Wie bastele ich mir einen Mann?

Weil nichts los ist, mache ich mir eine
Wunschliste mit den drei Männertypen, die mir bekannt sind:
Künstler, wohlhabender Gentleman, Akademiker.
Wir teilen Männer ja in verschiedene Kategorien
ein, und zwar je nachdem, aus welcher Gesellschaftsschicht
wir kommen. Und immer, wenn uns ein Typus besonders exotisch
und unerreichbar vorkommt, dann romantisieren wir ihn.
Als mögliche Option überlege ich mir deshalb den
Arbeiterklassen-Sexmeister, den ich zwar noch nie getroffen habe,
aber der mir manchmal à la Hollywood im Kopf herumspukt. Er steht
auf dem Bau mit der Kelle oder dem Hammer in der Hand - oder was
Bauarbeiter so in der Hand haben. Toller, muskulöser nackter Torso
(es ist Sommer!), vielleicht ein geripptes Unterhemd, so wie sie
nur Proleten anhatten, als ich Kind war, auf die schmalen Hüften
runtergerutschte verwaschene Jeans, klobige Stiefel, ein Schutzhelm
auf dem blonden Pferdeschwanz. Wir treffen uns zum Bier, sitzen auf
der Treppe vor meinem Haus und machen begrenzte Konversation, aber
später im Schlafzimmer, oh là là, da wird geschwitzt und es fallen
blitzschnell Hüllen und Konventionen …
Als eine von Kind an große Träumerin mit einer
blühenden Fantasie, deren wichtigste und geheimste Gefühle oft im
Dunkeln eines Kinos über die Leinwand ausgelebt wurden,
will ich auch im Leben die großen Themen am liebsten in einer
unterhaltsamen, spannenden Story präsentiert kriegen.
So hoffte ich bei meinem Dating-Projekt, das man
»Fremde Männer suchen fremde Frauen« nennen könnte, auf herrlich
dekadente Lügen, Fantasien, Geheimnisse und deren Enthüllungen.
Also auf Dinge, die in der Online-Datingszene einen wunderbar
fruchtbaren Boden vorfanden.
Und ich, ich war ja eine Art Betrügerin. Ich war
nicht, wer ich vorgab zu sein. Was eigentlich egal ist, denn der
Moment, in dem man sich trifft, ist immer ein Überraschungsmoment,
keiner weiß, was passieren wird. Das Spiel fängt erst da an.
Es gibt ein paar witzige ältere Filme, in denen es
um sogenannte »Bräute auf Bestellung« ging. Das waren Bräute, die
wegen großer Entfernung von der Zivilisation und der damit
verbundenen Frauenknappheit von männlichen Abenteurern ganz einfach
per Post bestellt wurden oder von vertrauenswürdigen Vermittlern
verscherbelt wurden. (So neu ist die Idee von Partnervermittlung
also nicht.) Cowboys, Seefahrer, Plantagenbesitzer, Missionare in
China, all diese Pioniere brauchten Frauen. Für Sex, Kinderkriegen,
Haushaltsführung. Also wie immer.
Am schönsten finde ich den Film Das Piano
(von Jane Campion) und den ziemlich unbekannten Streifen Das
Geheimnis der falschen Braut (von François Truffaut). Im
Piano bestellt sich ein ziemlich steifer Neuseeländer in den
späten 1890ern die stumme, extrem eigenwillige Adele als Frau, um
in der Einsamkeit des Urwalds einen warmen Körper zur Verfügung zu
haben, und verlangt dafür, wie sich zeigt, unbedingte Unterwerfung.
Dass die renitente Ex-Pianistin mit einem riesigen Piano und einer
kleinen Tochter ankommt,
ahnt der achtbare Herr nicht. Noch weniger, dass sie sich von
einem ungezähmten, im Gesicht tätowierten Eingeborenen ausziehen
und wundervoll verführen lässt. Das Dating-Café hätte der Pianistin
sicherlich zu dem biederen Sam geraten.
