Eine Leiche als Beweis
Da ist sie ja.“ Whistler beleuchtete mit seiner alchemistischen Fackel die Leiche, die seine Leute am Flussufer gefunden hatten. „Genau dort, wo Worth sagte, und in genau dem Zustand, den er uns beschrieben hat.“ Er schüttelte den Kopf. „Warum macht sich jemand die Mühe, einer Frau das Gehirn herauszunehmen? Nur um es in den Fluss zu werfen?“
„Wer kann schon das Verhalten solcher Männer nachvollziehen?“, sagte Pimm. „Soviel ich weiß, wurde seine Frau durch Morbus Konstantin verwandelt und verschwand kurz darauf. Vermutlich hat Worth sich bei einer von seinen Huren angesteckt und die Krankheit dann nach Hause zu seiner Frau gebracht. Vielleicht hegt er deshalb auf verdrehte Art und Weise einen Groll gegen solche Frauen.“
„Motive interessieren mich“, gab Whistler zu. „Was Sie sagen, ergibt einigermaßen Sinn. Trotzdem verstehe ich das mit dem Gehirn noch immer nicht. Worth sagte, es sei einfach nur ein seltsamer Impuls gewesen, eine Laune, aber Himmel noch mal, was für ein Aufwand. Wie viele Werkzeuge benötigt man, um einen Schädel aufzuschneiden und …“
„Es ist ein Rätsel.“
Als Pimm Adams gebeten hatte, die Leiche an dieser Stelle abzulegen, damit es so aussah, als hätte Worth sie hier entsorgt, hatte der riesige Wissenschaftler gezögert und gesagt: „Ich werde tun, worum Sie mich bitten, solange Sie mir gestatten, das Gehirn zu behalten. Ich freue mich, wenn ich jemanden habe, mit dem ich sprechen kann. Es ist meist sehr einsam hier.“
Pimm hatte eingewilligt, schließlich hatte er kaum eine Wahl. Der zerstörte Schädel würde in jedem Fall bemerkt werden, selbst wenn das Gehirn zurück in die Schädelhöhle geschoben wurde. Worth hatte angewidert reagiert, als Pimm ihm nahegelegt hatte, der Polizei zu sagen, dass er den Körper verstümmelt habe. „Ich habe ihnen kein Haar gekrümmt!“, hatte er eingewandt, „Souvenirs habe ich mir auch keine mitgenommen!“ Pimm hatte sich entschuldigt, aber trotzdem darauf bestanden und ihm gesagt, dass die Polizei sein Geständnis nur so glauben würde. Es war die seltsamste Entschuldigung, die er jemals geäußert hatte.
„Worth sagt, er habe Informationen über Abel Value“, sagte Whistler. „Doch ich verhandle ungern mit jemandem, der solche Taten begeht.“
„Es ist ein schreckliches Verbrechen“, stimmte Pimm ihm zu. „Worth ist folglich ein schrecklicher Verbrecher. Aber Values Verbrechen gehören noch einmal in eine ganz andere Kategorie. Worth begeht aus persönlichen Gründen schreckliche Taten, wegen einer Geisteskrankheit. Aber Value organisiert seine schrecklichen Taten auf kühle, unpersönliche Art und ist dabei im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte.“
„Das ist wahr“, stimmte Whistler zu. „Im Moment will noch keiner Worths Kopf haben, da über die Morde nicht öffentlich berichtet worden ist. Sie wurden ja nicht einmal bemerkt. Wenn er Informationen besitzt, die für mich nützlich sind, kann ich ihn vor dem Galgen retten und dafür sorgen, dass er nur ins Gefängnis kommt oder nach Bedlam eingewiesen wird. Letzteres erscheint mir angemessen, nun, da ich gesehen habe, was er mit dem Kopf dieses armen Mädchens angestellt hat. Sie haben mir eine weitere lange Nacht voll Arbeit beschert, Halliday. Ich hoffe, Sie sind nun zufrieden.“
„Ich bin immer froh, wenn ich der Polizei bei ihren Nachforschungen behilflich sein kann.“ Pimm schüttelte Whistler die Hand. „Nun, Sir, werde ich mich verabschieden. Es macht mir nichts aus, bis Sonnenaufgang wach zu bleiben, aber ich ziehe es vor, die späten Stunden mit angenehmeren Dingen zu verbringen.“
