Ein Picknick im Park

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Ellie streckte gerade die Hand nach dem Türklopfer aus, als die Tür zu Lord Pembrokes Haus nach innen schwang. Dort stand Winnie und strahlte. Sie hatte ihr Haar unter einem entzückenden kleinen Hut hochgesteckt und trug ein hellgelbes Kleid, das wie der Inbegriff des Frühlings aussah. Ellie kam sich im Vergleich dazu schrecklich schäbig vor. Ihr bestes Kleid hätte noch nicht einmal mit Winnies schlechtestem mithalten können, aber Winnie rief trotzdem, dass sie ganz allerliebst aussähe. Sie ergriff Ellies Hände und zog sie ins Haus. „Herein, herein! Ich bin gerade mit den letzten Vorbereitungen beschäftigt. Ich hoffe, Sie sind hungrig. Ich habe gekochte Eier, kaltes Brathähnchen und einige wundervolle Süßigkeiten.“ Sie plauderte fröhlich vor sich hin, während sie Ellie in die Küche führte. Dort wartete ein großer Weidenkorb, der mit köstlichen Gerichten gefüllt war. Ellie knurrte der Magen. Abgesehen von einigen schalengesprenkelten Bissen von Winnies Frühstück und einem altbackenen Brötchen im Büro hatte sie den ganzen Tag noch nichts gegessen. Nach einem Morgen, der daraus bestanden hatte, gegen Einbrecher zu kämpfen und für Zeitungen zu schreiben, würde jeden der Heißhunger überfallen.

„Ist Lord Pembroke hier?“, fragte Ellie und sah sich um.

„Oh, bitte, Sie müssen ihn Pimm nennen, jeder tut das. Wenn Sie ‚Lord Pembroke‘ sagen, habe ich das Gefühl, ich müsste knicksen oder so etwas. Schließlich ist er ganz und gar nicht vornehm. Er ist nur der jüngere Sohn eines Marquis.“

„Oh“, sagte Ellie schwach, „nur?“

Winnie schmunzelte. „Es klingt vielleicht beeindruckend, aber es bedeutet wirklich nur, dass einer seiner Ahnen irgendetwas getan hat, das irgendeinem König gefiel. Selbst Pimms älterer Bruder kann keine größere persönliche Leistung vorweisen als die erfolgreiche Verwaltung des Familienbesitzes.“ Sie seufzte. „Ich selbst könnte auf die Ehrentitel dankend verzichten. Sehe ich für Sie etwa wie eine ‚Lady Pembroke‘ aus?“ Winnie nahm einen gelben Sonnenschirm vom Tisch und betrachtete ihn kurz stirnrunzelnd. Dann sah sie Ellie wieder an und blinzelte. „Sie werden natürlich wissen wollen, wo er ist. Pimm, meine ich. Er hofft, später zu uns stoßen zu können, aber leider kann er im Augenblick nicht hier sein. Er ist außer Haus. Geschäftlich, scheint mir, obwohl Sie darüber wahrscheinlich mehr wissen als ich. Zurzeit sind Sie ja wohl seine Partnerin bei der Verbrechensbekämpfung.“

„Es tut mir schrecklich leid, ich wollte mich nicht …“, setzte Ellie an, doch sie brach ab, als Winnie den Kopf in den Nacken warf und lachte.

„Ach, du meine Güte, klang das, als sei ich eifersüchtig? Bitte, seien Sie versichert, das bin ich nicht im geringsten. Pimm hat seine Interessen, und ich habe meine. Obwohl wir natürlich Busenfreunde und großartige Kameraden sind, hat jeder von uns sein eigenes Leben. Diese Vorstellung von den getrennten Bereichen, Sie wissen schon, nach der die Männer draußen das Geld verdienen und die Frauen den Haushalt führen? Bei uns ist es ähnlich, nur dass ich meine Basteleien und meine Salons habe, während Pimm seinen Club und seine Verbrechen hat. Hin und wieder helfe ich ihm in seinen Angelegenheiten oder er mir in meinen, aber tatsächlich halten wir uns am liebsten an unsere Vereinbarung. Sie müssen nicht fürchten, mich aus meiner Position verdrängt zu haben.“

„Ich, ähm, ich war nie verheiratet“, gab Ellie zu. „Ich nehme an, jede Ehe ist anders, auf ihre Weise.“ Nach Winnies lässiger Beschreibung klang es allerdings eher so, als seien sie gute Freunde, die zusammenlebten, anstatt Mann und Frau.

