2
Montag, 21. 7., 11.13 Uhr
»Was hat Hans gesagt?«, erkundigte sich Bauer, als
sie in Monas Wagen saßen und in nördlicher Richtung stadtauswärts
fuhren.
»Nichts Wichtiges«, sagte Mona abweisend.
»Das hat aber anders ausgesehen.«
»Patrick. Die Sache geht dich nichts an.«
Eine kleine Pause trat ein. Bauer schien
nachzudenken. Hoffentlich über den Fall und nicht über dieses
Thema, denn Mona würde nicht mit ihm darüber reden. Nicht mit ihm
und auch sonst mit niemandem. Fischer war ein Problem, das sie
allein lösen musste.
»Hans bewundert dich. Das kann er nicht aushalten«,
sagte Bauer plötzlich. Mona sah ihn bass erstaunt von der Seite an.
Bauer duckte sich in den Beifahrersitz, als wollte er sich vor ihr
verstecken.
»Wie meinst du das?«, fragte Mona schließlich und
richtete den Blick wieder auf die Straße.
Bauer sagte nichts. Wahrscheinlich aus Angst, zu
weit gegangen zu sein. Mona schloss genervt die Augen. »Patrick!
Ich will wissen, wie du das meinst. Du brauchst keine Angst zu
haben. Das hier bleibt unter uns.«
»Okay.«
»Also los.«
»Hans...« Patrick hielt inne und versuchte es ein
zweites Mal. »Er würde alles ganz anders machen als du. Aber du
hast den Erfolg. Er versteht das nicht. Und dann... also...«
»Ja?«, fragte Mona. Sie bogen auf die Autobahn,
Mona gab Gas und schloss ihr Seitenfenster. Die Sonne stand nun
hinter ihnen, das machte die Temperaturen angenehmer.
»Du zeigst ihm das deutlich. Dass er keinen Schnitt
bei dir macht. Du lobst jeden mehr als ihn. Selbst mich«, fügte
Patrick hinzu, ohne zu merken, an welch miserable Position er sich
mit dieser Aussage freiwillig platzierte.
»Ach ja?«, fragte Mona verwundert. Es stimmte, sie
kommentierte Fischers Leistungen selten, auch dann nicht, wenn sie
gut waren. Man lobte niemanden gern, der sich offen renitent
verhielt. Renitent... Sie musste an Plessen mit seinen Theorien
denken. Vielleicht war auch das Dezernat und überhaupt jede Firma,
jedes Büro so etwas wie eine Familie, zumindest von den Strukturen
her. Vielleicht hatte in der Familie jeder eine Rolle. Wenn das so
wäre, dachte Mona plötzlich, wäre ich die Mutter! Eine Mutter von
der erwartet wurde, dass sie ihre Sprösslinge erzog.
Vielleicht rührten einige ihrer Probleme mit
Fischer daher, dass sie sich in seiner Gegenwart eher wie eine
große Schwester verhielt, während Berghammer... Ja, er war
eindeutig eine Vaterfigur. Man orientierte sich an ihm, man
vertraute ihm. Vielleicht lag es an Mona, endlich die richtige
Rolle einzunehmen, damit ihr Wort Gewicht bekam.
»Komisch«, sagte sie mehr zu sich selbst, als zu
jemandem anders, »worauf man alles so kommt, wenn man...«
Bauer sah sie an, als verstünde er nur
Bahnhof.
»Ist schon gut«, sagte Mona. Ihr Handy klingelte
und sie schaltete auf die Freisprechanlage.
»Ja?«, fragte sie.
David Gerulaitis’ Stimme quäkte aus dem
Lautsprecher. »Ich wollte nur sagen, es hat geklappt. Ich fange
morgen mit dem Seminar an.«
»Super. Dass Sie das so kurzfristig geschafft
haben, meine ich. Toll.«
»Plessen wollte das Seminar eigentlich ausfallen
lassen. Es gab jede Menge Stornierungen wegen der Geschichte mit
seinem Sohn, und es kommen nur wenige Leute, außer mir nur sieben.
Normalerweise, sagt Plessen, sind es zwanzig bis dreißig. Aber ich
hab ihn überzeugt, es doch zu machen.«
»Gut«, sagte Mona. »Das ist wirklich gut. Melden
Sie sich spätestens morgen Abend bei mir.«
»Okay. Bis morgen.«
Gerulaitis konnte sie loben, Fischer nicht.
Vielleicht lag es nicht nur an ihm.
»Wer war das?«, fragte Bauer.
»Niemand Wichtiges.« Gerulaitis war ihr Mann, Bauer
ging das nichts an.
Mona grübelte weiter. Vielleicht erinnerte sie
Fischer an jemanden, dessen Name mit A anfing und mit N aufhörte,
und der sich ebenfalls an keine Regeln hielt. Vielleicht war sie
manchmal neidisch auf denjenigen. Vielleicht kam sie deshalb nicht
von ihm los. Vielleicht war Liebe zu einem gewissen Teil nichts
anderes als das: Neid auf Besitztümer oder Eigenschaften, die man
bei sich selbst vermisste.
Mona schaltete das Autoradio ein und drehte den
Popsender laut auf, ohne auf Bauer Rücksicht zu nehmen. Sie hatte
jetzt keine Lust, sich zu unterhalten. Sie musste nachdenken, und
das ging im Fahren bei lauter Musik am besten.