Er wandte sich ab, doch Whistler legte ihm die Hand auf die Schulter. „Passen Sie auf sich auf, Mann. Übertreiben Sie es nicht, ja?“
Pimm lächelte. „Sie wissen doch, dass Alkohol für mich ein Allheilmittel ist, Detective. Wenn man einen Erfolg hatte, feiert man mit Champagner. Wenn man einen Rückschlag erlebt, tröstet man sich mit Whiskey.“
„Solange Sie einen Grund haben, eine ganze Flasche zu trinken“, sagte Whistler. „Erst wenn jemand anfängt, ohne besonderen Grund die Flaschen zu leeren, fange ich an, mir Sorgen zu machen.“
„Oh, aber ein einfallsreicher Mann findet immer einen Grund zum Feiern – oder um Trost zu suchen.“
Whistler seufzte. „Es geht mich ja nichts an, Pimm. Doch diese Arbeit, die wir tun … Ich habe schon zugesehen, wie gute Kollegen der Flasche verfallen sind, weil sie keinen anderen Weg finden konnten, mit dem, was sie erlebt hatten, umzugehen.“
„Zum Glück ist die Detektivarbeit nur meine Freizeitbeschäftigung“, sagte Pimm. „Mein Beruf ist es, ein Bonvivant zu sein. In beiden Bereichen bin ich hervorragend.“
„Wissen Sie, ich hatte gedacht, dass Sie durch die Ehe ruhiger werden würden.“
Pimm sah gen Himmel und nahm eine Denkerpose ein. „Winifred? Mich beruhigen? Oh, richtig, ich vergaß. Sie sind ihr ja nie begegnet.“ Er grinste anzüglich, und der Detektiv lachte schallend.
„Nun gehen Sie schon. Morgen werde ich vielleicht noch einige weitere Fragen haben, wenn ich etwas länger mit Worth gesprochen habe. Kann ich mich darauf verlassen, dass Sie mir keine Lügen mehr erzählen?“
„Keine wichtigen“, versprach Pimm.
* * *
Zumindest von außen sah Lord Pembrokes Haus weniger prächtig aus, als Ellie erwartet hatte. Sie war sich nicht sicher, was sie erwartet hatte, doch der jüngere Sohn eines Marquis musste gewiss ein prunkvolles Leben führen. Das Haus war schön, ohne Zweifel, aber es war kein Palast, wie sie unbewusst wohl gehofft hatte. Natürlich galt für die Landsitze seiner Familie sicherlich etwas anderes.
Lord Pembroke und seine Frau bewohnten ein kleines Haus in der Nähe des Hanover Square in Mayfair, mit einem Vorgarten, der von einem Eisenzaun umgeben war, und Buntglasscheiben in den Fenstern. Ellie klopfte an die Tür und war sich nur zu bewusst, wie spät es war. Sie kam sich albern und viel zu auffällig vor.
Sie hatte erwartet, dass ein Dienstbote die Tür öffnen würde. Erst als sie aufging, fiel ihr ein, dass Lord Pembrokes Diener Ransome ihm fristlos gekündigt hatte. Statt eines Dienstboten öffnete eine Frau mit langem, blondem Haar die Tür. Ihr Gesicht hätte das Modell für die Statue einer griechischen Nymphe sein können, und ihr Körper blieb diesem Thema treu. Sie trug einen Morgenmantel aus chinesischer Seide in einem unanständigen roten Farbton, mit einem goldenen Drachenmuster, und in ihrer einen Hand glomm ein Zigarettenhalter aus Ebenholz. Die andere Hand war hinter der Tür verborgen. Seltsamerweise fragte Ellie sich, ob sie vielleicht eine Waffe hielt. Lady Pembroke hatte fröhliche blaue Augen, und Lippen in einem Rotton, für den die meisten Frauen Kosmetik benötigten. Ellie merkte, wie sich ihre Haltung gegenüber Lord Pembroke ein wenig wandelte, eine Veränderung, die sich in dem beiläufigen, aber konkreten Gedanken äußerte: Aha, das ist also die Art von Frau, die ihm gefällt.
