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Ford bezahlte den Taxifahrer und schlenderte den Gehweg entlang. Das Edelsteinviertel von Bangkok war ein Gewirr von Straßen abseits der Silom Road, nicht weit entfernt vom Fluss. Es bestand aus einer Mischung aus riesigen, kaufhaus-ähnlichen Großhändlern und den hässlichen kleinen Ladenfronten der Betrüger und Geldwäscher. Die Straße war grundsätzlich verstopft, die schmalen Bürgersteige von verbotenerweise geparkten Autos blockiert, die Gebäude zu beiden Seiten billig, modern und geschmacklos. Bangkok gehörte weiß Gott nicht zu Fords Lieblingsstädten.
An der Ecke Bamroonmuang Road traf er auf ein niedriges Gebäude in dunkelgrauem Backstein. Auf dem Schild über der Tür stand PIYAMANEE LTD., und in den verdunkelten Fensterscheiben sah er nur sein Spiegelbild.
Ford kämmte sich mit den Fingern das Haar zurück und zog sein rohseidenes Jackett zurecht. Er war aufgemacht wie ein Drogendealer, das Seidenhemd bis zum Brustbein offen, Goldkettchen, Bollé-Sonnenbrille, Dreitagebart. Er schob die Hände in die Taschen, schlenderte durch die offene Tür nach drinnen, blieb stehen und sah sich um. Das Licht war schummrig, so dass man die Steine nicht allzu genau untersuchen konnte, und es roch ganz leicht nach Chlorreiniger. Gläserne Ladentheken mit anämischer Beleuchtung bildeten ein riesiges offenes Rechteck. Ein junges amerikanisches Pärchen, offensichtlich auf Hochzeitsreise, betrachtete eine Auswahl trüber Sternsaphire, die auf schwarzem Samt ausgelegt waren.
Sofort eilten zwei Verkäuferinnen auf ihn zu, von denen keine älter sein konnte als sechzehn.
»Sawasdee! Willkommen, liebster Freund!« Eine hielt ihm einen Mango-Drink hin, mit Blume und Schirmchen. »Sie kommen letzte Tag Sonderexport von Regierung zu kaufen Edelsteine, Sir?«
Ford ignorierte sie.
»Sir?«
»Ich will den Besitzer sprechen.« Er sprach in die Luft etwa dreißig Zentimeter über ihren Köpfen, ohne die Sonnenbrille abzunehmen, die Hände noch in den Taschen.
»Sir wünschen Willkommen Drink?«
»Sir nicht wünschen Willkommen Drink.«
Die Mädchen zogen enttäuscht ab, und gleich darauf erschien ein Mann aus dem Hinterzimmer. Er trug einen makellosen schwarzen Anzug mit weißem Hemd und grauer Krawatte und verbeugte sich mehrmals unterwürfig mit zusammengelegten Händen, während er sich Ford näherte. »Willkommen, liebster Freund! Willkommen! Woher kommen Sie? Amerika?«
Ford musterte ihn mit strengem Blick. »Ich will mit dem Besitzer sprechen.«
»Thaksin, Thaksin, zu Diensten, Sir!«
»Scheiß drauf. Ich rede nicht mit Lakaien.« Ford wandte sich zum Gehen.
»Einen Moment, Sir.« Ein paar Minuten vergingen, und ein sehr kleiner, müder Mann kam aus den hinteren Räumen. Er trug einen Trainingsanzug und ging leicht gebeugt, ohne die Eile der anderen, und er hatte Tränensäcke unter den Augen. Als er Ford erreichte, hielt er inne und musterte ihn mit undurchdringlich ruhiger Miene von oben bis unten. »Ihr Name, bitte?«
Anstelle einer Antwort holte Ford einen orangefarbenen Stein aus der Tasche und zeigte ihn dem Mann.
Der trat beiläufig einen Schritt zurück. »Gehen wir in mein Büro.«
Das Büro war klein und mit billigem Furnier getäfelt, das sich in der feuchten Luft verzogen und teilweise abgelöst hatte. Es stank nach Zigaretten. Ford hatte schon früher Geschäfte in Südostasien getätigt und wusste, dass ein schäbiges Büro oder die schlecht geschnittene Kleidung eines Mannes keinen Hinweis darauf darstellte, wer die Person war; ein völlig heruntergekommenes Büro konnte der Arbeitsplatz eines Milliardärs sein.
»Ich bin Adirake Boonmee.« Der Mann streckte eine kleine Hand aus und schüttelte Fords mit leichtem Druck.
»Kirk Mandrake.«
»Dürfte ich diesen Stein noch einmal sehen, Mr. Mandrake, Sir?«
Ford holte den Stein hervor, doch der Mann nahm ihn nicht.
»Legen Sie ihn doch auf den Tisch.«
Ford legte ihn hin. Boonmee musterte ihn lange, rückte näher, griff dann danach und hielt ihn in einen starken Lichtstrahl, der aus einer Ecke in den Raum fiel.