Vielleicht wollte ich insgeheim auch so einen
tätowierten Mann, der wenig spricht, vor Männlichkeit strotzt, in
sich selbst ruht und seinen Wurzeln treu bleibt?
Weiber sind eben ein romantisches Volk! Und dazu
ein verlogenes, berechnendes, das den Mann an den Rand des Abgrunds
zerrt und ihn sogar oft in denselbigen hinabstößt.
Die falsche Filmbraut in dem Truffaut-Streifen
dagegen, gespielt von einer jungen Catherine Deneuve, repräsentiert
die Gefahr, die von Liebe und Sex ausgeht, und das in diesem Fall
tödliche Geheimnis, das vertauschte oder erlogenen Identität bergen
kann.
Ein reicher Geschäftsmann bestellt sich eine Braut,
die mit dem Schiff ankommt, von großer Schönheit und sehr mysteriös
ist. Er verliebt sich unsterblich in sie, aber eines Tages ist sie
weg! Mit seinem gesamten Vermögen. Er sucht sie überall und findet
heraus, dass sie nicht die ist, für die sie sich ausgab.
Vielmehr hatte sie die echte Braut ermordet und
ihre Stelle eingenommen. So etwas kann schon mal passieren,
besonders wenn der männliche Part verbrieftermaßen mehrfacher
Millionär ist.
Ob ich wohl auch einmal so einen sexy Millionär wie
in dem Film treffen würde, den ich ausnehmen und reinlegen
konnte?
Sicher nicht im Internet. Ich checke die Angebote
und meine Mails.
»Klau mir mein Herz, ich raub dir den Verstand«,
verspricht ein zweiundfünfzigjähriger herzbub. Das hört sich
wie ein unfairer Deal an. Kommt nicht infrage.
»Ich möchte noch mal Schmetterlinge oder Flugzeuge
im Bauch spüren«, wünscht sich youngatheart56. Oje. Am
besten, je eins davon verschlucken, nehme ich an. Das müsste den
gewünschten Effekt haben.
Schoengeist12 - er steht in der Skijacke vor
den Bergen - schickte mir diese Perle schwülstigen Schwachsinns,
den er ohne Zweifel in der Beratungsfibel Wie gewinne ich als
Schmalz-Poet leicht begeisterungsfähige Frauen im Internet
abgeschrieben hat: »Mit einer Metapher an die Liebe möchte ich
Deine Seele berühren, den Strand des Lebens, an den der Ozean des
Schicksals unermüdlich neue Dinge an Deine Seele spült. Es können
neue Menschen sein, denen Du begegnest, Worte und Weisheiten,
Erlebnisse, Gedanken. Wie Muscheln liegen sie an Deinem Strand,
warten darauf, von Dir gefunden zu werden …« Blabla und so
weiter.
Die Weisheiten, die ich am Strand und im Internet
entdecke, sind nicht neu: Nicht nur die Hoffnung stirbt zuletzt,
auch der Wunsch nach der Traumfrau. Männer suchen mit großer
Akribie und Fantasielosigkeit das liebenswerte, humorvolle,
tolerante, warmherzige, unkomplizierte, auch ruhig intelligente,
schlanke, hübsche Wunderwesen, das genug an Wunder glaubt, um einem
loveboy mit dem Motto »Deine Lust ist mir wichtig, meine
steht an zweiter Stelle« zu antworten. Von mir wird er nichts
hören.
Besser ohne Internet?
Jetzt reicht’s! Es muss einen anderen Weg
geben.
Ich frage wieder mal meine verheirateten
Freundinnen - ich weiß nicht zum wievielten Mal: »Kennt ihr
wirklich keinen ledigen, interessanten und intelligenten Mann, der
es mit mir aufnehmen könnte?«
Als Antwort gibt es darauf wie immer nur ein paar
unnatürliche Lacher und bedauerndes Kopfschütteln. Mir kommt es
vor, als würde ich sie nach einem zwei Meter achtzig großen,
Porsche fahrenden Goldhamster im Armani-Anzug fragen, der perfekt
Saxofon spielt, Muffins backen kann, Farsikenntnisse und einen
Doktorgrad in Philosophie besitzt.
