Wie bastele ich mir einen Mann?
016
Weil nichts los ist, mache ich mir eine Wunschliste mit den drei Männertypen, die mir bekannt sind: Künstler, wohlhabender Gentleman, Akademiker.
Wir teilen Männer ja in verschiedene Kategorien ein, und zwar je nachdem, aus welcher Gesellschaftsschicht wir kommen. Und immer, wenn uns ein Typus besonders exotisch und unerreichbar vorkommt, dann romantisieren wir ihn.
Als mögliche Option überlege ich mir deshalb den Arbeiterklassen-Sexmeister, den ich zwar noch nie getroffen habe, aber der mir manchmal à la Hollywood im Kopf herumspukt. Er steht auf dem Bau mit der Kelle oder dem Hammer in der Hand - oder was Bauarbeiter so in der Hand haben. Toller, muskulöser nackter Torso (es ist Sommer!), vielleicht ein geripptes Unterhemd, so wie sie nur Proleten anhatten, als ich Kind war, auf die schmalen Hüften runtergerutschte verwaschene Jeans, klobige Stiefel, ein Schutzhelm auf dem blonden Pferdeschwanz. Wir treffen uns zum Bier, sitzen auf der Treppe vor meinem Haus und machen begrenzte Konversation, aber später im Schlafzimmer, oh là là, da wird geschwitzt und es fallen blitzschnell Hüllen und Konventionen …
Als eine von Kind an große Träumerin mit einer blühenden Fantasie, deren wichtigste und geheimste Gefühle oft im Dunkeln eines Kinos über die Leinwand ausgelebt wurden, will ich auch im Leben die großen Themen am liebsten in einer unterhaltsamen, spannenden Story präsentiert kriegen.
So hoffte ich bei meinem Dating-Projekt, das man »Fremde Männer suchen fremde Frauen« nennen könnte, auf herrlich dekadente Lügen, Fantasien, Geheimnisse und deren Enthüllungen. Also auf Dinge, die in der Online-Datingszene einen wunderbar fruchtbaren Boden vorfanden.
Und ich, ich war ja eine Art Betrügerin. Ich war nicht, wer ich vorgab zu sein. Was eigentlich egal ist, denn der Moment, in dem man sich trifft, ist immer ein Überraschungsmoment, keiner weiß, was passieren wird. Das Spiel fängt erst da an.
Es gibt ein paar witzige ältere Filme, in denen es um sogenannte »Bräute auf Bestellung« ging. Das waren Bräute, die wegen großer Entfernung von der Zivilisation und der damit verbundenen Frauenknappheit von männlichen Abenteurern ganz einfach per Post bestellt wurden oder von vertrauenswürdigen Vermittlern verscherbelt wurden. (So neu ist die Idee von Partnervermittlung also nicht.) Cowboys, Seefahrer, Plantagenbesitzer, Missionare in China, all diese Pioniere brauchten Frauen. Für Sex, Kinderkriegen, Haushaltsführung. Also wie immer.
Am schönsten finde ich den Film Das Piano (von Jane Campion) und den ziemlich unbekannten Streifen Das Geheimnis der falschen Braut (von François Truffaut). Im Piano bestellt sich ein ziemlich steifer Neuseeländer in den späten 1890ern die stumme, extrem eigenwillige Adele als Frau, um in der Einsamkeit des Urwalds einen warmen Körper zur Verfügung zu haben, und verlangt dafür, wie sich zeigt, unbedingte Unterwerfung. Dass die renitente Ex-Pianistin mit einem riesigen Piano und einer kleinen Tochter ankommt, ahnt der achtbare Herr nicht. Noch weniger, dass sie sich von einem ungezähmten, im Gesicht tätowierten Eingeborenen ausziehen und wundervoll verführen lässt. Das Dating-Café hätte der Pianistin sicherlich zu dem biederen Sam geraten.
Vielleicht wollte ich insgeheim auch so einen tätowierten Mann, der wenig spricht, vor Männlichkeit strotzt, in sich selbst ruht und seinen Wurzeln treu bleibt?