»Er ist falsch«, sagte er. »Ein bedampfter Topas.«
Ford täuschte einen Augenblick der Verwirrung vor, von der er sich rasch erholte. »Natürlich, das ist mir klar«, sagte er.
»Natürlich.« Boonmee legte den Stein auf ein Filztablett auf seinem Schreibtisch. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich habe einen großen Kunden, der eine Menge von diesen Steinen will. Honeys. Echte. Und er ist bereit, einen Spitzenpreis zu bezahlen. In Goldmünzen.«
»Was hat Sie auf den Gedanken gebracht, wir könnten solche Steine verkaufen?«
Ford griff in seine Tasche, zog ein Röhrchen American Eagles heraus und ließ die Münzen auf den Filz fallen, so dass eine nach der anderen mit dumpfem Klimpern aufschlug. Boonmee schien die Münzen keines Blicks zu würdigen, aber Ford konnte an seiner Halsschlagader sehen, wie sich der Puls beschleunigte. Schon komisch, dass der Anblick von Gold das oft bewirkte.
»Damit möchte ich ein Gespräch eröffnen.«
Boonmee lächelte, ein eigenartig unschuldiger, liebenswerter Ausdruck, der sein kleines Gesicht erstrahlen ließ. Er schob die Hand über die Münzen und steckte sie sich in die Tasche. Dann lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück. »Mr. Mandrake, ich glaube, wir werden ein gutes Gespräch führen.«
»Mein Kunde ist ein Großhändler in den USA, der mindestens zehntausend Karat Rohsteine kaufen möchte, um sie selbst zu schleifen und zu verkaufen. Ich selbst bin kein Edelsteinhändler – ich könnte einen Diamanten nicht von einem Glassplitter unterscheiden. Ich bin das, was man vielleicht einen ›Importvermittler‹ nennen könnte, wenn es darum geht, äh, Lieferungen durch den amerikanischen Zoll zu bekommen.« Ford legte einen gewissen prahlerischen Unterton in seine Stimme.
»Ich verstehe. Aber zehntausend Karat sind unmöglich. Jedenfalls kurzfristig.«
»Warum das?«
»Die Steine sind selten. Sie kommen langsam zutage. Und ich bin nicht der einzige Edelsteinhändler in Bangkok. Ich kann Ihnen für den Anfang ein paar hundert Karat liefern. Dann sehen wir weiter.«
Ford rutschte auf dem Stuhl herum und runzelte die Stirn. »Sie werden mich mit gar nichts ›für den Anfang‹ abspeisen, Mr. Boonmee. Das ist ein einmaliges Geschäft, alles oder nichts. Zehntausend Karat, oder ich gehe in den nächsten einschlägigen Laden.«
»Wie lautet Ihr Preis, Mr. Mandrake?«
»Zwanzig Prozent mehr, als allgemein gezahlt wird: sechshundert amerikanische Dollar für das ungeschliffene Karat. Das sind sechs Millionen Dollar, falls Mathematik nicht Ihre Stärke sein sollte.« Ford begleitete das mit einem angemessen dümmlichen Grinsen.
»Ich werde jemanden anrufen. Haben Sie eine Karte, Mr. Mandrake?«
Ford holte eine beeindruckende Karte hervor, wie sie in Asien üblich war, auf feinstem, schwerem Karton mit goldenem Prägedruck, auf der einen Seite in Englisch, auf der anderen in Thai beschriftet. Er überreichte sie Boonmee mit großer Geste. »Sie haben eine Stunde, Mr. Boonmee.«
Boonmee neigte den Kopf.
Nach einem abschließenden Händedruck verließ Ford das Geschäft, blieb an der Ecke stehen, hielt Ausschau nach einem Taxi und winkte die Tuk Tuks weiter. Zwei illegale Taxis hielten, doch auch da winkte er ab. Nachdem er zehn Minuten lang frustriert auf und ab gelaufen war, holte er seine Brieftasche hervor, schaute hinein und ging wieder in den Laden.
Sofort stürzten sich die jungen Verkäuferinnen auf ihn. Er ging einfach an ihnen vorbei zur hinteren Tür und klopfte an. Gleich darauf erschien der kleine Mann.
»Mr. Boonmee?«
Der Händler sah ihn überrascht an. »Gibt es ein Problem?«
Ford lächelte verlegen. »Ich habe Ihnen die falsche Karte gegeben. Eine alte. Darf ich …?«
Boonmee ging zu seinem Schreibtisch, nahm die alte Karte und reichte sie ihm.
»Ich bitte um Verzeihung.« Ford hielt ihm die neue Karte hin, steckte sich die alte in die Brusttasche und eilte wieder hinaus in die heiße Sonne.
Diesmal fand er sofort ein Taxi.