Fortschrittliche Freuden und wissenschaftliche Vergnügungen

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Ich bin ein Freund von Mr. Addison.“ Ellie sprach mit tieferer Stimme als sonst, jedoch nicht so tief, dass es lächerlich klang. Sie wusste, dass sie einen recht zierlichen Mann abgab, und eine Bassstimme hätte nicht zu ihrer Statur gepasst.

Als sie Mr. Addisons Namen nannte, verwandelte sich der Butler, der die Tür des vornehmen Stadthauses geöffnet hatte, vom mürrischen Wächter in einen freundlichen Portier. Ellie wusste, dass es keinen Mr. Addison gab, doch einer ihrer Informanten hatte ihr gesagt, dass der Name das Losungswort der Woche sei. „Nur herein“, sagte der Türhüter. Ellie ging hinein, und er schloss hinter ihr die Tür. „Ich werde der Herrin des Hauses sagen, dass Sie hier sind. Sind Sie bereits bei uns Kunde?“

„Ähm, nein, ich … Das ist mein erster Besuch.“

„Natürlich, Sir. Einen Augenblick bitte.“ Er verschwand, und Ellie gestattete sich ein Aufatmen. Wenigstens die erste Hürde war geschafft. Sie hatte den ganzen Nachmittag damit verbracht, sich als Mann auszugeben. Sie hatte sich einen Drink im Pub bestellt, war beim Tabakhändler vorbeigegangen und im Park spazieren gewesen. All das, ohne dass jemand mit dem Finger auf sie gezeigt und „Betrügerin!“ gerufen hatte. Sie sah sich in der Eingangshalle um und probierte im Geiste einige Adjektive aus: elegant, zurückhaltend, spärlich möbliert. Aber es war wirklich eine recht langweilige Eingangshalle, mit etwas zu viel Chintz für ihren Geschmack.

Der Butler kam zurück und führte sie einen Flur entlang. Sie blickte im Vorbeigehen in eines der Zimmer und sah drei Männer, die an einem kleinen Tisch Karten spielten. Obwohl sie nicht wagte, stehenzubleiben und die Männer genauer zu betrachten, glaubte Ellie in einem von ihnen einen ehemaligen Preisboxer zu erkennen. Er hieß Crippen oder „Crippler“ und war in einen Skandal verwickelt gewesen, weil er absichtlich Wettkämpfe verloren hatte, um korrupte Wettteilnehmer zu bereichern. Der Mann hatte sich aus dem Sport zurückgezogen. Doch man munkelte, dass er noch immer für jemanden arbeitete, der im Verdacht stand, die illegalen Wetten zu organisieren – der Gentleman-Verbrecher Abel Value. Dies musste dann wohl eines von Abel Values Häusern sein. Crippen bemerkte ihren Blick, schenkte ihr ein zahnlückiges Grinsen und zwinkerte ihr zu. Ellie wusste nicht, wie sie auf eine solche Geste angemessen reagieren sollte, und ging deshalb einfach weiter.

Der Butler führte sie in ein anderes Empfangszimmer, das tatsächlich elegant eingerichtet war. Sie nahm in einem mit Samt bezogenen Sessel Platz, bemüht, wie ein Mann zu sitzen. Gerader Rücken, den Hut auf den Knien. Einen Augenblick später erschien eine Frau in der Tür, und Ellie war erneut angespannt. Die Männer konnte sie täuschen, das wusste sie, doch würde eine andere Frau nicht spüren, dass sie weiblich war?

Nicht dass diese Frau besonders weiblich gewesen wäre. Ellie hatte eher erwartet, dass die Bordellherrin aufgeputzt wie ein Pfau sein würde, voller Federn und Seidenrüschen. Doch diese Frau hatte ein strenges Abstinenzlergesicht, und ihr schwarzes, konservativ geschnittenes Kleid verriet den Modesinn einer Gouvernante. Sie war vielleicht fünfzehn oder zwanzig Jahre älter als Ellie, und ihre akkuraten Bewegungen und ihr routiniertes Lächeln ließen erahnen, dass sie den Haushalt und die Bücher glänzend zu führen verstand. „Ich bin Mrs. Hadley“, sagte sie stirnrunzelnd, und Ellie stand abrupt auf. Großer Gott, sie war ein Mann und hatte sich zu erheben, wenn eine Frau den Raum betrat!

