12.19. 19. 10. 18.

 

Karlas Rat war gut gewesen. Raoul hatte sich gründlich von Faustina bemuttern lassen und war dann müde und satt nach Hause gefahren.

Eigentlich hatte er vorgehabt, sich sofort ins Bett zu legen, aber als er durch den nach Putzmitteln riechenden Hausflur ging, spürte er eine Nervosität, die wie kribbelnde Ameisen unter seiner Haut saß. Er würde keine Ruhe finden, also konnte er sich genauso gut noch mit einem Glas Wein und der verdammten Pistolenkugel in sein Arbeitszimmer zurückziehen. Und nach Brad fahnden, der ihm geschickt aus dem Weg ging. Raoul konnte seinen Daimon fühlen, er hielt sich immer ganz knapp außerhalb des Radius auf, in dem Raoul ihn hätte beim Kragen packen können. Es machte ihn rasend, wie das Gefühl, sich an einer unerreichbaren Stelle kratzen zu müssen.

Wenig später drehte er das beschlagene Glas mit einem angenehm kühlen Pinot Grigio zwischen den Fingern und starrte auf die Kugel hinunter, die auf einem Blatt Papier vor ihm lag. Das Geschoss war verformt, »aufgepilzt«, wie er es einmal einen Ballistiker hatte nennen hören. Raoul war kein Fachmann für Schusswaffen, aber so weit er es erkennen konnte, handelte sich um ein relativ kleines Pistolenkaliber. Nicht gerade die Waffe eines Profikillers.

Mit einem Seufzen stellte er das Glas ab und zog eine Schublade auf. Er war zu müde, um eine komplexe Untersuchung vorzunehmen, bei der allein die Vorbereitung mehrere Stunden in Anspruch genommen hätte. Jetzt musste eine flüchtige erste Ortung genügen.

Er holte die Streubüchse mit dem feinen weißen Vogelsand heraus, der zart nach Anis duftete. Dann die schwarze Ölkreide, das Fläschchen mit destilliertem Wasser, einen Korb mit glatten, flachen Flusskieseln, die mit Runen bemalt waren, eine Kerze und etwas Moos. Er dachte kurz nach und legte noch den Silberanhänger, der das Rad des Lebens zeigte, sowie eine winzige Nachbildung der Weltenesche aus Gold und eine aus Blei gegossene und schwarz lackierte Statuette der vielarmigen Kali Durga zu den anderen Dingen auf den Tisch.

Raoul trank noch einen Schluck Wein, rollte ihn im Mund herum und dachte nach. Er nahm seinen Montblanc, schraubte ihn auf und schrieb nach kurzem Nachdenken ein paar Worte auf die Unterlage, auf der die Kugel lag. »Tod«, schrieb er. »Schmerz. Blut. Verlust. Angst. Bosheit. Auftrag. Töten. Geld.« Er dachte kurz nach, strich das Wort »Bosheit« wieder aus und ersetzte es durch »Geschäft«. Während die dunkelviolette Tinte langsam trocknete, nahm er die Streubüchse und zog einen Kreis auf dem Tisch. In diesen Kreis zeichnete er sorgfältig mit der schwarzen Ölkreide ein Pentagramm, in dessen Ecken er die Kali Durga, das Lebensrad und die Weltenesche platzierte. Die beiden freien Spitzen besetzte er nach kurzem Überlegen mit etwas Moos und einem Runenstein, dann griff er nach dem Skalpell, das für solche Zwecke in einer Silberschale bereitlag, und zog es mit einer festen, schnellen Bewegung über seine Handfläche. Dann führte er die blutende Hand über die Runensteine und ließ ein gut bemessenes Quantum Blut auf sie herabtropfen. Nach kurzer Überlegung beträufelte er auch die Kali Durga.

Er lehnte sich zurück, wickelte ein sauberes Tuch um seine Hand und griff nach dem Weinglas. Der Pinot schmeckte zart nach Mandeln und Ananas.

