Zur Schriftstellerei
Selbst wenn dieser Aufruf der Schriftsteller zustande kommen würde, könnte er eine wirkliche Bedeutung haben? Die Völker wollen den Frieden; würden die Schriftsteller, und wenn es solche mit Ruhm sind, als die Stimmen ihrer Völker gelten? Ich denke mich als Zeitungsleser, dem dieser Aufruf unter die Augen kommt; meine Regung: Sieh mal an, die Schriftsteller aller Welt! und nachdem ich etwas flüchtig geprüft habe, welche Namen mir ein Begriff sind und welche fehlen, werde ich weiterblättern, um etwas Tatsächliches zu erfahren, beispielsweise wo das Uran gefunden wird, oder etwas Vergnügliches, beispielsweise ein neues Abenteuerchen von Adamson. O nein, kein Zweifel, daß die Schriftsteller es ehrlich meinen! Einige sind dabei, die unseren vollen Ernst genießen, nicht minder als Eisenhower, aber in andrer Art; ich finde es auch nicht unrichtig, daß sie wieder einmal einen solchen Aufruf machen, ich finde es sogar löblich, es ehrt sie und ist schön, wie wenn Churchill malt … Und indem ich die Zeitung dem andern überlasse und zu meinem Kaffee übergehe, sage ich vielleicht:
»Schade, daß die Schriftsteller und Dichter heutzutage so gar keinen Einfluß haben!«
»Frieden oder Untergang«, sage ich: »ganz meine Meinung! Es ist ein fertiger Wahnsinn –«
»Sicher.«
Auch er greift zur Tasse.
»Wenn die Schriftsteller und Dichter einen wirklichen Einfluß hätten«, sage ich: »vielleicht wäre vieles anders in der Welt!«
Er blättert weiter.
»Glauben Sie?« sagt er bloß.
(Er ist vielleicht Arzt oder so.)
»Als ich noch studiert habe«, fügt er hinzu: »das war vor sechzehn oder siebzehn Jahren, wir hockten in meiner Bude am Radio – vor einer Hitlerwahl – und hörten zwei Stimmen, die ihren Ruhm in die Waagschale warfen: Gerhart Hauptmann und Max Schmeling.«
»Na und?«
»Na und –!«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Wenn unsere Dichter keinen ernsthaften Einfluß haben«, sagt er schon mit dem Blick in die Zeitung: »vielleicht ist es schade, ja, vielleicht auch nicht. Unsere Schuld ist es nicht!… auch den Ruhm kann man nur einmal verkaufen – und Einfluß, wirklichen Einfluß, ich glaube halt, Einfluß hat man immer nur dort, wo man etwas von der Sache versteht, wo man der Welt bewiesen hat, daß man etwas von der Sache versteht …«