„Ich bin, ähm, also …“

„Wir werden Sie Mr. Smythe nennen, hmm?“, sagte sie. „Der Bequemlichkeit halber.“ Sie ließ sich in einem Sessel nieder und setzte sich dabei recht weit vor, aufmerksam wie ein Jäger, der dem Fuchs auf der Spur ist. Ellie setzte sich ebenfalls hin.

„Natürlich, ja, Mr. Smythe. Ich bin heute wohl etwas nervös.“ Red nicht so viel, dachte Ellie für sich. Mit jeder Silbe kannst du dich verraten.

„Ist dies Ihr erster Besuch? Nun, dann müssen wir leider auch die Bezahlung ansprechen. Sind Sie mit unserer Gebührentabelle vertraut?“

„Nicht im Detail.“

Sie nannte eine Summe. Ellie hatte gerade genügend Geld dabei, um sie zu zahlen. Cooper würde es ihr irgendwann erstatten, doch bis er dazu kam, würde sie sparen müssen.

„Im Voraus zu zahlen“, sagte Mrs. Hadley.

Interessant. „Was, falls ich nicht, ähm, zufrieden bin?“

„Sie bezahlen für die Zeit, das Zimmer und die Gelegenheit, einen unserer faszinierenden wissenschaftlichen Apparate allein zu untersuchen, Mr. Smythe. Wie Sie diese Zeit nutzen, bleibt ganz allein Ihnen überlassen. Der Preis gilt, unabhängig davon, ob Sie zufrieden sind oder nicht. Der übliche Verschleiß ist einberechnet, obwohl eine Zusatzgebühr für außergewöhnliche Schäden erhoben werden kann.“

Ellie blinzelte. „Ich kann mir nicht vorstellen, das Gerät überhaupt zu beschädigen!“

„Das ist beruhigend“, sagte Mrs. Hadley. „Wir bieten denjenigen, die damit rechnen, Schäden zu verursachen, Spezialgeräte zu einem höheren Preis an. Nun, ich habe hier einige Bilder und andere Einzelheiten. Bitte sehen Sie sich diese Dokumente in Ruhe an und lassen Sie mich wissen, welches Modell Sie interessiert. Ich werde Sie dann zu dem entsprechenden Zimmer führen. Einverstanden?“ Mrs. Hadley reichte ihr eine dünne Papierrolle, die mit einem roten Band zusammengebunden war.

Ellie öffnete die Rolle. Das erste Blatt zeigte eine recht gute Zeichnung einer vollbusigen Frau mit nacktem Oberkörper, die voluminöse Locken und große Rehaugen hatte. Darunter stand in sorgfältiger Handschrift die Beschreibung: „Matildas Haut ist weiß wie Milch, ihr Haar gelb wie Sonnenschein und ihre Lippen sind weich wie reife Beeren …“ Von dort an beschrieb der Text Matildas andere Qualitäten in einer Mischung aus Poesie und Slang, die Ellie zutiefst peinlich und überaus unprofessionell fand. Warum hatten diese Leute neben einem guten Zeichner nicht auch einen begabten Texter beauftragen können? Sie nahm an, dass die Bilder die Männer mehr interessierten. „Sie sind also alle mechanisch?“

