Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann
Er versucht, mich zu schockieren, dachte Pimm und zeigte nicht, dass er tatsächlich schockiert war. „Ihre Huren, Mr. Value?“ Man hatte Prostitution lange als notwendiges Übel geduldet. Mittlerweile war sie durch einen Sonderentscheid des Parlaments für illegal erklärt worden, als man die vollen Auswirkungen von Morbus Konstantin und dessen häufigsten Übertragungsweg erkannt hatte. Die mechanischen Bordelle, die entstanden waren, um die Nachfrage nach menschlichen Prostituierten zumindest teilweise zu decken, bewegten sich im Moment noch in einer rechtlichen Grauzone. Offiziell wurden sie als „Vergnügungsarkaden“ eingestuft, die sich nicht von Spielhallen oder von den Schauräumen, in denen man für einen Penny die Automaten besichtigen konnte, unterschieden. Allerdings waren sie wesentlich teurer und hatten einen exklusiveren Kundenkreis. Doch indem er zugab, menschliche Prostituierte zu beschäftigen, gestand Value ein schwerwiegendes Verbrechen.
„Ich denke, wir können die Diskretion langsam hinter uns lassen, oder, Halliday? Sie sind kein Polizeiinspektor, auch wenn ich mir habe sagen lassen, dass Sie ebenso viel trinken wie die meisten Polizisten. Ich könnte Ihnen den Mord an einem Erzbischof gestehen, und es würde keine Rolle spielen. Es würde lediglich mein Wort gegen Ihres stehen, und mich haben schon bessere Männern weitaus schlimmerer Verbrechen bezichtigt. Deshalb: ja, meine Huren. Natürlich arbeiten sie weiterhin unabhängig. Frauen, die keine Wahl haben, treffen persönliche Vereinbarungen mit Männern, die keinen Verstand haben, aber ich verwalte das Ganze. Deshalb zahlen mir sehr viele Huren in London einen gewissen Anteil. Als Gegenleistung für ihre Abgaben biete ich ihnen sichere Orte, wo sie ihr Gewerbe ausüben können, sowie Schutz vor der Polizei und vor noch fragwürdigeren Gestalten.“ Er beugte sich vor und umfasste dabei den silbernen Knauf eines Gehstocks, den er mit Sicherheit nicht zum Gehen brauchte. „Doch jetzt ist das alles aus dem Gleichgewicht geraten. Für die Damen ist es ihr Geld nicht mehr wert. Jemand bringt sie um.“
„Mord ist Sache von Scotland Yard.“
„Die Bullen kann ich nicht gebrauchen. Die wissen nicht einmal, dass diese Verbrechen überhaupt passiert sind.“
Pimm runzelte die Stirn, ungewollt interessiert. „Wie das?“
„Die Leichen landen vor meiner Tür. Jedenfalls im übertragenen Sinne. Sie werden vor meinen exklusiveren Etablissements abgelegt. Den legalen Häusern. Ich ziehe es vor, nicht die Polizei zu verständigen. Diese Art von Aufmerksamkeit ist in vielerlei Hinsicht schlecht fürs Geschäft.“
„Exklusive Etablissements? Die Häuser mit den mechanischen Kurtisanen?“ Beim Gedanken an solche Geschöpfe musste Pimm ein Schaudern unterdrücken. Er liebte Frauen oder hatte zumindest manche Frauen geliebt, obwohl diejenige, die er am meisten geliebt hatte, schon fast ein dutzend Jahre tot war. Die Vorstellung eines intimen Verhältnisses mit etwas, das im Grunde nur eine riesengroße Puppe war, war bestenfalls komisch und schlimmstenfalls grauenerregend.
