44

Corso schloss die Haustür auf und trat langsam ein, bemüht, seine Mutter nicht zu wecken. Er stolperte über den Teppich im Flur, fluchte, ging ins Wohnzimmer und schloss die Schiebetür, damit sie ihn nicht hörte. Seine Schicht im Moto’s war zu Ende, und er war noch ein wenig geblieben, um selbst etwas zu trinken. Es war zwei Uhr morgens. Elf Uhr abends in Kalifornien.

Elf. Er ließ sich erhitzt aufs Sofa sinken. Er hatte heute mit Marjory telefoniert, ein wenig befriedigender Anruf, obendrein sehr kurz, weil sie in der Arbeit gewesen war. Sie waren nur eine Woche lang zusammen gewesen, als er hatte gehen müssen. Ihre Beziehung war wild und erotisch, aber auf die Entfernung konnte nichts daraus werden.

Herrgott, das war furchtbar. Er hatte noch nie so viel Spaß mit einem Mädchen gehabt. Und er musste unbedingt mit jemandem sprechen, eine zweite Meinung von jemandem einholen, der die Spieler kannte und den Platz.

Er griff zum Telefon und wählte ihre Nummer. Es klingelte viermal, ehe sie sich meldete, mit leiser, ferner Stimme.

»Mark?«

»Ja, hallo, ich bin’s.«

»Alles in Ordnung?«

»Ja, mir geht’s gut. Hör mal, ich muss mit dir über etwas reden … es geht um die Arbeit. Ist wirklich wichtig.«

Schweigen. »Was ist mit der Arbeit?« Ihre Stimme klang argwöhnisch. Sie hatte ziemlich deutlich gemacht, dass sie nicht in seine Aktion mit hineingezogen werden oder seinetwegen die eigene Karriere gefährden wollte.

»Ich habe eine Festplatte der NPF hier. Eine von den geheimen. Da sind sämtliche hochauflösenden Bilder drauf.«

»O Scheiße, Mark, erzähl mir doch nicht so etwas. Ich will nichts davon hören.«

»Du musst mir zuhören. Ich habe darauf etwas gefunden. Etwas Unglaubliches.«

»Ich will wirklich nichts mehr hören. Ich lege jetzt auf.«

»Nein, warte! Ich habe ein außerirdisches … Gerät oder Artefakt gefunden, auf …« Er zögerte. Sag ihr nicht, wo. »Auf dem Mars.«

Kurzes Schweigen. »Moment mal. Was hast du gesagt?«

»Ich habe ein Bild gefunden. Eine sehr deutliche Abbildung einer sehr, sehr alten Konstruktion auf der Oberfläche des Mars. Eindeutig.«

»Du hast zu viel getrunken.«

»Ja, ich habe etwas getrunken, aber als ich diese Entdeckungen gemacht habe, war ich nüchtern. Marjory, du weißt, dass ich kein Idiot bin, du weißt, dass ich am MIT als Jahrgangsbester abgeschlossen habe, und du weißt, dass ich der jüngste Techniker in der gesamten Marsmission war. Wenn ich dir sage, dass das echt ist, ist es echt. Ich glaube, diese Maschine ist die Gammastrahlenquelle.«

Er konnte sie am anderen Ende der Leitung atmen hören. »Eine Menge geologischer Formationen können künstlich aussehen.«

»Das ist keine Formation. Das Ding hat einen Durchmesser von etwa sechs Metern. Es besteht aus einem perfekt zylindrischen Rohr mit einem Rand, etwa zwei Meter Durchmesser, das aus der Oberfläche hervorragt, umgeben von fünf makellos kugelförmigen Projektionen. Das Ganze ist auf einer fünfeckigen Plattform montiert und zum Teil von Regolith-Verwehungen bedeckt.«

»Woher willst du wissen, dass es alt ist?«

»Der Regolith! Und man kann kleine Scharten und Erosionen von Mikrometeoroiden erkennen. Es muss Millionen Jahre alt sein.«

Erneutes Schweigen. »Wo auf dem Mars ist es? Ich will diese Bilder sehen.«

»Tut mir leid, aber das werde ich dir nicht sagen.«

»Warum nicht?«

»Weil es meine Entdeckung ist, die Anerkennung steht mir zu. Das verstehst du doch sicher.«

»Natürlich. Aber … Was willst du jetzt machen? Wie willst du es bekanntmachen?«

»Ich habe Chaudry angerufen.«

»O Gott. Du hast ihm gesagt, dass du eine der Geheimhaltung unterliegende Festplatte gestohlen hast?«

»Ich habe sie nicht gestohlen, aber ja, ich habe es ihm gesagt. Er soll mich wieder einstellen, dann komme ich mitsamt der Festplatte zurück, wir könnten alles vergessen und uns meine Entdeckung teilen. Wenn nicht, schicke ich die Festplatte dem FBI, und seine Karriere ist am Ende.«

»O Gott. Und?«

»Das Arschloch hat mir nicht geglaubt, dass es diese außerirdische Maschine gibt. Er hat mich einen Lügner und Psychopathen genannt. Er wollte mir nicht einmal glauben, dass ich überhaupt eine geschützte Festplatte habe. Also habe ich ein Detail aus einem hochauflösenden Bild geschickt – als Beweis. Natürlich kein Bild von der Maschine, denn dann könnte er sie ja mit Hilfe der Bilddatei finden. Aber ich habe ihm einen anderen hochauflösenden Ausschnitt geschickt. Der Drecksack hat vielleicht schnell zurückgerufen.«

»Du bist wahnsinnig.«

»Das ist ein Spiel mit hohem Einsatz.«

»Und?«

»Und es ist irgendwie nach hinten losgegangen. Er hat gesagt, er würde einen Scheißdreck für mich tun. Und jetzt könnte ich ihm auch nichts mehr. Denn wenn ich die Festplatte anonym ans FBI schicken und er deswegen Schwierigkeiten bekommen sollte, könnte er jetzt mit dem Finger auf mich zeigen. Wenn ich stürze, stürzen Sie mit, hat er gesagt. Ich stecke in der Klemme.«

Eine lange Pause. »Er hat recht.«

»Das ist mir jetzt auch klar. Der Scheißkerl hat mich ins Patt manövriert.«

»Und jetzt?«

»Die Sache ist noch lange nicht vorbei. Ich überlege, ob ich mit der Festplatte zur Times gehen soll. Ich schwöre bei Gott, ich werde die Anerkennung für diese Entdeckung bekommen, und wenn es das Letzte ist, was ich tue.« Er zögerte. »Ich brauche eine zweite Meinung. Ich wüsste gern, was du denkst. Ich habe so lange darüber nachgedacht, dass mir bald der Kopf platzt.«

Er hörte lange nur das Zischeln der Fernverbindung und leise Musik im Hintergrund. »Du solltest das nicht überstürzen«, sagte Leung dann langsam. »Ich bin nicht sicher, ob es wirklich so klug ist, damit an die Presse zu gehen. Gib mir ein paar Tage Zeit, darüber nachzudenken, okay? Verhalte dich bis dahin ruhig, tu einfach gar nichts.«

»Bitte beeil dich. Ich bin verzweifelt.«

Der Krater
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