Basel, Fastnacht 1949
Morgenstreich: – wie die bunten, riesenhaften, immer ein wenig wankenden Laternen auf den Marktplatz kommen, aus allen Gassen hört man das Getrommel der Larven, urwaldhaft, ihr Getrommel hat etwas Gestautes, etwas Gestottertes, es zittern die Fensterscheiben und kichern, die Luft ist wie zerrissen von der monotonen Schrille der Pfeifer, und dann sind sie da, Kohorten von übermenschlichen Larven, Vögel, Kobolde, Kohlköpfe, immer eine Gruppe, alle mit einer schrägen Pfeife am Mund, so daß die ganze Gruppe immer auch eine gleiche Haltung hat, ungeheuerlich gerade durch das Mehrfache, das Uniforme, der Dämon nicht als Individuum, sondern als Rasse …
Abends auf einem Maskenball.
Das Ganze, seines Ruhmes würdig, erinnert an eine Sitte, die es in China geben soll: einmal im Jahr kommt die ganze Sippe zusammen, setzt sich im Kreis, alle verstopfen sich die Ohren mit Lehm, dann sagen sie einander die Wahrheit, das heißt, sie sagen einander alle Erdenschande, verspotten, verfluchen, verhöhnen einander, bis sie keuchen, jeder gesteht seine Ehebrüche, seine Geschäfte, seine Listen, seine Süchte, seine Ängste, gesteht und schreit, bis er heiser ist – und dann, wenn keiner mehr kann, polken sie den Lehm aus den Ohren, lächeln, verbeugen sich zierlich, begleiten einander nach Hause, laden sich gegenseitig zum Tee und leben wieder ein Jahr lang zusammen, wie es sich gehört, friedlich, höflich und gesittet …