„Manche sind anderer als die übrigen“, meinte Winnie trocken und hob den riesigen Korb hoch, als wöge er gar nichts. „Kommen Sie. Ich habe Pimm gebeten, uns eine Droschke zu mieten, und sie müsste bald hier sein. Wir haben zwar eine eigene Kutsche, wissen Sie, doch Pimms Kammerdiener Ransome war unser Mann für alles. Neben seinen anderen Pflichten diente er uns auch als Kutscher, und seit er uns verlassen hat, sitzen wir schlichtweg auf dem Trockenen. Wir müssten Gespräche mit geeigneten Kandidaten führen, um Ersatz zu finden, doch das ist so mühselig.“

Ellie folgte Winnie zur Tür hinaus und fühlte sich dabei ein wenig, als hätte ein Schiff sie in seinem Kielwasser mitgerissen. Draußen wartete eine offene Hansom-Kutsche. „Pimm hat lieber geschlossene Kutschen“, erzählte Winnie, während der Fahrer sich an den Hut tippte und den Picknickkorb auf den erhöhten Kutschbock hob. „Ich glaube, er mag es, unbemerkt die Leute zu beobachten. Aber an einem Frühlingstag wie heute ist es schön, unter freiem Himmel zu sitzen, nicht wahr?“

Nachdem Ellie und Winnie sich gesetzt hatten, befahl Winnie dem Kutscher, sie zum Hyde Park zu bringen, an ein nettes Plätzchen unter den Bäumen. Der Mann gab dem Pferd die Zügel und ließ es über die Pflastersteine klappern.

Winnie nahm Ellies Hand und lächelte sie an. „Ich habe das Gefühl, dass wir gute Freundinnen werden, Ellie.“

„Das wäre schön“, sagte Ellie, und zu ihrer Überraschung meinte sie es wirklich so. Winnie war zwar wesentlich höhergestellt als Ellie, doch sie hatten ungefähr das gleiche Alter, und die überschwängliche Wärme der anderen Frau war ansteckend. „Winnie, wie viel wissen Sie über Pimms Geschäfte?“

„Oh, er erzählt mir eine Menge. Nicht alles, möchte ich wetten, aber doch das meiste.“

„Wenn er Geheimnisse für sich behält, tut er das sicherlich nur, weil er Sie nicht beunruhigen möchte.“

„Ha“, sagte Winnie. „Wenn er Geheimnisse für sich behält, dann tut er das, weil er weiß, dass ich nicht damit einverstanden bin, wie er die Dinge handhabt.“ Sie warf Ellie einen Seitenblick zu. „Ich glaube, Sie haben ein falsches Bild von mir, Ellie. Ich bin nicht sonderlich vornehm. Als Pimm und ich geheiratet haben, gab es sogar einen kleinen Skandal. Was meine Rolle bei seiner Arbeit angeht: Sie haben seinen elektrifizierten Gehstock im Einsatz erlebt, nicht wahr?“

Ellie nickte.

„Ich habe ihn gebaut.“

„Sie! Sie sind eine Erfinderin?“

Winnie winkte ab. „Tatsächlich eher eine Bastlerin. Ich muss gestehen, dass ich selten neue Dinge erschaffe. Aber ich bin gut darin, die Entwürfe anderer Leute zu kombinieren, zu verbessern und eine Verwendung dafür zu finden, die ihre Schöpfer nie beabsichtigt haben. Zusätzlich zu dem Gehstock habe ich noch eine Reihe anderer Geräte gebaut, die Pimm schon des Öfteren bei seiner Arbeit gebrauchen konnte. Sind Sie überrascht?“

„Ich nehme an, ich habe mir vorgestellt, dass Sie formelle Teepartys ausrichten“, gab Ellie zu. „Dass Sie Wohltätigkeitsarbeit tun. Vielleicht auch …“

„Einkaufen?“, schlug Winnie vor und lächelte. Tatsächlich war es eher ein breites Grinsen und alles andere als weiblich. „Manchmal. Allerdings kaufe ich wahrscheinlich nicht das ein, was sie denken. Betrachten Sie mich als einen von Pimms Mitarbeitern, wenn Sie möchten. Ich merke, dass Sie wegen irgendetwas in Sorge sind. Ihre Enttäuschung über Pimms Abwesenheit ist nicht allein dem Verlust seiner angenehmen Gesellschaft geschuldet. Was beschäftigt Sie?“

