25
Mein Name ist Orpheus. Diese Telemetriedaten werden mittels Funksignalen übertragen, die Charon 2 in der Grenzregion zwischen Wasserstoff in gasförmiger und flüssiger Form empfängt. Anschließend werden sie über die Ra an der Thermalisierungsschicht zu Charon 1 in der Station NGB-4 und dann zum Kontrollzentrum auf Amalthea weitergeleitet. Ich befinde mich in ausgezeichneter gesundheitlicher Verfassung, und alle Subsysteme arbeiten normal. Ich bin mir der Ziele der Mission nach wie vor in vollem Umfang bewusst und stehe voll und ganz hinter ihnen.
Gegenwärtig sinke ich durch einen Ozean aus molekularem Wasserstoff und Helium. Ich bin nicht in Gefahr. Für diesen ersten Abstieg bin ich weit von all jenen großen vulkanartigen Merkmalen entfernt eingesetzt worden, die wir Herde nennen. Ihre Erkundung ist eine Aufgabe für die Zukunft.
Der Druck und die Temperaturen, denen ich ausgesetzt bin, steigen stetig. Meine Konfiguration passt sich weiterhin plangemäß an. In den größten Tiefen wird mein Bewusstsein in kaum mehr als einem Schwarm von Splittern aus verstärktem kristallinen Kohlenstoff enthalten sein – einer hoch entwickelten Art von Diamant –, die bei solch extremen Temperaturen von eben jenen Drücken, die dann auf mich einwirken, in festem Zustand erhalten werden. Auf diese Weise setze ich die physikalischen Bedingungen wirkungsvoll zur Erhaltung meiner Struktur ein, statt gegen sie anzukämpfen.
Es gibt kein sichtbares Licht. Ich falle durch Dunkelheit. Aber der Wasserstoffozean ist elektrisch neutral, und Radiowellen von großer Wellenlänge können das Dunkel durchdringen.
Dennoch …
Dennoch nehme ich Formen und Strukturen wahr, die sich durch die Dunkelheit um mich herum bewegen. Riesige, gestaltlose Massen.
Möglicherweise sind es unbelebte Blöcke einer exotischeren Form von Wasserstoff, die bei hohem Druck entsteht. Treibende Eisberge. Oder sie sind eine Lebensform, die sich vom dünnen Nieselregen komplexer chemischer Verbindungen aus der Atmosphäre über mir oder von den graduellen Temperaturdifferenzen dieses Ozeans ernährt, vielleicht sogar von der gesättigten elektromagnetischen Strahlung. Überall, wohin Menschen und Maschinen gereist sind, haben sie Leben gefunden; also wäre es auch keine Überraschung, hier auf welches zu treffen. Ihre Bewegungen weisen jedoch kein Muster, keinerlei Intention auf. Selbst wenn es hier Leben gibt, ist dieser Ozean ohne besondere Merkmale vielleicht doch zu nährstoffarm, als dass sich so etwas wie Intelligenz herausbilden konnte. Eine Begegnung mit diesen Tiefenjovianern, falls sie das sind, muss auf technisch ausgereiftere Missionen als meine warten.
Man nimmt an, dass ich in einer Tiefe von ungefähr zwölftausend Kilometern, wo sich der Druck einer Million Erdatmosphären nähert, eine Übergangsregion ins Reich einer anderen Physik erreiche und dass meine Konstruktion dann mit neuen Herausforderungen konfrontiert sein wird.
Momentan fühle ich mich jedoch wohl.«