Forever Young oder Falten sind eine Frechheit
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»What a drag it is getting old«, sangen die Stones schon 1964, ganze vierundzwanzig Jahre alt, und man wundert sich schon manchmal über die Reife, die gerade die Rockbands der Sechzigerjahre demonstrierten.
Ob es wirklich stimmt, dass Altwerden schrecklich oder eine wundervolle bereichernde und vor allem natürliche Transformation ist, werden wir und besonders die Jüngeren wohl nie so ganz unbekümmert herausfinden können. Spaß, Glück und Zufriedenheit, vom Stolz ganz zu schweigen, die ja durchaus entstehen könnten, wenn man seine persönlichen Lehr- und Meisterjahre betrachtet und sich beglückt wundert, dass man einigermaßen in einem Stück alles überlebt hat, sind kaum mehr erlaubt. Die verdiente Ruhe, wie es so schön einmal hieß, hat sich in unverhältnismäßige Hektik verwandelt. Und in Sorge. Dass man nicht mehr mithalten kann, weil das eine Attribut fehlt, dem neuerdings mehr Macht zugestanden wird als Intelligenz, Reife und Erfahrung: Hotness. Es ist ein hinterhältiges, oberflächlich glitzerndes, völlig verwirrendes Wort, das in niemandes Leben etwas zu suchen haben sollte - außer dem von Meteorologen oder MTV-Ansagern vielleicht.
Doch alles muss heute hot sein. Dein Aussehen, dein Toaster, dein Auto, dein Salat, deine Schuhe, deine Espressomaschine, deine Attitüde, dein Klopapier. Hot hot hot, alles andere ist out und lahm. Und unsexy, und das ist schlimmer als nicht hot, das ist ein Todesurteil. Weil du unsichtbar bist. Du spielst nicht mehr das Spiel, bist nicht mehr Beute, die große Verlockung mit den Bambiaugen, den schmalen zarten Gelenken und der seidigen, straffen Haut.
Aber ich will nicht mehr hot sein! Ich will meine Ruhe haben!
Forever Young - das ist der magische, tragische Wunsch des Menschen und, so wie fast alle ganz großen Wünsche und Sehnsüchte, unerfüllbar. Auch ich habe zwischendurch Dorian-Gray-Momente oder vielmehr Doriana-Gray-Momente.
Dorian ist der Mann, der seine Seele verkauft und nie alt wird - stattdessen altert sein Porträt.
Sicherlich ist es Selbstschutz, dass es Momente gibt, in denen das eigene Gesicht, so vertraut in all seinen verschiedenen Stadien, kaum verändert wirkt. Jeder ältere Mensch wird betonen, dass er sich innerlich sehr oft unverändert jung fühlt, was seine Gefühle angeht. Nur ist das innere Alter oft schwer zu kommunizieren, denn sogenanntes jugendliches Benehmen bei ganz klar überreifen Erwachsenen wirkt, besonders was Kleidung und Sprache angeht, wie eine illegale und peinliche Grenzüberschreitung, die geahndet werden sollte.
Klar, wenn man seine Falten als so tragisch empfindet wie einen nicht operierbaren Tumor - und man zu viel Kleingeld übrig hat -, dann muss man den Schaden wohl mit Nadel und Skalpell beheben. Aber will man wirklich glatt gebügelt aussehen oder wie eine Kreatur aus Dr. Beauty’s Gruselkabinett?
Ich möchte sehr gern daran glauben, dass Sexualität und Schönheit nicht nur auf Jugend, Botox und perfekten Formen begründet sind. Selbst junge Männer wollen offenbar nicht unbedingt nur Federbettlippen, kreisrunde Gel-Brüste und einen Blick aus künstlich erzeugten Mandelaugen.
Ich nehme an, die Hauptidee bei der kosmetischen Verjüngung ist die, das ursprüngliche Selbst zu erhalten, und zwar das, welches in der attraktivsten Lebensmitte eingefroren ist. Betonung auf eingefroren. Denn die Wahrheit ist, dass ein kosmetisch verjüngtes Gesicht weniger erhalten als vielmehr brandneu aussieht. Und fremd. Und unnatürlich. Man kann nichts konservieren außer toten Tieren, Marmelade, Gewürzgurken und Gehirne im Glas.
Und was ist schon unser bestes, schönstes Selbst? Wenn man schlau ist, nimmt man das augenblickliche und genießt die weiteren Veränderungen, die sehr interessant sein können. Denn wir sind es noch, und sind es doch nicht mehr. Optimisten sagen, wir bleiben wir selbst im Alter. Wenn das nur für die schönsten Eigenschaften gilt, dann ist das wunderbar. Und wenn man die Natur walten lässt, wie sie will und gut kann, dann gibt es andere Belohnungen. Also wäre es wahrscheinlich nicht so schlecht, sich nach dem Lebenszirkel und dessen Regeln zu richten, die sich eigentlich über Jahrhunderte als recht vernünftig herausgestellt haben. Das ist wie mit Obst und Gemüse, das am besten schmeckt, wenn Saison dafür ist.
Und wenn man wieder an einer Hundert-Euro-Creme gegen »absackende Haut« - so der Fachbegriff - vorbeikommt und die Scheckkarte wie wild zappelt, einfach erhobenen Hauptes weitergehen. Die Zeit ist knapp, und hier ist die Probe. Für die Rolle der interessanten, also auch intelligenten Frau. Die muss gut vorbereitet werden. Man könnte es auch anders nennen: erwachsen sein.
Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
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