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Wie Falcon bei seiner Rückkehr zu Springers Vortrag feststellte, hatte niemand im Publikum auch nur bemerkt, dass der Pionier der Jupiterwolken kurzzeitig verschwunden war. Erneut brodelte unvernünftiger Groll in ihm empor.
Es half auch nichts, dass Matt Springer eine gute Geschichte zu erzählen hatte. Als wollte er noch Salz in die Wunde streuen, fror er ein letztes Bild von Grandpa Seth – tapfer an den Kontrollen seiner dem Untergang geweihten Apollo-Kapsel – hinter sich ein, während er seine Erzählung beschloss. Falcon war beeindruckt, mit welchem Geschick Springer vor einem Publikum, zu dem auch die Weltpräsidentin gehörte, so viel wie möglich aus dem Moment herausholte.
Schließlich sprach er wieder. »Nun, den Rest kennen Sie. Mein Vorfahr wurde mit einer Zeremonie in Arlington geehrt. Robert Kennedy schlug Richard Nixon bei den Präsidentschaftswahlen und machte den Icarus-Zwischenfall im Januar 1969 zu einem Kernthema seiner Antrittsrede …«
Eine primitive Aufzeichnung von RFK am Präsidentenpult wurde eingespielt. Falcon kannte die Rede Wort für Wort: »Noch vor einem Jahrzehnt hätten wir die für die Raumfahrt erforderlichen Fähigkeiten, die uns gerettet haben, nicht besessen … Jetzt obliegt es uns, diese Fähigkeiten nicht verkümmern zu lassen … Im Gegenteil, wir müssen die zerbrechliche Erde hinter uns lassen und immer tiefer und weiter in den Weltraum vordringen …«
»Und«, bemerkte Springer mit einem Grinsen, »Kennedy war klug genug zu betonen, wie gut Amerika und die Sowjetunion beim Icarus-Projekt zusammengearbeitet hatten.«
»Diese Episode hat bewiesen, dass wir gemeinsam besser sind als jeder für sich allein, und noch mehr, dass wir vereint gemeinsame Ziele erreichen können …«
Springer sah seine Zuhörer eindringlich an. »Genau dort, in diesem Absatz, lag das Fundament der Einigungsbewegungen, die zur Weltregierung geführt haben. Also fand im Dezember 1971 unter dem Kommando von Frank Borman die erste Apollo-Mondlandung statt. Die 1970er-Jahre waren die Apollo-Dekade, weil die RFK-Regierung die NASA als Ausdruck der öffentlichen Dankbarkeit geradezu mit Geld überschüttete: zahlreiche Missionen, Flüge zu den lunaren Polen und zur erdabgewandten Seite, die Anfänge einer dauerhaften Basis im Clavius-Krater. Und dann die ersten Schritte über den Mond hinaus.«
Weitere Bilder von den sowjetisch-amerikanischen Landungen auf dem Mars in den 1980er-Jahren.
»Seither haben wir ein erstaunliches Jahrhundert des Fortschritts erlebt. Rohstoffe aus dem Weltraum haben uns über Hürden hinweggeholfen – Erschöpfung der Brennstoffe, Klimaprobleme –, die uns sonst ins Straucheln gebracht hätten. Der erste Weltpräsident wurde 2060 zu einer Aufzeichnung der Hendrix-Hymne vereidigt, aber ich habe zehn Jahre lang auf den Bermudainseln gelebt, und dort hieß es immer, die Hauptstadt des Planeten zu beherbergen habe vor allem den Vorteil des privilegierten Zugangs zum Globalen Wettersekretariat in puncto Hurrikan-Schutz.«
Höfliches Gelächter.
»Und was Seths Nachkommen betrifft …« Er rief ein Bild seines eigenen Missionsabzeichens auf. Es war eine Variante des Familienwappens, das einen Springbock im Sprung zeigte; die Springers waren eine alte holländische Familie mit umfangreichen Seitenlinien in Südafrika. Jetzt hüpfte dieser Springbock zwischen den Monden des Pluto umher. Applaus brandete auf, und Springer lächelte bescheiden.
»In gewissem Sinn rührte das alles von Grandpa Seths Heldenmut her«, sagte er. »Jedenfalls, da nun das neue Jahr vor der Tür steht – nach Houston-Zeit, der einzigen Uhr, die für einen Astronauten zählt –, beantrage ich mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, dass wir in die Bar zurückkehren …«
Und in diesem Moment erbebte das U-Boot – ein anderthalb Kilometer langes Fahrzeug, das wie ein Gong dröhnte.