„Selbstverständlich“, sagte Mrs. Hadley. „Es wäre unschicklich, wenn ein Herr wie Sie ohne Aufsicht mit einer jungen Dame allein wäre, nicht wahr? Jegliche Zärtlichkeitsbekundung gegenüber solch einer jungen Dame gäbe schließlich Anlass zur Sorge angesichts der Häufigkeit gewisser Krankheiten.“ Sie rutschte in ihrem Sessel herum, sodass ihre Krinoline raschelte. „Aber seien Sie unbesorgt, Mr. Smythe. Unsere Geräte sind so realistisch wie lebendige Frauen. Sie atmen, sie haben einen Herzschlag, sie sind warm, und sie empfangen gern die Berührung eines Mannes. Jedes einzelne wird aus den besten Materialien hergestellt, die der Wissenschaft bekannt sind, eine perfekte Imitation des Lebens. Jedes wird sorgfältig gereinigt und vorbereitet, bevor es neuen Herrenbesuch unterhält. Zugegeben, die Geräte können keine kultivierte Konversation betreiben, doch sie haben gewisse stimmliche Fähigkeiten, die manche Männer angenehm finden.“ Sie dämpfte die Stimme und sprach in beruhigendem Ton. „Männer haben Bedürfnisse. Wir verstehen das. Wir helfen, diese Bedürfnisse zu erfüllen, ohne dass irgendeiner der Beteiligten in Gefahr gerät. Weder Männer noch Frauen.“

„Wie wundervoll“, meinte Ellie und sah sich wieder die Papierbögen an. Noch mehr Frauenzeichnungen. Manche schlank, manche üppig, manche mit glattem Haar, manche mit Locken, einige in „exotischen“ Stilen, nubisch, orientalisch oder odalisk.

Für Ellies Zwecke war jedes Modell dienlich, deshalb wählte sie aufs Geratewohl. „Hier. Diese finde ich besonders reizend.“

„Delilah. Sehr gut.“ Mrs. Hadley erhob sich, und Ellie folgte ihr in ein Treppenhaus und hinauf in den ersten Stock. Sie betraten einen Flur, der von Türen mit Messingschildern daran gesäumt war. Mrs. Hadley führte sie zu Zimmer Nummer vier, öffnete die Tür und sagte: „Unsere übliche Zeit ist eine Stunde. Da dies Ihr erstes Mal ist, bekommen Sie kostenlos noch eine halbe Stunde dazu, um sich mit dem Gerät vertraut zu machen. Wenn Sie fertig und schicklich bekleidet sind, ziehen Sie an der Glockenschnur im Zimmer. Dann wird jemand kommen, um Sie hinauszubegleiten.“

„Muss man sie aufziehen oder Ähnliches?“

„Sie ist ganz und gar bereit für Ihre Gesellschaft, Sir“, sagte Mrs. Hadley.

„Dann gehe ich mal hinein“, sagte Ellie und trat durch die Tür.

* * *

Ganz wie Ellie erwartet hatte, war das Schlafzimmer eine verschwenderische Samtlandschaft, in deren Mitte ein breites Himmelbett stand. An den Wänden hingen Spiegel, die das Zimmer in ein kleines Versailles verwandelten, und am Fußende des Bettes stand eine große Seemannskiste, deren Deckel nur einen Spalt offen stand. Die Fenster wurden von schweren Vorhängen verdeckt. Auf einer Kommode stand eine der neuen alchemistischen Lampen und sorgte für Licht. Die Glühbirne aus geblasenem Glas war mit einem hell leuchtenden Gas gefüllt. Diese alchemistischen Geräte waren angeblich sicherer als Gasbrenner und fingen weniger leicht Feuer, doch Ellie war davon nicht überzeugt. Sicher war das Licht beständiger als Gaslicht, auch wärmer und wesentlich billiger als die neuen elektrischen Lampen, die vor kurzem vorgestellt worden waren. Doch das alchemistische Glühen hatte etwas Gespenstisches, das sie an Geschichten von Irrlichtern und Elmsfeuern erinnerte, die sie einst gelesen hatte. Ellie warf einen Blick auf die Gestalt, die auf der Bettdecke lag. Sie – oder besser gesagt, es – schien nicht mehr und nicht weniger als eine schlafende Frau zu sein, deren Brust sich langsam hob und senkte. Ellie war noch nicht ganz bereit, sie zu untersuchen, deshalb ging sie zu der Truhe am Fuß des Bettes. Sie fragte sich, was sie wohl darin finden würde.