„Ja.“ Value seufzte. „Ich vermisse wirklich die alten Zeiten, als echte Mädchen noch von ihren Körpern leben konnten, ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass die Polizei sie verfolgt. Oder dass sie krank werden und sich in Männer verwandeln. Die mechanischen Huren sind auch teuer herzustellen. Sie kommen nicht wie normale Mädchen einfach in die Stadt, um ihr Glück zu suchen. Zugegeben, wenn sie fertiggestellt sind, fallen nur noch Reinigungs- und Wartungskosten an, und die mechanischen Mädchen beklagen sich nie. Sie werden niemals schwanger und bekommen nie die Pocken. Ich will nicht behaupten, dass sie nicht profitabel seien, das sind sie durchaus. Aber obwohl meine mechanischen Mädchen garantiert frei von Krankheiten sind, weigern sich sehr viele Männer, sich mit einem Automaten Erleichterung zu verschaffen. Da spielt es keine Rolle, wie klug er konstruiert ist. Meist kommen die Männer nur einmal, um den Reiz des Neuen zu erleben, und danach kommen sie nie wieder.“ Er pochte mit seinem Stock auf den polierten Fußboden. „Trotz all der Veränderungen, die wir in den letzten Jahren erlebt haben, sind die meisten Männer noch sehr konservativ. Wir sind noch nicht so weit, dass wir menschliche Huren vollständig ersetzen könnten. Noch nicht.“
„Aus diesem Grund lassen Sie noch immer echte Frauen für sich arbeiten, draußen auf der Straße“, meinte Pimm.
„Natürlich. Männer bleiben Männer, Lord Pembroke, und sie tun, was Männer eben tun, selbst wenn es dem Parlament missfällt und sie Gefahr laufen, krank zu werden. Aber auch das Straßengeschäft ist in letzter Zeit sehr zurückgegangen. Es geht ein Gerücht um, dass einige Männer, die in Frauen verwandelt wurden, nun selbst als Huren arbeiten und aus reiner Bosheit versuchen, die Krankheit zu verbreiten. Jeder halbwegs besonnene Mann ist außergewöhnlich vorsichtig. Natürlich waren auch früher viele Huren krank. Aber für die meisten Männer ist es anscheinend weniger schlimm, eine nässende Wunde auf ihrem Schwanz zu haben als überhaupt keinen Schwanz mehr.“ Value lachte, das Geräusch klang wie ein Rasiermesser, das über Bartstoppeln kratzte. „Früher hat man seinen Penny gezahlt und sein Glück versucht, aber die Pennys werden weniger. Das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist jemand, der die wenigen Frauen umbringt, die noch Geld für mich verdienen.“
„Hmm“, machte Pimm und beschloss, vorerst zu ignorieren, dass Value einen durch und durch widerwärtigen Charakter besaß. Stattdessen konzentrierte er sich auf die aktuellen Verbrechen. „Jemand bringt menschliche Prostituierte um und hinterlässt sie vor einem Haus voll künstlicher Frauen? Das scheint eine Art Botschaft zu sein, meinen Sie nicht? Auch wenn ich gestehen muss, dass mir die genaue Bedeutung des Kommentars verborgen bleibt.“
„Die Motive des Mörders interessieren mich nicht. Nur seine Taten. Finden Sie heraus, wer er ist, und teilen Sie mir seinen Namen mit, dann werden meine Männer ihn unschädlich machen.“
Pimm schüttelte den Kopf. „Ich will nicht leugnen, dass es ein interessantes Problem ist. Vielleicht besitzt es sogar einige unterhaltsame psychologische Elemente, aber ich kann einfach nicht für Sie arbeiten, Sir. Ich ‚arbeite‘ überhaupt nicht. Meine Familie missbilligt mein Hobby ohnehin schon, und wenn sie den Eindruck gewännen, dass ich den Beruf des Detektivs ergreife …“ Er breitete die Hände aus.