„Ich … Es ist schwierig.“ Ellie holte tief Luft. „Versprechen Sie mir, dass Sie es niemandem erzählen?“

„Sie wissen gar nicht, wie gut ich Geheimnisse für mich behalten kann“, sagte Winnie. Sie wies mit dem Kopf auf den Kutscher, der auf dem Kutschbock vor ihnen saß. „Aber vielleicht sollten Sie sich die Geheimnisse aufheben, bis wir uns im Park niedergelassen haben?“

„Eine weise Entscheidung.“

In freundlichem Schweigen fuhren sie dahin, bis sie den großen Park erreichten. Dort angekommen zeigte Winnie auf etwas und rief: „Was wird denn dort gebaut?“

Ellie betrachtete aufmerksam die Baustelle. „Es sieht aus wie eine Art Bühne. Oh ja, natürlich, Bertram Oswalds Weltausstellung.“ Allein der Name dieses Mannes und die Erinnerung an seine kalten Augen im Bordell ließen Ellie schaudern. „Sie beginnt heute Abend, nicht wahr? Heute Abend soll eine Art Eröffnungsfeier im Park stattfinden, und danach werden das ganze Wochenende lang Sehenswürdigkeiten ausgestellt, es wird einen großen Pavillon geben, und so fort.“

„Ach ja, ich habe von der kleineren Ausstellung gelesen“, sagte Winnie. „Etwas bescheidener als die große Weltausstellung soll sie sein, und allein Oswalds Schöpfungen gewidmet. Er kommt mir äußerst eingebildet vor, obwohl seine wissenschaftlichen Fähigkeiten sich nicht bestreiten lassen.“

Zu diesen Fähigkeiten gehörten vermutlich auch die Erschaffung und Instandhaltung mechanischer Huren, doch weil der Kutscher möglicherweise zuhörte, machte Ellie keine dahingehende Bemerkung. Stattdessen zeigte sie auf einen Haufen Messingröhren, die alle merkwürdig gekrümmt waren und von einer Gruppe Arbeiter zusammengefügt wurden. Einer der Männer betrachtete einen gedruckten Plan und gab den anderen Anweisungen. „Was könnte das nur sein?“

„Etwas Weltbewegendes, ohne Zweifel“, sagte Winnie. „Vielleicht kann es in dreihundertfacher Geschwindigkeit eine Kanne Tee kochen? Oder auf Knopfdruck ein köstliches warmes Essen zubereiten?“

„Das wäre ein Triumph der Wissenschaft“, sagte Ellie, und sie lachten.

Der Kutscher fuhr um den Park herum und entfernte sich vom Ausstellungsgelände, bis Winnie ihn anwies, an einem der Tore zu halten und sie dort aussteigen zu lassen. Auf dieser Seite gab es viele Spaziergänger, spielende Kinder und noch andere Leute, die picknickten. Winnie führte sie tiefer in den Park hinein, fort aus der belebten, sonnigen Gegend, damit sie sich freier unterhalten konnten. Sie breiteten eine Decke aus und ließen sich unter einem Baum nieder, obwohl es im Schatten noch recht kalt war. Der Korb war geschickt zusammengeklappt und besaß mehrere Fächer, und Winnie packte Porzellanteller und Silberbesteck aus. „Nun erzählen Sie mir Ihre Geheimnisse, meine Liebe“, sagte sie. Ellie sah sich um, um sicherzugehen, dass sie allein waren, dann holte sie tief Luft. „Vor zwei Tagen habe ich mich als Mann verkleidet, um an eine Geschichte für meine Zeitung zu kommen. Sie haben ja meine Verkleidung gesehen. So erhielt ich Zutritt zu einem dieser, ähm, Häuser des besonderen Geschmacks.“

„Ein mechanisches Bordell?“, sagte Winnie, während sie gebratenes Hähnchen servierte. „Oh, wie wundervoll! Ich habe mich schon immer gefragt, wie sie wohl sind.“

„Sie sind furchtbar“, sagte Ellie entschieden. „Obwohl mein Bild dadurch getrübt sein mag, dass ich fast getötet wurde. Sehen Sie, ich nutzte die Gelegenheit, um mich umzusehen, und in einem der Zimmer überraschte ich Bertram Oswald. Er schien an einer der Maschinen zu arbeiten und war ganz und gar nicht erfreut, gesehen zu werden.“