Raoul spülte einen Schluck im Mund herum, beugte sich vor und sprühte den Wein behutsam auf das Pentagramm. Er tupfte sich den Mund ab und kehrte zu den aufgeschriebenen Worten zurück. Er strich alle Buchstaben durch, die doppelt vorkamen, schrieb die übrig gebliebenen neu auf und ordnete sie zu einer Art Muster. Das wiederholte er mehrmals, bis ihn das Ergebnis zufriedenstellte. Er warf noch einen kurzen Blick auf die Sigille, achtete darauf, sie sich einzuprägen und gleich wieder zu vergessen. Mit einer Silberpinzette hob er die Kugel vom Papier und legte sie in die Mitte des Pentagramms. Ein kurzer Befehl brachte die Kerze zum Brennen. Er nahm das Papier mit der Sigille und hielt es an die Kerzenflamme, und während das Papier verbrannte, drehte er es zwischen den Fingern und flüsterte auf Arabisch einen Bannspruch, der störende Einflüsse fernhalten sollte. Das letzte brennende Fetzchen warf er in die Silberschale, in der das blutige Skalpell lag, und wischte sich die Asche von den Fingern.

Jetzt brauchte er eine Pause. Raoul stand auf und ging zum Kühlschrank.

Eine Weile stand er an die Spüle gelehnt da und nippte an seinem Wein. Die gerade verbrannte Sigille malte feurige Muster auf seine Netzhaut. Er schob das Bild in einen Winkel seines Bewusstseins, aus dem er es jederzeit hervorholen konnte, und vergaß die Sigille erneut. Diesen Vorgang würde er möglicherweise noch ein weiteres Mal wiederholen müssen – es war sein Fluch, dass er über ein ausgezeichnetes visuelles Gedächtnis verfügte. Tora hatte sich immer darüber amüsiert. Sie konnte Sigillen produzieren und im selben Augenblick schon ganz und gar aus ihrem Gedächtnis verbannen, während Raoul sie immer noch Stück für Stück zur Tür hinausprügeln musste.

Er war so müde, dass er sich an den Schreibtisch zurückzwingen musste. Er blieb hinter dem Stuhl stehen und blickte auf das vorbereitete Pentagramm. Hatte er etwas vergessen? Sein Blut, die Kugel, die verbrannte Sigille – wieder musste er sie ins Vergessen schieben –, die Runen. Er griff nach dem destillierten Wasser und tropfte es sorgsam rund um den Kreis aus Vogelsand.

Alles war bereit. Raoul leerte seinen Geist von jeder Absicht. Dort war das Pentagramm. Zwischen ihnen bestand ein Band aus Blut. Er wollte nichts wissen, nichts erfahren, nichts erzwingen. Er senkte seine Lider, breitete die Hände über dem Pentagramm aus und ließ die Sigille entstehen. Flammend hell senkte sie sich auf den Aufbau, durchdrang die Gegenstände, verschmolz mit dem Blut, dem Wein und dem Wasser, blitzte noch einmal grell auf und verglühte.

Raoul stieß den unwillkürlich angehaltenen Atem aus und ließ sich in den Schreibtischsessel fallen. Er zog einen Stadtplan aus der Schublade und pflückte die Kugel aus dem Pentagramm, um sie sie in die Mitte des ausgebreiteten Plans zu legen. »Jetzt zeig es mir«, murmelte er. Die Kugel begann wild zu kreiseln, wie eine Kompassnadel, unter die man einen Magneten hält, und tanzte schlingernd auf dem Plan herum, bis sie endlich auf einem Punkt zur Ruhe kam.

Raoul pflückte sie ab und sah sich den Ort an. Die Patrone hatte einen kleinen Schmierfleck aus Ruß darauf hinterlassen, und dieser Fleck bezeichnete erstaunlich präzise – sein eigenes Haus.

Raoul fluchte und begann zu lachen. Die ganze Arbeit für die Katz – er hatte nichts weiter geschafft, als die Kugel auf sich zu prägen. Das konnte geschehen, wenn man die Sigille unsauber konstruierte, und wahrscheinlich hatte er genau diesen Teil des Zaubers verbockt. Er hätte nicht nach dem Auftraggeber des Killers suchen sollen, sondern nach dem Wurdelak selbst, dann wäre das Ergebnis wahrscheinlich zufriedenstellender ausgefallen. Aber um das Ritual erneut durchzuführen, musste er die Kugel zuvor von ihrer Prägung reinigen.

Raoul warf das Projektil wieder zu den anderen Sachen, wo es weiter vor sich hin kreiselte. Morgen. Er schleppte sich ins Schlafzimmer und ließ seine Kleider liegen, wo er aus ihnen herausgestiegen war, zog die Decke über sich und schlief schon tief und fest, als sein Kopf das Kissen berührte.