In der Truhe waren Rüschenunterwäsche, unter anderem einige schockierende Kleidungsstücke in leuchtendem Scharlachrot, eine kleine Peitsche, eine Reitgerte, verschiedene Leder- und Metallstücke, deren Verwendung ihr nicht ganz klar war, und tiefere Schichten aus zusammengelegtem Stoff, die sie nicht allzu eingehend betrachtete. Ellie schnalzte mit der Zunge. Zu schade, dass Cooper ihr verbieten würde, die meisten dieser Dinge zu beschreiben. Wenn sie es täte, würde die halbe Leserschaft in Ohnmacht fallen. Obwohl die andere Hälfte insgeheim Erregung verspüren würde, würde Cooper auf der sicheren Seite bleiben wollen. Vielleicht konnte sie noch einen unzensierten Artikel für den Lantern schreiben, die druckten schließlich alles.

Sie hatte nicht gewagt, Stift und Notizbuch mitzubringen, aus Angst, dass man sie durchsuchen und als Journalistin enttarnen würde. Deshalb konnte sie sich keinerlei Notizen machen. Sie glaubte aber nicht, dass sie etwas Wichtiges vergessen würde. Es war an der Zeit, das Ding selbst zu untersuchen. Die Liebespuppe, die mechanische Kurtisane, die automatische Dirne.

Ellie umkreiste das Bett und besah sich die Frau – nun, das frauenartige Ding – von allen Seiten, bevor sie schließlich das Unvermeidliche tat und zwischen die Kissen kletterte. Dieses Modell, Delilah, hatte gewelltes, kastanienbraunes Haar, blaue Augen und sehr hübsche, cremefarbene Haut. Ihr – sein – Körper war mit einem schwarzen Morgenmantel aus Seide bekleidet, der kurze Ärmel und einen noch kürzeren Saum hatte. Für eine Puppe war das Ding zu lebensecht, doch obwohl die Brust sich in künstlichen Atemzügen bewegte, schien es nicht lebendig. Es fehlten die kleinen Veränderungen und Bewegungen, die die Lebenden kennzeichnen. Nein, dieses Ding ähnelte eher einer Leiche, trotz der vollkommen gleichmäßigen Atemzüge. Ellie konnte sich nicht vorstellen, wie irgendein Mann sich damit hinlegen und vorgeben konnte, es sei eine echte Frau. Die meisten Männer mussten weitaus mehr Fantasie besitzen, als sie gedacht hatte. Ellie streckte die Hand aus, um den Arms des Dings zu berühren …

Die mechanische Kurtisane geriet in Betrieb und wandte ihr halb den Kopf zu. Ihre Lider flatterten, ihre Lippen öffneten sich, und ein warmes, sinnliches „Mmm“ entstieg ihrer Kehle. Ellie fuhr zurück, überrascht von der Wärme der Haut und der plötzlichen Bewegung. Die Haut war nicht ganz wie die einer echten Frau, doch sie war weich, nachgiebig und geschmeidig. Sie hatte so etwas wie Guttapercha-Gummi erwartet, aus dem man die Puppen machte, mit denen sie als Kind gespielt hatte. Doch dieses Fleisch erinnerte sie eher an … Fleisch. Es schien beinahe echt zu sein, obwohl der Geruch nicht stimmte. Er war zu neutral, nicht menschlich genug, und die Bewegungen waren auf undefinierbare Weise künstlich.

Ellie streckte die Hand aus und legte die Handfläche zwischen die kleinen Brüste des Automaten. Ja, es gab einen Herzschlag, und kleine, bereitwillig klingende Seufzer stiegen mit jedem Atemzug aus der Kehle der Kurtisane.

Du bist Journalistin, sagte Ellie sich, und öffnete dem Ding den Morgenmantel.

