
natürlich nicht wissen, dass er als »Heizungsmonteur« ein »volles
Rohr« verlegen will.
Jackwolf wiederum, ganze fünfunddreißig, ist
weniger scheu.
Er hat ein Foto im Halbprofil mit einem Handy am Kopf, das mir
wohl sagen soll: Anruf genügt! Jedenfalls will Jackwolf
nichts als Flirten und Sex, eingebettet in »eine lockere
Wochenend-Beziehung«.
Noch ein paar Anfragen, denen man nur schwer
widerstehen kann: Ein sexyjoe namens Johann
(siebenunddreißig) schreibt nur kurz und knapp: »Hau dir meine
Bilder rein, wäre an einer Affäre interessiert.« Die Fotos zeigen
einen sehr blassen Sportsfreund im entsprechenden dunkelblauen
Outfit mit Seitenstreifen, der in einer dieser leeren weißen,
typisch männlichen Viereckwohnungen mit einem Baumarktstrahler an
der Decke steht. Ein nettes Grinsen hat er.
»Suche eine gebundene, genussfähige Frau mit
erotischer Ausstrahlung, die Spaß am Leben hat. Will dich
entführen, verführen, will dich verwöhnen. Möchte dich genießen.
Und zu allem Überfluss, das alles nicht nur einmal.« Ja, das kann
einem leicht zu viel werden, besonders wenn es Karl aus
Hildburghausen ist, der fröhliche Nimmersatt.
Ein anderer Kandidat, nämlich ein grau melierter
Gentleman (ohne Foto), »sucht die zärtliche, anschmiegsame Dame,
die bereit ist, sich fallen zu lassen, um nur noch zu genießen«.
Und ja, Luft anhalten. Ich bin diese Dame. Er will mich »zärtlich
verwöhnen«, denn er bemerkt sehr richtig (kennt der mich?): »Die
Arbeit und der Stress können nicht alles sein. Schmusen, lachen,
fühlen, schmecken, die Welt um uns herum vergessen« - das ist sein
großzügiges Angebot. Ich reagiere etwas sperrig, das muss ich
zugeben, denn er will nicht nur seinen Namen nicht verraten, weil
»er nicht unbekannt in der Grundstücksmaklerszene« ist und zudem
verheiratet, sondern auch kein Foto schicken. Er bedauert sehr,
dass wir nicht zusammenkommen können, denn es wäre gut für mich
gewesen. Ja, ich wusste nie so recht, was
gut für mich war. Ich erscheine ihm als ziemlich blockierte Frau,
die mal etwas »aus sich herauskommen sollte«.
»Zwei Herren suchen gebundene Dame für Spaß zu
dritt« war auch klar. Eigentlich eher nichts für mich, denn ich
finde schon einen Mann im Bett abendfüllend genug. Der berühmte
Dreier geistert aber wahrscheinlich durch viele Fantasien der
verschiedensten Menschen beiderlei Geschlechts.
Ich glaube, die Beliebtheit hat damit zu tun, weil
dann die Aufmerksamkeit einer einzigen Person, die ja während der
sexuellen Betätigung recht intensiv sein kann, auf zwei verteilt
ist und dadurch etwas unübersichtlich wird - was gut sein kann.
Besonders für Menschen mit ADD (Attention Deficit Disorder). Der
andere positive Punkt ist, dass wenn einer es nicht bringt, der
andere einspringen kann. Sozusagen als Garantie im Doppelpack. Denn
selten sind zwei Männer gleichzeitig impotent. Natürlich weiß ich,
dass das Begehren nach drei Menschen im Bett meist männlicher Natur
ist und sich auf zwei Frauen konzentriert, nicht umgekehrt.
In früheren Jahren, als ich noch neugieriger und in
der Experimentierphase war, habe ich einmal eine sehr niedliche und
freimütige Freundin danach gefragt. Sie war recht angetan von einer
langen Nacht mit ihrem offenbar sehr toleranten Ehemann und dem
neuen Lover. Die Ehe hielt das allerdings nicht aus, denn sexuelle
Toleranz ist oft nur eine Verzweiflungstat, um einen entgleitenden
Partner festzuhalten.
Ein anderer Mann, auch ohne Foto, wollte »meine
Füße verwöhnen« - also Zehenlutscher? Das ist eigentlich ganz
schön, aber ich konnte mir nicht denken, dass er wieder nach Hause
geht, nachdem er mit den Zehen fertig ist …
Ein liebeslust, das ist Wolfgang
(neunundvierzig), wollte mit mir Pornos ansehen, weil er gern meine
»aufgesetzt kühle Art«, die er auf dem Foto zu erkennen glaubte,
glutheiß erhitzen wollte.
Das ist auch eine alte Fantasie von Männern: Die
»frigide« Frau mit ihrem »Zauberstab« von ihrem Leiden zu erlösen,
wie nur sie es können.
Er sagte das mit den Pornos nicht direkt, sondern
sprach im Gentlemanstil von gewissen »freizügigen« Filmen. Dabei
gelten ja Pornos, die selbst Dreizehnjährige auf ihr Handy laden
können, als weniger interessant - von anstößig reden wir mal nicht
- als Klingeltöne.
Frauen und Pornos, das ist so eine Sache. Angeblich
mögen und schauen Frauen sie gern an, auch wenn sie selber die
dümmsten und erniedrigsten Rollen darin haben. Ich finde, einen
Porno mit einem Mann anzusehen, wenn man ihn nicht wirklich scharf
und sexy findet, das ist, als ob er beim Pinkeln neben einem steht.
Man fühlt sich beobachtet. Wenn man ihn aber scharf und sexy
findet, dann braucht man keinen Porno.
Ich könnte mir Pornos nur aus Spaß angucken, denn
wer kann sie total ernst nehmen, selbst mit der sexuellen Erregung,
die sich ganz einfach einstellt, ob man will oder nicht, selbst
wenn man die doofsten Leute vögeln sieht.
Ich habe mir vor zwölf Jahren mal einen Stapel vom
Video-Verleih geholt. Neugier, Langeweile, Recherchen, ich weiß es
nicht mehr wirklich. Ich erinnere mich an viel heiteres Lachen -
von meiner Seite. Besonders die lesbische Liebe, die im
Frauengefängnis und beim Aerobic im Sportclub stattfand, Letzteres
in den Umkleidekabinen zwischen Damen mit Stulpen und
Stufenschnitt, war ein Erlebnis von besonderer Komik.
Das Lachen über die Absurdität des sexuellen Aktes
mit all seinen potenziell sehr merkwürdigen Verrenkungen und
Anstrengungen und Lauten und Gesichtern, das ist der eigentliche
Spaß bei Pornos. Und da will man nur eine beste Freundin oder einen
lustigen Lover beim Zugucken haben, nicht einen pensionierten
Logistiker mit Kniescheibenschaden.