„Kann ich Ihnen helfen, Sir?“ Sie betrachte Ellie von oben bis unten. „Oder besser gesagt, Madam? Bitte lassen Sie mich wissen, welche Anrede Ihnen lieber ist. Soll ich Sie so benennen, wie Sie sind, oder so, wie Sie zu erscheinen versuchen?“
Ellie blinzelte. Sie hatte angenommen, dass eine Frau, die so aussah und in einem solchen Aufzug an die Tür ging, nicht sonderlich scharfsinnig war. Doch die Lady hatte Ellies Verkleidung schnell durchschaut und geistreich und mit leichtem Spott darauf reagiert. Der Spatz hofft eben immer, dass der Pfau ein Dummkopf ist, dachte Ellie. Wie ungerecht, dass ein Mensch klug sein konnte und dazu auch noch aussah, als sei er gerade von einem Sockel im Museum gestiegen. „Ähm, ich bin Eleanor Skyler. Mein Aussehen ist … hier. Ich habe einen Brief von Lord Pembroke.“
„Der gute alte Pimm schickt die merkwürdigsten Boten.“ Lady Pembroke streckte die Hand aus, und Ellie reichte ihr das zusammengefaltete Blatt Papier. Die Frau im Morgenmantel faltete es auseinander und überflog es rasch, während sich auf ihrer Stirn eine Falte bildete, genau zwischen ihren Augen. Die Falte trug wenig dazu bei, ihre Schönheit zu mindern. Ellie vermutete, dass die meisten Männer sie sogar ganz reizend finden würden.
Lady Pembroke hob den Blick und sah Ellie an. „Haben Sie das hier gelesen, Miss Skyler?“
„Nein.“
„Hat Pimm Ihnen gesagt, was darin steht?“
„Nur dass es erklären würde, wer ich bin.“
Lady Pembroke schenkte Ellie ein bezauberndes Lächeln. „Der Brief verrät mir, wer Sie sind, und noch einiges mehr. Nur herein, meine Liebe, herein, ziehen Sie sich um, nehmen Sie einen Drink zu sich, wenn Sie möchten. Ich werde das Gästezimmer vorbereiten. Ich hoffe nur, Sie sind nicht zu müde. Sie müssen mir alles erzählen.“ Sie winkte Ellie herein, und die nächsten zwanzig Minuten sah diese sich in einem freundlichen Wirbelsturm gefangen. Lady Pembroke („Nennen Sie mich ruhig Winnie, meine Liebe“) goss ihr eine Tasse Tee mit einem großzügigen Schuss Brandy auf und half ihr, ihren falschen Schnurrbart und den Hautkleber zu entfernen. Sie bewunderte lautstark ihr kurzes Haar („Sagen Sie einfach, das sei der neue europäische Stil, der letzte Schrei der Moderebellion unter den jungen Damen von Paris“), überredete sie, eines ihrer dezenteren Nachthemden zu tragen, und gratulierte ihr zu ihrer journalistischen Arbeit („Mr. E. Skye eine Frau! Sie sind eine Zierde für unser Geschlecht!“). Alles in allem ließ sie Ellie keine Chance, ihr alles zu erzählen, oder überhaupt viel zu sagen.