„Das ist kein Problem, Halliday. Unsere Abmachung wird ein Geheimnis bleiben. Ihre ehrwürdige Familie wird nicht angekratzt werden.“
„Sie haben mich vorhin verspottet, Sir, weil ich so viele Worte gebrauchte, um ‚nein‘ zu sagen. Ich gestehe, dass ich eine Neigung zu exzessiver sprachlicher Umsicht habe, und bin bemüht, diese zu überwinden, daher: nein.“
Value seufzte. „Nun ja. Das ist schade, Lord Pembroke, aber ich werde nicht versuchen, Sie umzustimmen. Dennoch: Des einen Leid ist des anderen Freud. Ihre Entscheidung wird zumindest meine Freunde vom Lantern erfreuen. Sie haben in letzter Zeit einige Auflagen an den Argus verloren, aber solch ein exklusiver Skandal wird gewiss ein paar Zeitungen mehr verkaufen, möchte ich wetten.“
„Ich kann Ihnen leider nicht ganz folgen, Mr. Value.“
„Hmm? Oh, ich glaube lediglich, dass der Herausgeber sehr gern Näheres über ihre Heirat mit Lady Pembroke erfahren würde, die einst Miss Sandoval hieß. Davor hatte sie allerdings einen anderen Namen, nicht wahr? Frederick … Frederick Soundso, oder?“
Pimm erhob sich, so war er gut zehn Zentimeter größer als Value. Er wirkte sogar noch beeindruckender, da der Verbrecher sitzen blieb. „Sie wagen es, meine geliebte Winifred zu beleidigen? Ich weiß nicht, wie Sie auf die Idee kommen, dass ein derartiges Vorgehen Ihrer Sache dienen könnte.“
„Nutzen Sie doch einmal Ihre vielgepriesenen geistigen Fähigkeiten, Halliday“, sagte Value. „Mir gehören die Huren. Ich weiß, welche meiner Frauen die Krankheit übertrugen, ohne selbst zu erkranken. Ich weiß, welche Männer mit ihnen geschlafen haben. Manche dieser Männer sind gestorben, manche sind in Schande verfallen, und manche von ihnen geben sich selbst jetzt noch als die Männer aus, die sie einst waren. Aber nur wenige dieser Männer sind einfach verschwunden – meist waren es die Frauen, die diesen Weg wählten. Ein Mann, der spurlos verschwand, war Ihr alter Kamerad Freddy Banks. Kurz darauf begannen Sie, mit einer Frau namens Winifred zu verkehren. Sie hätten ihr einen anderen Namen geben sollen, Halliday. Rebecca. Caroline. Jeder Name wäre besser gewesen.“
„Freddy hat eine Reise nach Amerika unternommen“, meinte Pimm steif. Er war angespannt und wartete nur auf den abrupten Knall der Luftpistole. Auch wenn Freddy angeblich nur bewaffnet war, um im Notfall Pimms Leben zu retten: Value würde mit Sicherheit sterben, wenn Freddy sich bedroht fühlte. Pimm verfügte über gewisse Mittel und hatte gute Beziehungen, und die Polizei würde wenig Mühe darauf verwenden, den Mord an einem solchen Mistkerl wie Value aufzuklären. Trotzdem war es eine verdammt hässliche Angelegenheit, außerdem war Pimm noch nie zuvor an einem Mord beteiligt gewesen. Er wollte ungern damit anfangen, vor allem, da Freddy auch Big Ben töten müsste. Der Mann war kein Heiliger, aber er hatte es gewiss nicht verdient zu sterben. „Freddy ist in New York, das ist das Letzte, was ich gehört habe. Ich habe sogar ein paar Briefe von ihm erhalten, wenn Sie wollen, können Sie die Handschriften vergleichen …“
„Ich würde lieber die Handschrift Ihrer Frau mit der von Freddy vergleichen“, sagte Value. „Ich denke, das wäre weitaus erhellender. Setzen Sie sich, Mann. Ich habe nicht den Wunsch, Sie bloßzustellen.“
Pimm setzte sich tatsächlich hin, weil er sich im Stehen wie ein ziemlicher Esel vorkam, aber er hielt sich weiterhin steif aufgerichtet. „Diese Behauptungen würde ohnehin niemand glauben.“
„Sie kennen die aktuellen forensischen Entwicklungen, Halliday. Die neue Anwendung der alchemistischen Ähnlichkeitsregel bringt bemerkenswerte Ergebnisse.“
Pimms Miene verdüsterte sich. Die Alchemisten der Polizei hatten tatsächlich große Fortschritte gemacht. Sie legten ein Stückchen Haut oder etwas Blut oder Haar, das man am Tatort gefunden hatte, in ein alchemistisches Bad und fügten ähnliche Proben von verdächtigen Personen hinzu. Wenn die Proben von derselben Person stammten, hatten sie aufeinander die gleiche Wirkung wie ein Magnet auf Eisenspäne. Sie zogen sich an, wurden durch die Ähnlichkeitsregel, die Gleiches mit Gleichem verband, unaufhaltsam zueinander getrieben. Diese Technik eignete sich hervorragend, wenn man beweisen wollte, dass sich bestimmte Verbrecher an bestimmten Tatorten aufgehalten hatten, oder um die Hautfetzen unter den Fingernägeln eines Opfers mit dem Mörder in Verbindung zu bringen, aber …
„Unsinn“, sagte Pimm. „Wir wissen noch nicht einmal, ob der Test bei den Opfern von Morbus Konstantin überhaupt funktioniert. Ihre Körper sind stark verändert. Selbst wenn Sie Gewebeproben von Freddy …“
„Die haben wir in der Tat“, murmelte Value.