Raoul erwachte aus unruhigen Träumen, weil jemand sich unter seine Bettdecke schob. Raoul lag ein paar Atemzüge lang starr da und fragte sich, wo und wer er war und wieso ein offensichtlich weibliches Wesen sich so unvermutet vertraulich an seine Seite schmiegte. Dann legte er mit aufdämmernder Erkenntnis seine Hand behutsam auf den Kopf des unerwarteten Gastes und fragte leise: »Karla?«

Er spürte das Nicken und hörte, dass sie laut und stoßweise atmete. Seine Hand glitt an ihrer Wange entlang und erspürte Feuchtigkeit. Er fasste ein wenig beherzter zu, murmelte tröstende Worte, unsicher, wie er sich verhalten sollte und was sie von ihm erwartete. Aber allem Anschein nach tat er das Richtige, denn sie rutschte noch ein wenig näher, barg ihr Gesicht an seiner Brust und schniefte leise. Raoul brummte, wie er hoffte, beruhigend und legte behutsam seine Arme um sie. Karla erwiderte die Umarmung, und so lagen sie da, bis sie ruhig, seine Brust feucht und sein rechter Arm vollkommen eingeschlafen war.

»Besser?«, sagte er schließlich, als sie sich aufrichtete, nach einem Taschentuch angelte und ihre Nase putzte. »Was ist passiert?«

Er ahnte ein Kopfschütteln. Ihr helles Haar leuchtete in der Dunkelheit. Sie schnaubte noch einmal in ihr Taschentuch und sagte: »Danke. Ich gehe wieder in mein Bett.«

Seine Hand entwickelte ein bemerkenswertes Eigenleben. Raoul sah verblüfft zu, wie sie sich ausstreckte und nach Karlas Arm griff. »Bleib doch«, sagte er.

Sie zögerte. Dann seufzte sie und ließ sich zurücksinken. Er legte sich wieder hin und zog sie an sich. Ihr Kopf lag an seiner Brust, und der Duft ihrer Haare stieg in seine Nase. Es roch gut, wie Wald im Sonnenlicht.

Er dämmerte weg. Dunkle, gestaltlose Welt, ein See mit spiegelnd schwarzem Wasser, in dem er versank. Nur sein Herzschlag, sein Atem, das Rauschen des Blutes in seinen Ohren, dann nichts mehr.

»Du verdammtes Schwein!« Ein Faustschlag traf ihn und warf ihn zurück. Sein Kopf knallte gegen etwas Hartes, und einen Moment lang sah er nur Sterne. Er hob die Hände, aber zu langsam. Eine Ohrfeige ließ seine Zähne aufeinanderschlagen.

»He«, protestierte er. Er war vollkommen orientierungslos. »Du Drecksack, du verfluchter Scheißkerl«, schrie die Stimme, und wieder folgte ein Schlag, vor dem er sich dieses Mal rechtzeitig wegducken konnte. Seine Hand fuhr nach oben und packte das Handgelenk der Angreiferin. Sie schrie und wehrte sich wie eine Besessene.

Seine Erinnerung kehrte zurück. Karla. Sie war es, die auf ihn einschlug und ihn beschimpfte. Sie waren in seinem Schlafzimmer, in seinem Bett. Er hatte tief und fest geschlafen, bis …

»Karla«, brüllte er und schüttelte sie ein wenig. »Ich bin es! Raoul!«

Sie wehrte sich noch einen Moment lang, dann erstarb ihr Widerstand. Sie sackte zusammen. Raoul schob sie gegen die aufgetürmten Kissen und ließ sie los, dann betastete er vorsichtig die Schwellung unter seinem Auge und fuhr prüfend mit der Zunge über seine Zähne.

»Raoul«, wiederholte Karla und hob eine zitternde Hand, um das zerraufte Haar aus den Augen zu streichen. »Verdammt! Es tut mir leid. Ich wollte nicht dich schlagen.« Er sah den Zorn in ihren Augen blitzen wie Gewehrfeuer. »Dieser Scheißkerl hat sich aus dem Staub gemacht, damit du die Prügel abbekommst.«

Raoul seufzte. »Was auch immer er getan hat, ich entschuldige mich dafür.«

»Du kannst nichts dafür. Du warst vollkommen weggetreten, und er hat die Gelegenheit genutzt …« Sie biss sich auf die Lippe. Er konnte ihre Wut beinahe mit Händen greifen.