Weiber sind eben ein romantisches Volk! Und dazu ein verlogenes, berechnendes, das den Mann an den Rand des Abgrunds zerrt und ihn sogar oft in denselbigen hinabstößt.
Die falsche Filmbraut in dem Truffaut-Streifen dagegen, gespielt von einer jungen Catherine Deneuve, repräsentiert die Gefahr, die von Liebe und Sex ausgeht, und das in diesem Fall tödliche Geheimnis, das vertauschte oder erlogenen Identität bergen kann.
Ein reicher Geschäftsmann bestellt sich eine Braut, die mit dem Schiff ankommt, von großer Schönheit und sehr mysteriös ist. Er verliebt sich unsterblich in sie, aber eines Tages ist sie weg! Mit seinem gesamten Vermögen. Er sucht sie überall und findet heraus, dass sie nicht die ist, für die sie sich ausgab.
Vielmehr hatte sie die echte Braut ermordet und ihre Stelle eingenommen. So etwas kann schon mal passieren, besonders wenn der männliche Part verbrieftermaßen mehrfacher Millionär ist.
Ob ich wohl auch einmal so einen sexy Millionär wie in dem Film treffen würde, den ich ausnehmen und reinlegen konnte?
 
Sicher nicht im Internet. Ich checke die Angebote und meine Mails.
»Klau mir mein Herz, ich raub dir den Verstand«, verspricht ein zweiundfünfzigjähriger herzbub. Das hört sich wie ein unfairer Deal an. Kommt nicht infrage.
»Ich möchte noch mal Schmetterlinge oder Flugzeuge im Bauch spüren«, wünscht sich youngatheart56. Oje. Am besten, je eins davon verschlucken, nehme ich an. Das müsste den gewünschten Effekt haben.
Schoengeist12 - er steht in der Skijacke vor den Bergen - schickte mir diese Perle schwülstigen Schwachsinns, den er ohne Zweifel in der Beratungsfibel Wie gewinne ich als Schmalz-Poet leicht begeisterungsfähige Frauen im Internet abgeschrieben hat: »Mit einer Metapher an die Liebe möchte ich Deine Seele berühren, den Strand des Lebens, an den der Ozean des Schicksals unermüdlich neue Dinge an Deine Seele spült. Es können neue Menschen sein, denen Du begegnest, Worte und Weisheiten, Erlebnisse, Gedanken. Wie Muscheln liegen sie an Deinem Strand, warten darauf, von Dir gefunden zu werden …« Blabla und so weiter.
Die Weisheiten, die ich am Strand und im Internet entdecke, sind nicht neu: Nicht nur die Hoffnung stirbt zuletzt, auch der Wunsch nach der Traumfrau. Männer suchen mit großer Akribie und Fantasielosigkeit das liebenswerte, humorvolle, tolerante, warmherzige, unkomplizierte, auch ruhig intelligente, schlanke, hübsche Wunderwesen, das genug an Wunder glaubt, um einem loveboy mit dem Motto »Deine Lust ist mir wichtig, meine steht an zweiter Stelle« zu antworten. Von mir wird er nichts hören.

Besser ohne Internet?

Jetzt reicht’s! Es muss einen anderen Weg geben.
Ich frage wieder mal meine verheirateten Freundinnen - ich weiß nicht zum wievielten Mal: »Kennt ihr wirklich keinen ledigen, interessanten und intelligenten Mann, der es mit mir aufnehmen könnte?«
Als Antwort gibt es darauf wie immer nur ein paar unnatürliche Lacher und bedauerndes Kopfschütteln. Mir kommt es vor, als würde ich sie nach einem zwei Meter achtzig großen, Porsche fahrenden Goldhamster im Armani-Anzug fragen, der perfekt Saxofon spielt, Muffins backen kann, Farsikenntnisse und einen Doktorgrad in Philosophie besitzt.