Man darf generell nicht zu viele aufregende Tipps
oder Vorschläge von lang verheirateten Freunden erwarten. Sie leben
auf dem Eheplaneten, und das ist der spezielle Ort der
wohlbekannten Routine, ein bisschen wie das Schlaraffenland, nur
mit hübsch angestrichenen Gitterstäben, der vor äußeren Einflüssen
beschützen soll. Dort geht es sehr eingespielt und leicht betäubt
zu, deshalb haben sie ihr ehemaliges Singledasein komplett
vergessen.
Es sind sehr gemischte Bilder, wenn ich mir
Ehepaare um die sechzig angucke, die noch zusammen sind. Ich habe
öfter ein Gefühl von Versäumnis bei den Frauen entdeckt, die ihr
Leben lang bedauern, dass sie sich mit dem zufriedengegeben haben,
was gerade da war, weil sie nicht glaubten, dass sie mehr und etwas
Besseres verdienten.
Ich glaube, wir vergessen bei unserer Suche häufig,
dass nicht alle Frauen (und Männer) eine große Liebe finden, sie
dann auch heiraten und mit ihr glücklich sind. So sitzen sie
häufig da mit ihrem Partner und haben Ausbruchsfantasien
- so wie Sträflinge. Deshalb beneiden sie uns Single-Frauen öfter,
als sie zugeben.
Das ist auch der Grund, warum Singles nie zu
Paarveranstaltungen eingeladen werden: Weil sie Freiwild sind und
selber frei wildern könnten - wenn sie wollen. Es sind die
Ehefrauen, nicht die Ehemänner, die ungebundene Frauen, auch wenn
es gute Freundinnen sind, nicht dabeihaben wollen. Ich werde also
ohne ihre Hilfe auskommen müssen. Bin ich ja bisher auch.
Wo habe ich eigentlich meine Lieblingsmänner damals
in den Steinzeitalter-Zeiten kennengelernt?
Den ersten bei der Arbeit, als ich als rasende und
unterbezahlte Jungreporterin bei der Zeitung arbeitete. Der
Arbeitsplatz ist ein sehr guter Platz zum Kennenlernen, denn dort
kann man jemanden bei etwas beobachten, das er liebt oder gut kann.
(Man sieht, ich bin aus einer anderen Generation, in der es solche
naiven Motive noch gab.)
Auch den zweiten Mann traf ich beim Job, aber das
war’s dann so ziemlich, was den Arbeitsplatz angeht. Der Rest
verteilte sich dann auf so exotische und inspirierende Orte wie
eine WG, den Amerikaurlaub, und ja, Partys, immer wieder
Partys.
Man könnte sagen, dass ich ein Partygirl war, denn
die letzten drei Dekaden waren sehr auf Musik und Tanzen
ausgerichtet. Ich finde Tanzen und Körperbewegung, Sinn für
Rhythmus und Musikalität enorm wichtig. Für einen wirklich dummen,
aber guten Tänzer lasse ich jeden ungelenken, wenn auch
faszinierenden Intellektuellen sausen.
Ich habe mich schon kurzzeitig in einen tollen
Tänzer verliebt, weil wir so wunderbar wild gerockt und gerollt,
uns an Tango und Salsa herangewagt haben und bei Reggae und Soul so
viel Spaß hatten, dass unsere Herzen und Körper
sich zuflogen, wortwörtlich. Aber das ist schon eine Weile
her.
»Du weißt doch, wie Ehefrauen sind, das kannst du
vergessen«, sagt Toni, die das Paarproblem kennt. »Du kommst doch
gut mit jungen Männern klar. Wieso triffst du dich nicht endlich
mal mit einem von denen anstatt mit diesen ollen Losern!«
Natürlich hat sie recht.