In seinem Mund war ein bitterer, saurer Geschmack. Er schloss die Augen, tauchte tief in sein Inneres und bekam seinen Daimon zu packen, der unvorsichtigerweise zu dicht unter der Oberfläche gelauert hatte, so begierig war er darauf, all diese heftigen Emotionen aufzusaugen: Karlas Zorn und seinen Schmerz, seine Überraschung und ihre aufgewühlten Gefühle.

Brad, fauchte er und hielt den sich windenden Daimon unbarmherzig fest. Du bleibst hier! Du bist mir längst Rechenschaft schuldig! Wie konntest du …

Der Daimon gab seinen Widerstand auf und ergab sich. Raouls Aufmerksamkeit ließ einen winzigen Moment lang nach, weil er Karlas Gegenwart so deutlich spürte wie eine Berührung und ihn das vollkommen verwirrte.

Brad sandte eine Welle von Triumph und mit ihr Information. Geballt, kompakt, komprimiert und im gleichen Moment, wie sie Raouls Gedächtnis berührte, sich aufblähend wie ein Fesselballon.

Raoul stöhnte und krallte die Hände in die Haut seines Gesichtes. Alles, was Brad in den Monaten, die er ihn eingesperrt hatte, erfahren und gesammelt hatte, wurde nun mit Gewalt in Raouls Gehirn gepresst. Ihm drohte der Kopf zu platzen. Er fühlte, wie seine Augen aus dem Schädel quollen, sein Gehirn sich vergebens mühte, all die angesammelten Daten auf einmal zu verarbeiten. Der Druck wurde ungeheuer stark. Raoul ließ sich aus dem Bett fallen und taumelte zur Tür. Er hörte in der Ferne, gedämpft wie durch dicke Lagen von Filz, wie Karla seinen Namen rief, aber er konnte nicht antworten. Er stürzte gegen den Türrahmen, tastete blind nach der Klinke und torkelte ins Bad. Seine Beine gaben unter ihm nach, und er fand sich auf allen vieren auf dem kühlen Fliesenboden wieder. Würgend. Schmerz und Druck in seinem Kopf, aufwallende Übelkeit. Blitze vor den Augen, Stiche in den Schläfen, ein Nacken, der steif und hart war und von dem aus Schmerzwellen durch seinen Körper jagten.

Raoul schleppte sich zur Toilette, hängte sich über die Schüssel und übergab sich qualvoll.

Ganz weit entfernt hörte er Schritte, Wasserrauschen. Ein feuchtes, kaltes Tuch schlang sich um seinen Kopf. Jemand half ihm, sich auszustrecken. Etwas Nasses rieb über sein Gesicht. Kühle, den tobenden Schmerz besänftigende Hände strichen über seine Schläfen. Der Druck begann nachzulassen, der Schmerz war immer noch heftig, aber nicht mehr von solch tödlicher Intensität wie vor einigen Minuten.

Wieder der kalte, nasse Lappen, der sich erleichternd auf seine Stirn und seine Schläfen legte. Karlas Hände, die den Schmerz aus ihm heraussaugten. Er schlug die Augen auf und erkannte, dass er auf dem Badezimmerboden lag und dass Karla ihn von hinten stützte. Sein Kopf ruhte an ihrer Schulter, ihre Wange drückte sich an seine, sie hatte die Augen geschlossen und berührte seine Schläfe und seine Schulter mit den Fingerspitzen. »Besser?«, fragte sie, ohne die Augen zu öffnen.

»Ja.« Er räusperte sich, weil seine Stimme versagte. »Ja«, wiederholte er.

Karla öffnete die Augen und half ihm, sich aufzusetzen. »Was hat er mit dir gemacht?«

Raoul atmete tief und kämpfte eine Welle von Übelkeit herunter. »Was hat er mit dir gemacht?«

Ihr Gesicht verschloss sich. »Geht dich nichts an, außer du hast vor, ihn endlich rauszuschmeißen«, erwiderte sie. »Bist du sicher, dass du keine Hilfe brauchst? Soll ich diesen Dr. Frankenstein …« Sie unterbrach sich und lächelte schwach. »Frankenheim. Er ist Psychiater.«

Raoul erwiderte das Lächeln ebenso verzerrt. »Genau. Danke, mir geht es ausgezeichnet, bis auf einen mörderischen Brummschädel. Und der wird sich legen, sobald ich all diese Informationen verarbeitet habe, die Brad mir gerade so unsanft ins Gehirn gerammt hat.« Er stemmte sich auf die Füße. »Gehen wir wieder schlafen. Er wird dich heute nicht mehr belästigen, wenn du also …«

Karla erwiderte seine unbeholfen einladende Handbewegung mit einem beinahe verlegenen Nicken. »Gerne. Du schnarchst nicht, das ist sehr angenehm.«

Sie lagen nebeneinander in der lichten Dunkelheit des Zimmers. Raoul betrachtete das Schimmern ihres Haars, das beinahe phosphoreszierende Glänzen im Weiß ihrer Augen. Karlas Atem ging ruhig, aber sie war wach.