Die Haut der mechanischen Kurtisane war nicht völlig makellos, wie Ellie erwartet hatte. Unter der einen Brust war ein Leberfleck aufgemalt, und ein paar dunkle Haare führten von ihrem Bauchnabel hinab zu dem noch volleren Schopf ihres Schritts. Als sie sich näher heran beugte, konnte Ellie erkennen, wo die Haare aus der Haut kamen, und dass jedes einzelne mit großer Sorgfalt von Hand aufgenäht worden war. Als sie mit den Fingerspitzen durch das Haar zwischen den Beinen der Kurtisane fuhr, neugierig, ob es von einem Menschen oder von einem Tier stammte – es schien menschliches Haar zu sein – stieß sie auf warme Nässe. Ihre Finger waren feucht, als sie sie schockiert zurückzog. Sie roch an ihren Fingerspitzen und nahm ganz schwach den Geruch eines reinen, neutralen Öls wahr. War der Butler oder irgendein anderer Diener etwa hinaufgeeilt und hatte das Ding … gleitfähig gemacht, nachdem Ellie dieses Modell ausgewählt hatte? Natürlich, das war nötig, oder? In der Tat, diese Dinger „empfingen gern die Berührung eines Mannes.“

Ellie schauderte und wischte sich die Hand an der Steppdecke ab. Sie und ihr Verlobter hatten Küsse ausgetauscht und einige intime Momente geteilt, bevor er nach Indien geschickt worden war. Doch weil sie nie geheiratet hatten, hatten sie nicht die Chance gehabt, einander weiter zu erforschen. Sie verstand natürlich, wie diese Dinge funktionierten, doch es war ein wenig beunruhigend, mit dieser Puppe zusammen zu sein. Sie war so offensichtlich nur für diesen einen Zweck gebaut worden. War das wirklich, was Männer wollten? Ein Ding mit der Form einer Frau, aber ohne Verstand, ohne Willen, ohne Persönlichkeit? Sie würden doch gewiss die Gesellschaft einer echten Frau vorziehen, wenn nicht die Gefahr bestanden hätte, sich die Krankheit zuzuziehen und selbst zur Frau zu werden.

Sie drehte die Kurtisane auf den Bauch und war überrascht, dass sie sich von selbst bewegte. Zunächst stützte sie sich auf alle Viere, dann senkte sie die Arme und den Kopf zur Matratze hinab und streckte den Hintern aufreizend in die Luft. Dies war in der Tat eine hochentwickelte Maschine. Ellie hatte vor Jahren einmal eine Ausstellung berühmter Automaten gesehen. Dort hatte es Gänse gegeben, die Eier legen konnten, Jungen, die Angeln auswarfen, und Frauen, die die Laute spielten, aber diese Geräte waren kleiner und offensichtlich unrealistisch gewesen. Diese Maschine war etwas ganz anderes. Aus der Ferne und selbst noch aus einer recht geringen Entfernung würde man so ein Ding nicht von einem Menschen unterscheiden können. Ellie lächelte. Das Oberhaus hatte einige schläfrige Mitglieder, die vielleicht mechanische Nachbildungen ihrer selbst in Auftrag geben sollten, damit diese während der Parlamentssitzungen ihre Plätze einnahmen. So könnten sie in der Zwischenzeit Karten spielen oder auf die Jagd gehen. Wenn die Ingenieure in der Lage waren, eine mechanische Frau so zu konstruieren, dass sie ihren Hintern in die Luft streckte, konnten sie bestimmt auch ein paar mechanische alte Männer bauen, die „Hört, hört!“ riefen.

Ellie legte das Ohr an den Rücken des Automaten und hörte ganz leise einen Motor surren. Die Dinger waren offensichtlich nicht dampfbetrieben. Vielleicht liefen sie mit einer elektrischen oder alchemistischen Batterie? Wenn sie nur Werkzeug dabei hätte! Obwohl sie nicht erkennen konnte, wo sich das Ding öffnen ließ. Sie würde es trotzdem untersuchen, so gut sie konnte.