Erst als Ellie zu Winnies Zufriedenheit versorgt war, ließ sich die Hausherrin entspannt in einem Sessel am Fenster nieder. Sie lächelte hintergründig über den Rand einer dampfenden Tasse Tee und sagte: „Pimm hält sehr viel von Ihnen, scheint mir. Er lädt nicht oft jemanden zum Übernachten ein, den er gerade erst kennen gelernt hat.“
„Es war ein sehr freundliches Angebot“, sagte Ellie. „Doch wenn ich Ihnen Umstände mache, kann ich …“
„Unsinn, ich habe gern Publikum. Sagen Sie, haben Sie nicht irgendetwas schrecklich Schockierendes gesehen, während Sie mit meinem Mann unterwegs waren?“
Ellie überlegte. Sie konnte Sensationsartikel schreiben und Situationen dramatisieren, um ihre Leser zu unterhalten, doch im Augenblick hatte sie dazu nicht die Kraft. Es war ein langer Tag und eine noch längere Nacht gewesen. „Ich habe eine Tote gesehen“, sagte Ellie, „und der Mörder lief in einer Gasse an mir vorbei. Die Nacht begann eher scherzhaft, ich schlich als Mann verkleidet im Dunkeln herum.“
„Sie haben den Mörder gefunden, so viel konnte ich Pimms Mitteilung entnehmen. Demnach ist nun alles in Ordnung, oder?“
„Ich nehme es an. Allerdings ließ der Täter, Mr. Worth, durchblicken, dass es noch eine weiter reichende Verschwörung gibt. Wir haben zwar ein Rätsel gelöst, doch anscheinend sind wir bereits auf das nächste gestoßen.“
„Dann müssen Sie unbedingt weitere Nachforschungen anstellen!“, erklärte Winnie. „Eine kämpferische Reporterin und ein hartnäckiger Detektiv, die gemeinsam das Verbrechen besiegen wollen. Welch eine großartige Kombination!“
Ellie lächelte. Sie war besorgt gewesen, dass Lady Pembroke ihr gegenüber eifersüchtig oder misstrauisch reagieren würde. Schließlich war sie eine unverheiratete junge Frau, die sich so fest an den Ehemann einer anderen heftete. Doch Winnie schien ihre Beziehung nicht im Geringsten zu stören. Das war eigentlich auch nicht verwunderlich. Warum sollte sich eine wohlhabende, schöne Frau wie sie darum Sorgen machen, dass Ellie sich ihrem Ehemann annäherte?
Dennoch hätte es sie gefreut, wenn Winnie sie als Bedrohung gesehen hätte. Als eine kleine Bedrohung zumindest. Mit jedem Augenblick, den sie in Winnies Gegenwart verbrachte, fühlte Ellie sich reizloser. „Ich bin nicht sicher, ob Ihr Mann es gern sähe, wenn ich mich weiterhin beteilige. Leider war ich recht taktlos, als ich ihm meine Unterstützung anbot.“
„Sie haben ihn erpresst, hmm?“ Winnie schlug ein Streichholz gegen einen antiken Tisch und zündete sich damit eine weitere Zigarette an. „Sie wollten einen Artikel darüber schreiben, dass er für Abel Value arbeitet?“
Ellie starrte zu Boden. „Ich mag etwas Derartiges angedeutet haben. Doch später erklärte er mir, dass er Values Mitarbeit brauche, um den Mörder zu fassen, und nicht riskieren könne, die Polizei einzuschalten, ohne dass Value ihm die Unterstützung entzöge.“ Sie überlegte, ob sie erwähnen sollte, dass Pimm jemanden schützen wollte, der ihm nahe stand, doch sie hatte wohl kaum ein Recht, dieses Geheimnis zu enthüllen. Was, wenn dieser Jemand Lady Pembroke war? Wer konnte schon sagen, welche Geheimnisse in ihrer Vergangenheit lagen?
„Mmm. Das ist eine Erklärung“, sagte Winnie. „Pimm ist alles andere als verdorben, wissen Sie. Er trinkt zu viel, sogar noch mehr als ich, und er neigt dazu, nicht weiter zu planen als bis zum nächsten Morgen, oder allerhöchstens bis zum Ende der Woche. Aber er meint es gut. Er meint es auf eine fast krankhafte Art und Weise gut. Wenn es ein Geheimnis gibt, fühlt er sich gezwungen, es zu lüften. Wenn Sie ihm dabei helfen können, denke ich, dass Sie das tun sollten.“ Winnie beugte sich vor. „Er mag Sie, Ellie. Ich merke das an seinem Brief. Er war äußerst überschwänglich in seiner Wortwahl. Es gibt nicht viele Menschen, die Pimm mag. Gewiss findet er manche Menschen interessant, aber sie zu mögen, ist dann doch etwas ganz anderes.“ Sie gähnte. „Ich sollte zu Bett gehen. Morgen habe ich einen anstrengenden Tag vor mir und muss träge, reich und gesellschaftlich provokant sein. Brauchen Sie noch irgendetwas?“
„Nein danke. Sie waren bereits überaus zuvorkommend.“
„Nun, dann schlafen Sie gut. Wir sehen uns morgen früh. Ich werde Eier braten. Es macht mir Spaß, etwas in der Küche herumzuwerkeln, und inzwischen bin ich sogar recht gut darin. Das letzte Mal, als ich Frühstück gemacht habe, haben es nur ganz wenige Eierschalen bis auf die Teller geschafft.“
* * *
Das Haus war dunkel, als Pimm heimkam, und er glitt mit der Leichtigkeit jahrelanger Übung an den Ottomanen und Tischen und Sesseln vorbei in sein Schlafgemach. Er war schon in wesentlich betrunkenerem Zustand erfolgreich diesen Weg gegangen. Tatsächlich war er gerade grässlich nüchtern, weil er den Flachmann, den er aus Gewohnheit stets in seiner Jackentasche trug, schon längst geleert hatte. Eine neue Flasche wartete auf seinem Nachttisch. Er hoffte, dass ein letztes Schlückchen Brandy ihn ruhig einschlafen lassen und Kummer und Sorgen des Tages verbannen würde, ehe sie sich in Träume von zerstörten Schädeln und zornigen Verbrecherkönigen verwandelten.