„… und eine Gewebeprobe von meiner Frau hätten, wie können Sie annehmen, dass sie sich gegenseitig anziehen? Vorausgesetzt, Ihre ungeheuerlichen Behauptungen wären wahr.“
„Es ist bereits getestet worden, Pimm.“
Pimm fiel auf, dass Value seinen Spitznamen benutzte anstatt wie zuvor seinen Nachnamen oder seinen Titel. Das bestürzte ihn, denn es zeigte, dass Value sich seiner Sache sehr sicher war.
„Nicht die Polizei hat den Test durchgeführt“, fuhr Value fort, „sondern meine eigenen Spezialisten. Sie sind wesentlich fortgeschrittener. In meiner Branche ist es wichtig, die Fähigkeiten der staatlichen Obrigkeit zu übertreffen, wo man nur kann. Es stimmt, dass die Gewebeproben, die aus der Zeit vor der Verwandlung stammen, und die Proben, die man danach entnimmt, einander nicht allzu stark anziehen. Doch eine Anziehung ist da. Sie wissen, was das bedeutet, hmm?“
Pimm wusste es. Proben von Geschwistern, Vätern und Söhnen oder anderen engen Verwandten zeigten dieselbe Reaktion. Durch die Art und Weise, wie sich Haut und Haare in einer Schale bewegten, wurde die Verwandtschaft enthüllt.
„Wenn ich nun ein wenig Haar von Winifred und etwas von Freddys Haar in eine Schale legte, würde sich wohl zeigen, dass sie Geschwister sind? Natürlich hat Freddy keine Schwester. Zumindest würde man Fragen stellen. Sie wissen so gut wie ich, dass man keine Beweise braucht, um einen Skandal auszulösen. Es gab schließlich auch noch nie Beweise, dass ich mich in irgendeiner Weise illegal betätigt hätte, und trotzdem weiß jeder, dass ich ein Zuhälter und ein Dieb bin. Ich habe allerdings keinen Ruf zu verlieren, Sie hingegen schon. Wenn ich einen eifrigen jungen Journalisten auf sie ansetze, vor allem von einem Schmierblatt wie dem Lantern … Nun ja. Was, wenn man herausfindet, dass die Vorgeschichte von Mrs. Halliday – Verzeihung, Lady Pembroke – gerade einmal zwei Jahre zurückgeht? Das würde eine ganz schönen Artikel abgeben. Man würde sie zumindest wegen Betrugs anklagen, und es würde zwangsläufig Getuschel über Perversion geben.“
„Meine guter Ruf ist mir nicht so wichtig, wie Sie vielleicht glauben“, sagte Pimm kalt. „Auch wenn ich meine Familie nicht gern enttäusche, wage ich zu behaupten, dass sie Enttäuschungen inzwischen gewöhnt ist. Sie sind ein Narr, wenn Sie denken, dass Sie mit Drohungen …“
„Denken Sie an Freddy“, sagte Value sanft. „Stellen Sie sich vor, wie man sie verfolgen, verspotten und in der Zeitung lächerlich machen wird. Vielleicht wird man sie sogar unter Anklage stellen. Ich bin mir sicher, dass sie gegen irgendein Gesetz verstößt, vielleicht auch gegen mehrere. Abgesehen davon, was wird die Kirche sagen, wenn sie herausfindet, dass Ihre Ehe nur vorgetäuscht ist? Das friedliche Leben, das Sie ihr aufgebaut haben, wird vorbei sein.“
Erschieß ihn, dachte Pimm ungewöhnlich blutrünstig, doch Freddy drückte nicht ab.
Das bedeutete wohl, dass er das Problem auf andere Weise lösen musste. Er holte tief Luft. „Es gibt keinen Grund für Unannehmlichkeiten zwischen uns, Mr. Value. Als Mann mit Gewissen will ich natürlich, dass der Mörder seine gerechte Strafe erhält.“
„Gut“, sagte Value grinsend.
