Kein Mann im Warenkorb!
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Ich glaube, ich muss ein paar Seelenausgrabungen machen und mir klar darüber werden, ob und was ich suche. Also bestimmt keinen Ehemann. Einer hat gereicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich so pervers bin, dass ich das ewig währende Eheglück heimlich nachholen will, jetzt, wo ich alt bin.
Ich hatte in letzter Zeit zwischendurch schon ein paarmal gedacht: Warum nur will ich einen Mann? Was fehlt mir denn wirklich, wenn überhaupt? Hat ein Mann tatsächlich mit der Vorstellung des Glücks zu tun? Dann wäre die Suche nach dem Mann eine Art Glückssuche, bei der der Mann zum Objekt und Glücksbringer hochstilisiert wird. Eine Rolle, der eigentlich niemand gerecht werden kann.
Und ist es nicht sowieso eine Lüge, die man uns von Kind an erzählt, dass ewige Liebe und Glück ein Geburtsrecht sind? Und dass irgendwo, dort im Weltgewusel, der Richtige wartet, der wie der Deckel auf unseren Topf passt? Denn nach dem »richtigen« Mann zu suchen ist wie nach der »perfekten« Kindheit zu suchen. Man wird sie beide nicht finden.
Wünsche und Vorstellungen sind eine Frage der Interpretation. Und sie unterliegen Strömungen, die das augenblickliche Leben spiegeln.
Was ich gern weglasse, ist folgender Fakt: Sich nach einem Mann umzuschauen heißt ja auch, sich wieder dem ganzen komplizierten Spektrum der Beziehungen der Geschlechter und der speziellen Paardynamik mit all ihren verführerischen und fatalen Fallstricken zu stellen.
Habe ich denn dazu noch Lust? Nicht wirklich, aber wenn ich es versuchen will, geht es nicht ganz ohne Risiko, auch wenn ich theoretisch mehr als genug über die rätselhaften Wege des Herzens weiß und bestens gewappnet sein sollte. Aber Widersprüchlichkeit ist das Herzstück jedes Menschen, auch wenn er sich noch so eindeutig und klar in seinem Gefühlsleben vorkommt.
Unser Innenleben ist wild und ungeordnet, archaisch, explosiv - und macht keinen sachlichen Sinn. Das, was man sich am meisten ersehnt, ist natürlich auch das, wovor man sich am meisten fürchtet. Kein Feld ist größer, komplizierter und schwerer zu kontrollieren als das von Liebe, Lust und anderen Gefühlen. Und nichts stürzt uns tiefer in die Hölle.
Her mit einem neuen Typen, sage ich seit Jahren, aber stimmt das wirklich?
Eine Sache fällt mir immer wieder auf, und sie gefällt mir nicht. Genau genommen ist die gezielte Suche nach Glück, also die Suche nach dem passenden Mann wie nach einem Kleidungsstück mit den richtigen Maßen und in bestimmter Farbe und perfektem Stil, zwar praktisch und effektiv, aber unglaublich fantasielos und unerotisch. Und entspricht so gar nicht meinem Charakter.
Ich bin ein Shoppingmuffel und meide Warenhäuser und Boutiquen, als wären sie Stätten des Satans. Der flink gefüllte Warenkorb, ob mit Männern oder Pullis in allen Farben, virtuell oder real, erfüllt mich nicht mit Glücksgefühlen, sondern mit Überdruss.
Ich bin der Flohmarkttyp, mag witzige, außergewöhnliche Einzelstücke, die auffallen und schön gearbeitet sind oder mich durch Originalität entzücken. Und ich stelle bei der Männersuche immer wieder fest, wie altmodisch ich bin, wie sehr ich nach Vertrautem suche. Ich sehne mich nach Schlendern, nach spontanem Innehalten und nach Zufällen, denn die Essenz des Bummelns ist der Überraschungseffekt, der unerwartete Fund beziehungsweise die Begegnung mit einem Menschen, die man gern schicksalhaft nennt.
Doch auch wenn es nicht um Liebe und Sex geht, haben überraschende und spontane Begegnungen einen besonderen Zauber. Der Vorteil eines zufälligen Treffens während einer Reise, auf dem Markt oder beim Zeitungsmann um die Ecke gegenüber einer Chatanfrage von einem stimm- und relativ gesichtslosen Mann liegt auf der Hand oder, besser, im Gesicht. Man kann es sehen und ein klein wenig in ihm lesen.
Ich will nicht so weit gehen und sagen, dass ausschließlich die Augen der Spiegel der Seele sind, aber ein lebendiges Gesicht, anziehend und geheimnisvoll, hat fast alles, was man braucht, um festzustellen: Mit dem möchte ich weiterreden, ihn kennenlernen, ihn wild küssen, mit ihm unbedingt Sex, einen Bausparvertrag und sieben Enkelkinder haben.
Die Qualität des Zufalls hat etwas Deliziöses. Nichts ersetzt das Herzflattern, den Anflug von zittrigen Knien, das Pochen des Blutes in der Halsschlagader, das trockene Schlucken, ja sogar das Erröten, wenn wir jemanden sehen, der so einen Effekt auf uns hat.
Die Aura. Es ist die Aura, unerklärlich und mysteriös, die Männer und Frauen berührt und zu spontanen Handlungen verführt.
Mir ist einmal etwas sehr Hübsches passiert, als ich vierunddreißig war. Ich hatte einen tollen Freund, den ich liebte. Wir lebten nicht zusammen, wohnten aber nur zehn Minuten voneinander entfernt. Ich war auf dem Weg zu seiner Wohnung, als ich einen wirklich gut aussehenden Mann - groß, schwarzlockig, markantes Gesicht - bemerkte, der mir praktisch hinterherging. Ich fand’s recht spannend und war geschmeichelt, tat natürlich so, als würde ich es nicht merken. Kurz vor der Haustür sah ich aus dem Augenwinkel, dass er seinen Schritt beschleunigte.
Aber doch bitte kein Stalker, wünschte ich mir.
Bevor ich die Eingangstür aufschließen konnte, schoss er an mir vorbei, lächelte mich an und schloss die Tür auf und ließ mich, die sehr erstaunt war, vorangehen. Dann stellte er sich vor.
Er wohne seit Kurzem in dem Haus, hätte mich ein paarmal gesehen, immer allein, und sei mir hinterhergerast, um mich zu erwischen. Ob ich mit ihm ausgehen wolle?
Ich bedauerte ein wenig, dass ich ernsthaft liiert war, sagte ihm aber, dass ich vergeben sei. Er war enttäuscht, ich fand ihn wirklich mutig.
Erlebt man so was im Internet? Nein.
Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
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