12

Also gaben sie Falcon ein Schiff. Hope Dhoni half ihm an Bord.

Das Schiff war im Grunde eine Hantel: eine zylindrische Stange mit Fusionstriebwerken und Landegestell am einen Ende und einer kugelrunden Kapsel für die Besatzung am anderen. Eigentlich ähnelte es den altehrwürdigen interplanetarischen Raumfahrzeugen der Discovery-Klasse wie jenem, das Falcon vor mehr als dreißig Jahren zum Jupiter gebracht hatte, war jedoch kleiner. An der elementaren technischen Logik, dass man das Strahlung abgebende Fusionstriebwerksmodul von den Aufenthaltsbereichen trennen musste, hatte sich nichts geändert.

Allerdings war alles, was für Falcons Reise nicht unbedingt erforderlich war, entfernt worden, um das Schiff schlank und schnell zu machen. Kaum an Bord, war Falcon schon fester eingepasst als ein Mercury-Astronaut in seiner primitiven Kapsel – ein Gedanke, der Geoff Webster gefallen hätte. Falcon benötigte keine unabhängigen Lebenserhaltungssysteme, und da er den größten Teil der Reise zum Kuipergürtel im künstlichen Schlaf verbringen würde, brauchte er auch nur wenig Platz.

Sie hatten es Falcon überlassen, dem Schiff einen Namen zu geben. Er durchforstete sein Gedächtnis und dachte an Webster. Wie stand es mit jenem traumhaft schönen Tag, an dem sie einen Ballonflug über die nördlichen Vorgebirge Indiens unternommen hatten? Falcons nicht sonderlich subtiles Ziel war es gewesen, Webster von den Freuden der Luftschifffahrt zu überzeugen und so dessen Unterstützung für seine Pläne zu gewinnen. Ohne diesen Ausflug hätte es keine Queen Elizabeth, keine Kon-Tiki, keine Begegnung mit den Medusen gegeben … Es war eine bittersüße Erinnerung, ja. Aber so vieles hatte mit dieser einen Ballonfahrt seinen Anfang genommen.

»Srinagar«, sagte Falcon.

»Wie bitte?« Hope stand gerade in der Kabine und über ihn gebeugt, einen medizinischen Diagnostik-Minisec in der Hand. Sie war hier, um seine Integration ins Schiff zum Abschluss zu bringen.

»Mein Rufzeichen. Srinagar. Leiten Sie’s bitte weiter?«

Hope setzte ihre Arbeit schweigend fort. Sie schien nicht weggehen zu wollen. Er war sogar ziemlich sicher, dass Hope sich gewünscht hatte, irgendetwas würde auftauchen, eine Rechtfertigung für sie, um seine Beteiligung an der Kuipergürtel-Mission zu unterbinden.

»Mir passiert schon nichts«, sagte er, als sie schließlich zurücktrat und die Techniker sich bereit machten, ihn einzuschließen.

Hope zog ihr letztes Diagnosekabel ab. Es verschwand sofort im Korpus des Minisecs. »Tja, ich hoffe, Sie passen da draußen gut auf sich auf.«

Er musterte sie; es klang, als hätte sie eine Abfuhr bekommen. »Hope …«

»Ja?«

Er legte seine künstliche Hand auf ihre. »Ich komme schon klar. Was ich bei dieser Besprechung gesagt habe, war mein Ernst, wissen Sie. Ich habe nicht allzu viele Freunde. Aber diejenigen, die ich habe, weiß ich zu schätzen.«

Er hob mit einem g von Makemake ab, überschritt binnen hundert Sekunden die Fluchtgeschwindigkeit, und Trujillos kleine Licht- und Wärmepfütze blieb bald hinter ihm zurück. Ein, zwei Minuten später hatte die Krümmung von Makemake die Lichter der Brown-Station in Sicht gebracht. Aber schon kurz darauf befand sich die gesamte kleine Welt in seinem Blickfeld, wo sie rasch schrumpfte.

Im offenen Raum erhöhte Falcon die Leistung der Fusionstriebwerke schrittweise um jeweils ein g. Dabei behielt er die Anzeigen aufmerksam im Auge, bis er davon überzeugt war, dass die Srinagar reibungslos funktionierte. Er würde drei Stunden lang mit zehn g beschleunigen, bis seine Geschwindigkeit tausend Kilometer pro Sekunde betrug. Das klang schnell, und es war auch schnell: In einem solchen Tempo hätte er die Strecke zwischen Erde und Mond binnen Minuten zurücklegen können. Doch im Vergleich zu dem Babyschritt von der Erde zum Mond waren die Dimensionen des äußeren Sonnensystems gewaltig. Die Reise von der Erde nach Makemake würde selbst bei dieser Geschwindigkeit mehr als zwei Monate dauern – entsprechend lange mussten die Delegierten der Weltregierung auch unterwegs gewesen sein. Und obwohl Makemakes Bahn ebenso wie die des Eisteroiden, den er ansteuerte, innerhalb des Kuipergürtels verlief, würde Falcon bei seinem Flug einen breiten Streifen dieses riesigen, ausgedehnten Eisteroiden-Schwarms durchqueren. Er würde den Fusor frühestens in fünfundzwanzig Tagen wieder anwerfen, und bis dahin würde er meistens nur antriebslos dahinsegeln.

Und schlafen.

»Makemake, Srinagar. Hier ist Falcon. Ich melde mich ab – wahrscheinlich werde ich in ungefähr sechshundert Stunden wieder erwachen. Sagen Sie Doktor Dhoni, ihr Patient passt sehr gut auf sich auf.«

Falcon warf einen letzten Blick auf Makemake, eine Silhouette vor der Sonne. Ihm kam der Gedanke, dass sämtliche Welten, auf die der Mensch jemals den Fuß gesetzt hatte, jetzt in seiner Blickrichtung lagen, geborgen in ihren warmen, gemütlichen Umlaufbahnen; einen Moment lang verspürte er das uralte, vertraute Unbehagen der Reisenden aller Zeiten, wenn ihr Weg ins Unbekannte führte. Aber der Moment ging vorbei, und Falcon bereitete sich auf den Schlaf vor. Er träumte kurz von einer Ballonfahrt über den sonnenbeschienenen Himalaja, zusammen mit Geoff Webster und Hope Dhoni – und mit einem verärgerten Simp in der Takelage, der den Brenner zu sabotieren drohte …

Und dann träumte er gar nichts mehr.

Die Medusa-Chroniken
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