Man darf generell nicht zu viele aufregende Tipps oder Vorschläge von lang verheirateten Freunden erwarten. Sie leben auf dem Eheplaneten, und das ist der spezielle Ort der wohlbekannten Routine, ein bisschen wie das Schlaraffenland, nur mit hübsch angestrichenen Gitterstäben, der vor äußeren Einflüssen beschützen soll. Dort geht es sehr eingespielt und leicht betäubt zu, deshalb haben sie ihr ehemaliges Singledasein komplett vergessen.
Es sind sehr gemischte Bilder, wenn ich mir Ehepaare um die sechzig angucke, die noch zusammen sind. Ich habe öfter ein Gefühl von Versäumnis bei den Frauen entdeckt, die ihr Leben lang bedauern, dass sie sich mit dem zufriedengegeben haben, was gerade da war, weil sie nicht glaubten, dass sie mehr und etwas Besseres verdienten.
Ich glaube, wir vergessen bei unserer Suche häufig, dass nicht alle Frauen (und Männer) eine große Liebe finden, sie dann auch heiraten und mit ihr glücklich sind. So sitzen sie häufig da mit ihrem Partner und haben Ausbruchsfantasien - so wie Sträflinge. Deshalb beneiden sie uns Single-Frauen öfter, als sie zugeben.
Das ist auch der Grund, warum Singles nie zu Paarveranstaltungen eingeladen werden: Weil sie Freiwild sind und selber frei wildern könnten - wenn sie wollen. Es sind die Ehefrauen, nicht die Ehemänner, die ungebundene Frauen, auch wenn es gute Freundinnen sind, nicht dabeihaben wollen. Ich werde also ohne ihre Hilfe auskommen müssen. Bin ich ja bisher auch.
Wo habe ich eigentlich meine Lieblingsmänner damals in den Steinzeitalter-Zeiten kennengelernt?
Den ersten bei der Arbeit, als ich als rasende und unterbezahlte Jungreporterin bei der Zeitung arbeitete. Der Arbeitsplatz ist ein sehr guter Platz zum Kennenlernen, denn dort kann man jemanden bei etwas beobachten, das er liebt oder gut kann. (Man sieht, ich bin aus einer anderen Generation, in der es solche naiven Motive noch gab.)
Auch den zweiten Mann traf ich beim Job, aber das war’s dann so ziemlich, was den Arbeitsplatz angeht. Der Rest verteilte sich dann auf so exotische und inspirierende Orte wie eine WG, den Amerikaurlaub, und ja, Partys, immer wieder Partys.
Man könnte sagen, dass ich ein Partygirl war, denn die letzten drei Dekaden waren sehr auf Musik und Tanzen ausgerichtet. Ich finde Tanzen und Körperbewegung, Sinn für Rhythmus und Musikalität enorm wichtig. Für einen wirklich dummen, aber guten Tänzer lasse ich jeden ungelenken, wenn auch faszinierenden Intellektuellen sausen.
Ich habe mich schon kurzzeitig in einen tollen Tänzer verliebt, weil wir so wunderbar wild gerockt und gerollt, uns an Tango und Salsa herangewagt haben und bei Reggae und Soul so viel Spaß hatten, dass unsere Herzen und Körper sich zuflogen, wortwörtlich. Aber das ist schon eine Weile her.
»Du weißt doch, wie Ehefrauen sind, das kannst du vergessen«, sagt Toni, die das Paarproblem kennt. »Du kommst doch gut mit jungen Männern klar. Wieso triffst du dich nicht endlich mal mit einem von denen anstatt mit diesen ollen Losern!«
Natürlich hat sie recht.
Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
bern_9783641042240_oeb_cover_r1.html
bern_9783641042240_oeb_toc_r1.html
bern_9783641042240_oeb_ata_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c01_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c02_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c03_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c04_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c05_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c06_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c07_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c08_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c09_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c10_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c11_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c12_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c13_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c14_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c15_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c16_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c17_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c18_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c19_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c20_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c21_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c22_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c23_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c24_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c25_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c26_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c27_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c28_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c29_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c30_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c31_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c32_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c33_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c34_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c35_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c36_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c37_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c38_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c39_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c40_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c41_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c42_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c43_r1.html
bern_9783641042240_oeb_c44_r1.html
bern_9783641042240_oeb_cop_r1.html