Beatrice öffnet die rotgeweinten Augen und löst sich aus meiner Umarmung.
»Danke, dass du gekommen bist, heute hätte ich es alleine nicht ausgehalten …«
»Was meinst du damit?«
»Ich habe Angst.«
»Wovor?«
»Alles zu verlieren, im Nichts zu enden, in der Stille, zu verschwinden und fertig, nie mehr die Menschen um mich zu haben, die ich liebe.«
In meinem Kopf lassen sich keine passenden Worte oder Sätze finden. Ich bringe nur die einzige Wahrheit heraus, die feststeht, wie die mächtigen Bäume, die allein inmitten eines grünen Feldes aufragen:
»Ich bin hier.«
Ich drücke ihre Hand, als könnte ich sie der Leere und der Angst entreißen, wie ein Trapezkünstler, dem das Leben seines Partners anvertraut ist, ohne Netz und doppelten Boden.
»Schreib …«
Ihr Murmeln ist kaum zu verstehen, und ich muss mich dicht zu ihr hinunterbeugen, um sie zu hören. Ihr Atem ist heiß und rau wie Eisen auf Stein. Ich schreibe auf, was Beatrice mir zuwispert; als sie fertig ist, hält sie mir das Tagebuch hin:
»Nimm es. Heb es auf. Heute bin ich fertig mit Schreiben. Ich schenke es dir.«
Das kann ich nicht: Ich schüttele den Kopf und lege es neben sie.
»Ich dachte, ich hätte es für mich geschrieben. Aber ich habe begriffen, dass ich es für dich geschrieben habe. Es ist das Einzige, was ich dir schenken kann und will, Leo.«
Ich habe keinen Widerspruch erhoben.
»Eines Tages lesen wir es zusammen, Beatrice.«
Sie hat mich angelächelt.
»Ja, und jetzt geh. Es ist spät geworden. Ich bin müde.«
Ich wollte ihr auch etwas schenken, aber ich hatte nichts dabei. So konnte ich nicht gehen. Ich habe in meinen Taschen herumgewühlt. Nichts, bis auf … der blauschillernde Stein, den ich in ihrem Wohnzimmer geklaut habe. Wie peinlich! Aber es ist das Einzige, was ich habe. Ich lege ihn in ihre Hand, als wäre es ein Diamant:
»Mein Glücksbringer, du sollst ihn haben.«
Beatrice lächelt, und in ihren Augen leuchtet der Himmel.
»Danke.«
Ich küsse sie auf ihr rotes Haar, und plötzlich füllt sich mein Leben mit ihrem Blut.
»Bis zum nächsten Mal.«
»Bis zum nächsten Mal.«
Ich drücke Beatrices Tagebuch fest an meine Brust, als wäre es meine Haut. Ich muss daran denken, dass ich das Einzige, was ich ihr schenken konnte, in ihrer Wohnung gestohlen habe. Ich habe nichts zu verschenken, abgesehen von der Liebe, die ich bekomme oder anderen stehle. Ehe ich Beatrices Haus verlasse, nehme ich mir einen neuen blauen Stein. Ich kann schließlich nicht ohne meinen Glücksbringer sein …