Ellie erprobte vorsichtig die Bewegung der Gelenke und berührte die Hand des Dings. Seine Finger umschlossen die ihren und fingen an, auf verstörend rhythmische Weise sanft daran zu ziehen, bis Ellie sie wegzog. Sie strich mit der Hand über die Wange des Automaten und staunte über die Weichheit der Haut, da wandte er den Kopf und öffnete die feuchten, wohlgeformten Lippen. Er saugte an ihren Fingern wie ein Ferkel an der Zitze, während seine feuchte Zunge sie umkreiste. Ellie zog angeekelt die Finger heraus und musste sich erneut das Öl an der Tagesdecke abwischen. Sie überlegte, ob sie die Fähigkeiten der Kurtisane noch eingehender untersuchen sollte, doch die Vorstellung war abstoßend. Wie würde das Ding wohl reagieren, wenn sie einen Finger da hinein … oder sogar dort hinein … Egal. Cooper würde solche Einzelheiten sowieso nicht drucken lassen, selbst wenn sie sie herausfände.

Sie hatte so viel entdeckt, wie sie konnte, und auf jeden Fall genug für einen einprägsamen Artikel. Ein Blick auf die Uhr auf der Kommode verriet ihr, dass sie noch fünfundvierzig Minuten Zeit mit diesem Geschöpf hatte. Sollte sie läuten und behaupten, früher fertig geworden zu sein? Wäre ein solches Verhalten verdächtig?

Ellie öffnete die Tür und warf einen Blick hinaus auf den Flur. Es war niemand zu sehen, weder mechanische Menschen noch echte. Wenn sie nur an die Zeichnungen der Modelle herankommen könnte! Es wäre ein großer Coup und ein Segen für die Auflage, wenn sie in der Zeitung abgebildet würden. Vielleicht lag irgendwo unbeachtet einer der Kataloge herum, den sie einstecken konnte.

Zumindest konnte sie durch den Flur schleichen und sich noch ein weiteres Modell ansehen. Auf Zehenspitzen ging sie zu der Tür schräg gegenüber, Nummer fünf, und lauschte am Schlüsselloch. Sie hörte ein schwaches Keuchen und quietschende Sprungfedern. Eilig ging sie weiter. Tür Nummer sieben war recht still, und als sie versuchte, den Türknauf zu drehen, ging sie auf. Traute sie sich? Wenn man sie erwischte, konnte sie einfach behaupten, dass sie kurz hinausgegangen war und sich dann in der Zimmertür geirrt hatte. Für ihren Artikel würde es von Nutzen sein, wenn sie mehr als nur eine der Liebesmaschinen beschreiben konnte.

Sie warf einen letzten Blick in den Flur, stieß die Tür auf und trat ein. Im Zimmer sah sie einen Mann, der eine Schutzbrille mit mehreren Linsen übereinander trug. Mit einem langen Schraubenzieher stocherte er dem nackten Geschöpf, das auf dem Bett lag, in den ungeschützten mechanischen Eingeweiden herum.

„Oh, das tut mir schrecklich leid!“, sagte Ellie. Tatsächlich quietschte sie eher. Sie räusperte sich und sagte mit tieferer Stimme: „Falsche Tür, mein Fehler, ich …“

Sie starrte den Mann an. Sie kannte ihn. Nicht persönlich, doch er hatte ein sehr einprägsames Gesicht.

Er schob seine Schutzbrille zurück. Er betrachtete sie mit hellen, wissbegierigen Augen, aber nicht besonders freundlich. „Die Tür sollte eigentlich abgeschlossen sein, die Hausherrin hat wahrscheinlich …“ Er brach ab und legte den Kopf schief. „Oh nein“, meinte er. „Sie haben mich erkannt.“

„Ich – ich weiß nicht, was Sie meinen, Sir …“

Es war Sir Bertram Oswald, der bekannte Wissenschaftler, führender Experte für pneumatische Alchemie, Vorsitzender der Königlichen Alchemistischen Gesellschaft und enger Vertrauter (und angeblicher Liebhaber) von Königin Victoria. Er seufzte und streckte den Arm nach der Glockenschnur aus, die neben dem Bett hing. „Ich hoffe wirklich, Sie sind niemand Wichtiges“, sagte er fast bedauernd.