Er saß auf seiner Bettkante, um sich die Schuhe auszuziehen, ohne sich die Mühe zu machen, das Licht anzuschalten. Er schrie beinahe auf, als eine ruhige Stimme zu ihm sagte: „Guten Morgen, Pimm.“
„Freddy! Was zum Teufel machst du in meinem Bett?“
Sein bester Freund stützte sich auf ihren Ellenbogen und kicherte. „Ich wahre den Schein, was sonst. Falls du nicht vorhast, früher aufzuwachen als üblich, könnte Miss Skyler auffallen, dass wir getrennte Schlafzimmer haben. Sie könnte sich Gedanken über den Zustand unserer Ehe machen, meinst du nicht? Du kannst dir gern ein Kopfkissen und eine Bettdecke mit auf den Boden nehmen. Dieser Chinateppich, den ich letzten Monat gekauft habe, ist recht dick.“
Pimm stöhnte auf. „Du hast wahrscheinlich recht. Es ist garstig, einen Mann auf dem Teppich schlafen zu lassen, der die ganze Nacht Verbrecher bekämpft, Mörder gefasst und Indizien ausgelegt hat.“
„Vielleicht auch Reporterinnen den Hof gemacht?“
Pimm hielt inne, einen Schuh in der Hand. „Den Hof gemacht? Ich habe ihr nicht den Hof gemacht. Die Frau hat versucht, mich zu erpressen. Zugegeben, danach wurde sie recht nützlich.“
„Dein Brief hatte eindeutig einen bewundernden Unterton.“
„Ich wollte nur, dass du nett zu ihr bist.“
„Oh, aber normalerweise ist es dir gleich, ob ich nett bin. Unsere Miss Skyler gefällt dir, habe ich recht?“
„Die längste Zeit unserer Bekanntschaft hat sie einen falschen Schnurrbart getragen, Freddy. Das mindert ihren Reiz doch ganz erheblich.“
„Oh, aber unter diesem Schnurrbart ist sie entzückend. Hübsche Augen und so hohe Wangenknochen, dass sie damit ihren Hut stützen könnte.“
„Ich bin verheiratet“, sagte Pimm.
„Du weißt, dass ich der Meinung bin, du solltest eine Geliebte haben. Das ist gut für die Seele. Was glaubst du, weshalb ich zu so vielen Salons gehe? Dort findet man freigeistige Mädchen. Ich habe unsere Schwüre ganz und gar nicht beachtet, zumindest nicht was eheliche Treue angeht, weiß der Himmel!“
„Trotzdem habe ich meine Zweifel, dass der Himmel das gutheißt. Glaubst du etwa, Miss Skyler ist die Art von Frau, die jemandes Geliebte werden würde?“
„Man kann nie wissen“, sagte Freddy schläfrig. „Ich würde sagen, das hängt ganz vom Mann ab.“
Damit gab sie Pimm noch mehr zu denken, während er unter der zweitbesten Bettdecke auf dem Chinateppich lag.
Auch wenn es ihm in diesem speziellen Fall nicht viel ausgemacht hätte, wenn seine Gedanken in seine Träume übergegangen wären.