Winnie stieß einen leisen Pfiff aus. „Ich kann mir vorstellen, warum. Zwar sind diese Häuser im Grunde legal, aber Pimm meint, dass sie alle von Verbrechern wie Abel Value geführt werden. Wenn der engste Vertraute der Königin mit so jemandem Umgang hat, könnte das fatale Folgen haben.“

Ellie nickte und erzählte, wie sie aus dem Zimmer geflüchtet und auf welche Weise sie schließlich aus dem Bordell entkommen war.

„Das ist ungemein klug“, meinte Winnie anerkennend. „Männer nehmen meist nur das Oberflächliche und Offensichtliche wahr. Schön, dass Sie diese Angewohnheit gegen sie verwenden konnten. Aber warum habe ich diese Geschichte noch nicht auf der Titelseite des Argus gelesen?“

„Oh, ich habe heute Morgen ein paar Zeilen darüber geschrieben, wie es in den Bordellen ist, aber meine anderen Abenteuer habe ich unerwähnt gelassen. In gedruckter Form Anschuldigungen gegen Sir Bertram zu erheben, ohne Beweise zu haben, erschien mir wenig vernünftig. Außerdem ist die Angelegenheit noch übler, als sie scheint. Einer der Männer, der mich im Bordell verfolgte, war letzte Nacht dabei, als ich Lord Pem... Pimm bei seinen Ermittlungen half. Er erkannte mich, oder besser gesagt, meine Verkleidung als Jenkins. Außerdem muss er Ihr Haus beobachtet haben. Heute Morgen ist er mir hinaus gefolgt.“ Sie erzählte Winnie, wie Crippen in ihr Wohnheim eingebrochen und von ihrer Vermieterin verjagt worden war.

„Oje.“ Winnies Miene verdüsterte sich, und es war, als hätte sich eine Wolke vor die Sonne geschoben. „Sie hätten nicht zum Mittagessen kommen sollen. Sie hätten sich besser brieflich entschuldigt.“

„Wie meinen Sie das?“

„Man hat Jenkins in Ihr Haus gehen sehen“, sagte Winnie. „Natürlich ist es ein Wohnheim, daher …“

„Gibt es keinen Grund, mich persönlich mit Jenkins in Verbindung zu bringen“, ergänzte Ellie, und dann dämmerte es ihr. Oder, besser gesagt, es wurde dunkel. Sie stöhnte auf. „Abgesehen davon, dass ich zu Lord Pembrokes Haus gegangen bin, kurz nachdem Crippen vertrieben wurde. Man weiß, dass Jenkins mit Pimm zusammenhängt, und wenn man Sie und mich zusammen sieht, wird man vermuten, dass auch ich Pimm kenne, und …“

„Dass Sie Jenkins kennen. Man wird annehmen, dass Sie ihn im Kleiderschrank versteckt hatten oder Ähnliches, als Crippen einbrach. Das heißt, Ellie Skyler wird von einer völlig unbedeutenden Person zu jemandem, für den sich Sir Bertram brennend interessiert. Darüber hinaus könnte man sich, da Sie ja Journalistin sind, allerhand Verschwörungstheorien zusammenspinnen. Etwa, dass Sie und Jenkins Abel Value oder Sir Bertram öffentlich entlarven wollen, sei es mit oder ohne Pimms Hilfe. Während Pimm zu einem gewissen Grad durch seine Berühmtheit, seine Freunde und seine Familie geschützt ist, haben Sie kein solches Schild.“ Winnie kratzte das Huhn von den Tellern und fing an, das gerade ausgepackte Essen wieder einzupacken. „Laufen Sie, Ellie. Gehen Sie in Ihr Büro, irgendwohin, wo viele Menschen sind. Ich werde Pimm wissen lassen, was geschehen ist, und wir werden uns bei Ihnen melden. Wir finden einen Weg, für Ihre Sicherheit zu sorgen, bis wir all das wieder in Ordnung bringen können. Nun machen Sie, dass Sie wegkommen!“

Ellie nickte knapp, stand auf und begann, nach Norden zu gehen. Plötzlich hielt sie inne.