„Aber um Nachforschungen anzustellen, brauche ich Zutritt.“
„Zutritt wozu?“
„Zu allen Orten, an die mich meine Nachforschungen führen.“
„Man wird Ihnen entgegenkommen. Bilden Sie sich aber nicht ein, dass Sie eine Anklage gegen mich fabrizieren könnten, während Sie vorgeben, mir einen Dienst zu erweisen, Pimm. Ich schwebe über diesen schmutzigen Geschäften wie die Wolke über dem Misthaufen. Man kann mich niemals direkt mit irgendwelchen Widerwärtigkeiten in Verbindung bringen. Natürlich könnten Sie meine Geschäfte stören, doch ich wäre trotzdem in Sicherheit und würde mein Leben weiterleben wie bisher, außer dass ich Ihnen gegenüber zunehmend erzürnt wäre.“
„Ich muss die Leichen sehen“, sagte Pimm.
„Ja, natürlich“, meinte Value und erhob sich. „Wir haben nicht alle, aber sie sind alle untersucht worden, und mein Berater müsste die neuesten Opfer noch da haben. Ben, schreib ihm auf, wo er unseren Mann finden kann, ja? Wann kann er mit Ihnen rechnen?“
Pimm überlegte. „Ich werde versuchen, ihm heute Abend einen Besuch abzustatten oder, falls ich das nicht mehr schaffen sollte, morgen Vormittag.“
Value nickte zustimmend. „Ich freue mich auf Ihren Bericht.“
Ben reichte ihm einen Zettel, den Pimm sich nicht näher ansah und gleich in seine Jackentasche schob. Value schlenderte hinaus, Ben folgte ihm, und Pimm schloss hinter ihnen die Tür ab. Er legte die Stirn ans Holz.
„Scheiße“, sagte er schließlich.
Freddy erschien. Sie trug ein vollkommen anständiges Kleid und zog gerade einen Hut auf, der der allerneuesten Mode entsprach – das vermutete Pimm jedenfalls. Freddy achtete stärker auf diese Dinge als Pimm, das war schon immer so gewesen. „Das lief ja gut“, meinte Freddy.
„Ich dachte, du würdest ihn erschießen.“
Freddy zuckte die Achseln. „Ein toter Verbrecherkönig in unserem Wohnzimmer würde uns mehr Probleme als Lösungen bescheren. So kannst du den Mörder für ihn finden, und dann wird er uns in Ruhe lassen.“
„Was, wenn er uns weiter unter Druck setzt? Wenn er droht, uns bloßzustellen?“
„Wenn du Angst hast, dass er mein kleines Geheimnis publik machen könnte, dann fang an, Geld beiseite zu legen. Genug, damit wir ein angenehmes Leben führen können, wenn deine Familie dich enterbt. Aber mach dir jetzt noch keine Sorgen. Wenn Value zu weit geht, können wir uns immer noch mit ihm befassen.“
„Er ist schon längst zu weit gegangen!“
„Also bitte. Ich kenne dich, Pimm. ‚Zweifellos mit unterhaltsamen psychologischen Elementen.‘ Du willst diesem Mörder nachspüren. Wenn Inspektor Whistler von Scotland Yard und nicht Abel Value dich um Hilfe bei der Aufklärung dieser Morde gebeten hätte, würdest du schon längst am Tatort stehen.“
„Nur weil ich an einen interessanten Ort geführt werde, heißt das noch lange nicht, dass ich die Leine mag, Freddy.“
Freddy tätschelte ihm die Wange. „Du darfst bald Leichen sehen. Fass dir ein Herz.“ Freddy stockte. „Das meine ich nicht wörtlich. Lass die Herzen, wo sie sind. Ich gehe jetzt zu meinem Salon. Das kleine Tête-à-tête hat weniger lange gedauert als befürchtet.“ Freddy winkte kurz und machte sich dann auf den Weg.
Pimm schenkte sich einen Drink ein und leerte dabei gleich die ganze Flasche. Er musste Ransome losschicken, um neuen Brandy zu kaufen – verdammt. Er musste einen neuen Diener suchen. Ihn überkam ein leichtes Schuldgefühl. Seine kleinen Probleme schienen kaum der Rede wert, wenn gleichzeitig verzweifelte Frauen ermordet wurden.
Pimm sah sich die Adresse an, die auf dem Zettel stand, den er von Ben bekommen hatte.
Dieser Teil der Stadt also.
Er machte sich auf die Suche nach einer weiteren Flasche.