Unterwegs, Mai 1946
Schönes deutsches Land! Nichts als ein Wogen von fruchtbarer Weite, Hügel und weiße Wolken darüber, Kirchen, Bäume, Dörfer, die Umrisse nahender Gebirge; dann und wann ein Flugplatz, ein Glitzern von silbernen Bombern, die in langen Reihen stehen, einmal ein zerschossener Tank, der schräg im Graben liegt und mit seiner Kanone in den Himmel zeigt, einmal ein verbogener Propeller in der Wiese –
In Landsberg ist Alarm:
Unser Jeep muß stoppen, wir werden geprüft, Wachen mit Helm und Pistole, Gurten mit glänzenden Patronen, es wimmelt von verwahrlosten Menschen, die mit den Händen fuchteln; ihre Sprache verstehe ich nicht, und auch am Ausgang des lieblichen Städtleins steht ein Panzerwagen, Kanone ohne Mündungskappe.
Dann wieder die offenen Felder, die Allee, die uns seit Stunden begleitet, wieder das Wogen von gelassenen Hügeln, Wolken und Wäldern und wieder Baracken; ein Lager im gerodeten Wald, der Boden ist grau und kahl, pflanzenlos, es erinnert mich an eine Farm mit Silberfüchsen oder so, alles umzäunt und ordentlich und schnurgerade, ein Schachbrett hellichter Verzweiflung, Menschen, Wäsche, Kinder, Stacheldraht.
Bregenz:
Alles trieft von französischen Farben. Übermaß an Flaggen, das nie überzeugt, wie immer ihre Farben auch sind. Wir fahren gerade in einen Aufmarsch mit Trommeln, in eine Musik von aufpeitschender Eleganz, klar und leidenschaftlich, heiter, durchsichtig, frech und unwiderstehlich. Endlich kommen sie aus einer Gasse hervor, Gesichter voll Mittelmeer, die Haut wie schöner Lehm, Sammetaugen. Sie schreiten auf den Platz hinaus, wo die Linden stehen, linksum und rechtsum, Trommeln, sie stehen, abermals Trommeln, sie schwingen die Clairons, und jedesmal, wenn sie das wieder machen, blinkt es in der Abendsonne wie Stricknadeln. Ich betrachte ihre weißen Gamaschen, ihre weißen Gürtel, ihre weißen Handschuhe; Marseillaise am Bodensee. Und abermals Trommeln, abermals Fanfaren, abermals Stricknadeln, eine Hochzeit zwischen Operette und Kaserne, vorzüglich, aber unwahrscheinlich.