Unter den Bäumen in der Nähe standen einige Personen, die sie beobachteten. Sie trat einen Schritt zurück und setzte sich wieder auf die Decke. „Winnie“, sagte sie. „Diese Frauen, die gerade zu uns hinübersehen …“

„Mmm? Ellie, Sie sollten jetzt wirklich …“ Sie brach ab. „Sie haben etwas Merkwürdiges an sich, nicht wahr? Wie sie dastehen, so regungslos.“

„Ich erkenne eine von ihnen wieder“, sagte Ellie mit belegter Stimme. „Delilah. Ich weiß nicht, ob dieses eine Ding so heißt oder ob es der Name des Modells ist.“

Winnie fluchte, aber Ellie war zu verängstigt, um schockiert zu sein. „Sie sind wirklich mechanisch?“, fragte Winnie. „Aber sie sind doch gewiss nicht weit genug entwickelt, um …“

Die mechanischen Frauen waren zu sechst und für den Park eher zu fein gekleidet, doch wahrscheinlich besaßen sie keine Kleider, die nicht fürs Schlafzimmer oder für den Tanzsaal gedacht waren. Sie kamen aus allen Richtungen und schienen gezielt zu Ellie und Winnie zu streben.

Winnie hob ihren Sonnenschirm hoch und seufzte. „Ich hätte lieber den Sonnenschirm mit eingebauter Luftpistole mitnehmen sollen. Ich hatte mich auf einen netten Ausflug in den Park eingestellt. Nicht dass ein Einschussloch irgendeines dieser Dinger aufhalten würde. Ihre Bewegungen sind so lebensecht, sind Sie sicher, dass es sich um Automaten handelt? Ich glaube, Sie haben Recht mit der Annahme, dass Oswald sie entworfen hat. Der Mann ist ein Genie, ganz gleich, was seine Fehler sein mögen. Ich würde liebend gern eines von ihnen öffnen und herausfinden, wie es funktioniert.“

„Winnie“, sagte Ellie, „Was sollen wir tun?“

„Wahrscheinlich können wir ihnen davonlaufen“, sagte Winnie. „Ihre Schuhe sind viel unpraktischer als unsere. Aber ich bezweifle, dass sie allein hier sind. Ich vermute, dass sie einen menschlichen Führer dabeihaben oder zumindest einen Aufseher. Ich schlage vor, dass wir uns schnellstens in einen belebteren Teil des Parks begeben.“ Sie stand da und hielt ihren Sonnenschirm wie einen Degen, während sie auf die herannahenden Automaten starrte, die nur noch knapp zehn Meter entfernt waren.

„Aber, aber, meine Damen. Kein Grund, gleich fortzulaufen.“ Ein junger Mann, den Ellie noch nie gesehen hatte, schlenderte zwischen zwei Bäumen hervor. Er hatte einen Gehstock in der Hand, dessen Spitze auf seiner Schulter lag, und Ellie konnte sich gut vorstellen, dass er ihn wie einen Kricketschläger benutzen würde. Er schloss sich den künstlichen Frauen an, die nun einen Kreis um Ellie und Winnie bildeten. Die mechanischen Gestalten waren alle genau gleich groß, fiel Ellie auf, nur wenig kleiner als sie selbst, und ihre Gesichter waren bis auf die Hautfarbe ebenfalls fast identisch. Diese Einheitlichkeit war unheimlich. „Mein Auftraggeber möchte lediglich einige Worte mit Ihnen wechseln.“

„Ellie, ist das Crippen?“, fragte Winnie.

„Sie verletzen mich.“ Der Mann drückte die Hand an die Brust. Er hatte einen gepflegten schwarzen Schnurrbart und funkelnde blaue Augen. „Crippen ist nur ein Schläger. Anscheinend schafft er es nicht einmal, jemandem zu folgen, ohne es zu verpfuschen, deshalb hat mein Auftraggeber mich geschickt. Mein Name ist Ronald Carrington. Ich bin der Privatsekretär von … nun, nicht von Abel Value. Auch wenn er und ich wohl demselben Herrn dienen.“

„Sie arbeiten für Oswald“, sagte Ellie.

„Dazu kann ich mich keinesfalls äußern, Miss Skye“, sagte er und betonte dabei ihr Pseudonym. „Ihr Artikel über die Familien der Opfer des Morbus Konstantin war wirklich sehr bewegend. Wären Sie nun so freundlich, mit mir zu kommen? Mein Dienstherr würde gern mit Ihnen über … oh, über allerlei Dinge sprechen.“

„Wie kommen Sie darauf, dass wir ruhig mitgehen werden?“, fragte Winnie.

