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Montag, 21. 7., 12.23 Uhr
Dr. Baum brachte sie in sein Büro, das noch
kleiner und dunkler war als das seines Chefs und dazu heiß und
stickig. Immerhin hatte er ein paar Topfpflanzen aufgestellt. Eine
davon hatte riesige pinkfarbene Blüten, ähnlich wie ein
Oleander.
»Also«, fragte er, nachdem er ein Fenster geöffnet
hatte und sie sich gesetzt hatten. »Was wollen Sie wissen, bevor
wir den Patienten holen?«
»Wie geht es ihm jetzt?«, fragte Mona. »Ist
er...«
»Ansprechbar? Tja, das kommt drauf an. Wir haben
ihn schon eingehend über dieses Seminar bei diesem...«
»Plessen. Fabian Plessen.«
»Richtig. Wir haben Fritz natürlich dazu befragt.
Sie finden die Zusammenfassung der Gesprächsprotokolle in seiner
Akte. Aber zu dem Thema kommt nicht viel. Ich glaube, nicht so sehr
das Seminar war traumatisch, sondern das, was es auslöste. Da ging
es offenbar um seinen Großvater...«
»... vor dem er Angst hat?«
Dr. Baum zuckte die Schultern. Er hatte ein
offenes, freundliches Gesicht mit sehr jungen Augen. »Seit der
Sache, behauptet seine Frau, hat Fritz plötzlich diese paranoiden
Wahnvorstellungen, sein Großvater wollte ihm, quasi aus dem Grab,
was antun. Seine Frau sagt, vorher war er relativ normal. Ein sehr
vorsichtiger Mann, manchmal zwanghaft. Aber doch mehr oder weniger
normal.«
»Glauben Sie das?«
»Ja, warum nicht? Fritz ist dreiundvierzig. Es
passiert schon mal, dass ein vorher seelisch einigermaßen gesunder
Mann einen Schub bekommt. Aus mehr oder weniger heiterem Himmel. Es
ist nicht gerade häufig, aber es kommt vor. Im Allgemeinen sind
diese Schübe aber dann kürzer. Fritz besteht seit drei Monaten
darauf, dass sein Großvater ihn heimsucht und ihm droht.«
»Sie glauben, da war vorher schon was? Er war
vorher schon krank?«
»Nicht unbedingt. Sehen Sie, manche Therapien sind
einfach nicht für jeden Menschen geeignet. Viele Therapeuten, na
ja, sie tun so, als sei es in jedem Fall eine Befreiung, mehr über
sich oder seine Familie zu wissen. Aber manche Patienten
überfordert das, vor allem wenn es nach der Therapie niemanden
gibt, der sie auffängt. Soweit ich das Konzept Plessens kenne,
führt er keine individuelle Nachbehandlung durch. Seine Klienten
sind anschließend ganz auf sich allein gestellt. Ich halte das für
gefährlich.«
»Verstehe«, sagte Mona. Sie sah auf die Uhr.
»Können wir jetzt mit dem Patienten sprechen?«
Dr. Baum stand auf. »Sicher, ich lasse ihn
herbringen. Wollen Sie was trinken? Kaffee, Tee, Wasser?«
»Wasser«, sagten Mona und Bauer wie aus einem Mund.
»Möglichst kalt«, fügte Mona hinzu.