Er bewegte sich vorsichtig, um seinen schmerzenden Kopf, der sich anfühlte wie ein zum Platzen gefüllter Ballon, in eine angenehmere Position zu bringen. An Schlaf war nicht zu denken. Vier verlorene Monate drückten schlimmer als eine unverdauliche Mahlzeit.

»Wofür hast du dich beworben?«, fragte er nach einer Weile.

Karla holte tief Luft. »Nichts Besonderes«, sagte sie mit flacher Stimme. »Ein Posten als Wachfrau und etwas Ähnliches bei einem Sicherheitsdienst. Ein Industrieller sucht einen Bodyguard mit erweiterten Fähigkeiten.« Sie schnaubte. »Eine Stelle als Ausbilderin, aber die werde ich nicht bekommen, solange ich keinen Zugang zum morphischen Feld habe.«

»Kannst du das nicht einklagen?«, fragte Raoul, den die Aufzählung grauste. Wachfrau. Bodyguard. Was für trübsinnige Aussichten! »Du bist gegen deinen Willen infiziert worden. Der Weiße Zweig müsste dich doch erst anhören, bevor er dich verdammt. Soll ich dir einen guten Anwalt …?«

»Das ist nicht deine Angelegenheit.«

»Doch«, erwiderte er sanft. »Du bist meine Freundin. Es bekümmert mich, dass du alles verloren hast, woran du glaubst.«

Sie schwieg. Nach einer Weile, in der er versunken ihrem Atem und dem Wummern in seinem Kopf gelauscht hatte, sagte sie: »Es hätte keinen Sinn. Perfido hat mich aus der Zelle geholt. Damit bin ich für alle Zeit erledigt.«

»Du könntest ihnen alles erklären.«

»Nein, das könnte ich nicht.« Karla drehte sich zu ihm herum. Ihr Gesicht war ein heller Fleck in der Dunkelheit. »Ich bin eine intime Verbindung mit einem Nachtgeborenen eingegangen. Das allein hätte schon für eine Abmahnung ausgereicht.«

»So streng sind eure Regeln?«

»Ja.« Er erahnte ein Lächeln. »Und jetzt stell dir eine Magistra vor, die wegen einer illegalen Liaison und der daraus resultierenden Kontaminierung verhaftet wurde und dann durch den regierenden Gangsterboss aus ihrer Zelle geholt wird.«

Raoul schnaubte. »Deine Vorgesetzten müssen dich doch kennen. Sie müssten wissen, dass du nicht die Seiten gewechselt hast.«

Karla seufzte. »Das ist schon gesetzestreueren Magistern passiert. Wenn du einmal infiziert wurdest, siehst du die Welt notgedrungen mit etwas anderen Augen.« Sie berührte sacht seine Schulter. »Es gefällt mir nicht, wie ich die Welt nun sehe, aber ich weiß, dass ich nicht zurückkann.« Ihre Berührung wurde fester. »Aber eins kann ich dir sagen: Wenn ich Kit Marley jemals in die Finger bekomme, ist er ein ganzes Stück toter, als ihm lieb ist!«

Raoul konnte trotz seines schmerzenden Kopfes nicht anders, er lachte. Er streckte den Arm aus und zog sie an sich. Karla legte den Kopf in seine Armbeuge. »Kannst du so liegen?«, fragte sie gähnend. »Ich werde jetzt schlafen. Bin hundemüde, und morgen früh ist doch diese Wohnungsbesichtigung …« Sie schlief ein, während sie noch redete.

Raoul rückte sich so zurecht, dass sein Arm nicht wieder taub wurde, und schloss die Augen. Er konnte ohnehin nicht schlafen, also würde er mit der Arbeit beginnen, sich den neuen Gedächtnisinhalt einzuverleiben.

Last days on Earth: Thriller
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