Er gab den Gehstock an den Automat zu seiner Linken weiter, der buschiges, honigblondes Haar hatte. Sie nahm den Stock, drei Fuß langes Massivholz, in beide Hände und brach ihn so mühelos entzwei, wie Ellie einen Zweig zerbrochen hätte. „Diese Maschinen sind bemerkenswert“, meinte Carrington im Plauderton. „Ich habe keine Ahnung, warum man sie so stark gemacht hat. Das ist nicht mein Gebiet. Aber Tatsache ist, dass die Maschinen Sie ohne Schwierigkeiten überwältigen können, falls Sie sich wehren sollten. Deshalb lassen Sie uns doch einfach höflich zueinander sein.“

Winnie schmetterte ihm ihren Sonnenschirm ins Gesicht. Carrington kreischte wie eine verletzte Taube, stolperte rückwärts gegen einen der Automaten und riss ihn nieder. In einem Durcheinander menschlicher und künstlicher Glieder gingen sie zu Boden. „Lauf!“, rief Winnie. Sie hob ihren Rock und versuchte, zwischen zwei der mechanischen Frauen hindurch zu schlüpfen. Sie ergriffen ihre Arme, und als sie den Mund öffnete, um zu schreien, hielt eine von ihnen Winnie mit ihrer hübschen Hand den Mund zu. Winnie biss zu, doch der Automat reagierte überhaupt nicht.

In dem Gefühl, ihrer Freundin nicht das Wasser reichen zu können, öffnete Ellie den Mund und wollte um Hilfe rufen. Einer der Automaten packte sie von hinten und hielt ihr ebenfalls den Mund zu. Carrington stand auf und zuckte vor Schmerz zusammen, dann strich er sich den Schnurrbart glatt. „Dank Ihnen sitzen meine Zähne nun locker, Lady Pembroke. Ich wusste, dass Sie niederer Herkunft sind, aber niemals hätte ich ein solch unfeines Verhalten erwartet. Kommen Sie nun friedlich mit, oder soll ich diese Prachtexemplare mechanischer Jungfernschaft anweisen, Sie in Ohnmacht zu befördern? Hmm? Oh, lasst sie doch sprechen.“ Er wies auf Ellie. Der Automat nahm seine Hand fort.

„Ich würde Mr. Oswald sehr gern kennen lernen“, sagte Ellie, überrascht und erfreut darüber, wie fest ihre Stimme klang. „Schließlich ist er Gegenstand eines Leitartikels in der morgigen Zeitung. Ich sollte ihn für meine Folgegeschichte befragen. ‚Sir Bertram äußert sich zu Vorwürfen des Verbrechens‘, etwas in dieser Art.“

„Ich bin mir sicher, dass er all Ihre Fragen gern beantwortet“, sagte Carrington. „Er liebt es zu reden. Was ist mit Ihnen, Lady Pembroke?“

Der Automat nahm die Hand von Winnies Mund. „An dieser Stelle sollte ich sagen: Warten Sie nur, bis mein Mann herausfindet, was Sie getan haben. Es stimmt, Lord Pembroke kann sehr heftig werden, wenn man ihn erzürnt. Aber er soll sich ruhig auf Oswald konzentrieren. Sie, Mr. Carrington, sollten sich Sorgen machen, was ich persönlich Ihnen antun werde, um Ihnen Ihre Taten zu vergelten.“

„Aber, aber, Freddy“, sagte der Mann und lächelte auf eine unangenehme, hintergründige Art, die Ellie nicht ganz verstand. „Das ist aber nicht sonderlich damenhaft. Kommen Sie, auf uns wartet eine Kutsche.“

Pimm wird uns finden, dachte Ellie. Er wusste, dass wir in den Park gehen wollten, und er ist gut darin, Spuren zu folgen. Doch während sie weggeführt wurde, sah sie, wie die mechanischen Frauen bereits den Picknickkorb und die Decke aufhoben und so jeden Hinweis auf ihre Anwesenheit und ihren plötzlichen Aufbruch entfernten.

Nun gut. Wenn sie von außen keine Rettung erwarten konnten, würden sie sich eben selbst retten müssen.