65

Harry Burr stand an Deck der Halcyon und beobachtete Straw am Steuer, der das Boot mit Vollgas durch die Wellen lenkte. Da sie keine Zeit verlieren durften, hatten sie ein größeres, langsameres Boot mieten müssen, als es Burr lieb war, aber immerhin hatte es den Vorteil, seetauglich zu sein. Seit sie gegen Mittag abgelegt hatten, verfolgten sie im Radio den Wetterbericht, der kleine Wasserfahrzeuge vor einem nahenden Unwetter warnte. Burr war nicht sicher, ob eine zwölf Meter lange DownEaster-Yacht wie die Halcyon, mit zwei Dieselmotoren, als kleines Wasserfahrzeug galt, aber er war nicht versessen darauf, das auszuprobieren.

»Sie können nicht noch etwas schneller fahren?«

»Ich mute dem Motor schon mehr zu, als gut ist«, erwiderte Straw.

Er hob zum millionsten Mal ein großes Fernglas und suchte den umliegenden Ozean und die Inseln ab. Burr war überrascht, wie viele Inseln es hier gab – Dutzende, wenn nicht Hunderte, ganz zu schweigen von Felsbänken und Riffen. Einige Inseln waren bewohnt, auf ein paar waren Licht- oder Funkanlagen installiert, doch die meisten wirkten verlassen. Burrs Blick glitt zu dem elektronischen Kartenplotter in der gut ausgestatteten Steuerkabine. Er war in Greenwich aufgewachsen, hatte viel Zeit auf und an Booten verbracht und fühlte sich wohl dabei. Aber es war schon eine ganze Weile her. Er beobachtete Straw am Steuer sehr gründlich, um sich zu vergewissern, dass er das Boot später selbst würde steuern können, wenn alles erledigt war und er allein zurückfahren musste. Der Sturm würde ihm eine gute Ausrede liefern, wenn er erklären musste, wo er den Hummerfischer gelassen hatte.

»Sobald wir um die Spitze dieser Insel kommen«, sagte Straw, »haben wir einen Ausblick über die ganze nördliche Muscongus Bay. Holen Sie Ihr Fernglas raus, und machen Sie sich bereit.«

»Wir fahren doch hier an einer Menge Inseln vorbei. Woher wollen Sie wissen, dass sie nicht hier irgendwo in einer Bucht liegen?«

»Weiß ich nicht. Wir suchen erst das offene Meer ab und kommen dann zurück, um in die Buchten zu schauen.«

»Klingt logisch.«

Straw war hochmotiviert, da gab es keinen Zweifel. Er hielt das Steuerrad so fest gepackt, dass seine Fingerknöchel weiß waren, suchte mit zusammengekniffenen Augen ständig die Umgebung nach anderen Booten ab. Er sah aus, als würde er jeden Moment zusammenbrechen.

»Wir haben schon noch genug Zeit«, sagte Burr, bemüht, seine Stimme ruhig zu halten. »Keine Sorge. Solange sie auf dem Wasser sind, wird er nicht zuschlagen. Er braucht sie ja, damit sie das Boot steuert.«

»Ich kenne jeden Hafen, jede Bucht und jeden Ankerplatz von hier bis zur Isle au Haut, und ich schwöre, wir werden sie alle absuchen, bis wir sie finden.«

»Wir werden sie finden.«

»Verdammt richtig.«

Burr zog eine Packung aus der Tasche und rüttelte eine Zigarette heraus. Der Mann ging ihm allmählich auf die Nerven. »Darf ich rauchen?«

Straw sah ihn an. Sein Blick war gehetzt, die Augen blutunterlaufen. Der arme Kerl dachte zu viel nach. »Rauchen Sie achtern, weg vom Motor. Nehmen Sie Ihr Fernglas mit, und halten Sie Ausschau.«

Burr trat an die Heckreling und zündete die Zigarette an. Sie umrundeten eben die Spitze der Insel, und bald erschien eine weitere riesige Fläche Ozean im Nordosten, mit vielen verstreuten Inseln. Die späte Nachmittagssonne zog einen schimmernden Pfad über das blaue Wasser. Mehrere Hummerboote tuckerten in der Nähe herum und holten ihre Fallen ein. Er hob das Fernglas und nahm sich eines nach dem anderen vor.

Keines davon war die Marea II.

Er sog tief den Rauch ein und überlegte, was Ford und das Mädchen wohl vorhaben mochten. Warum waren sie aufs Meer geflohen? Ging es um so etwas wie Spionage? Wie üblich kannte er weder die wahre Identität seiner Auftraggeber, noch wusste er, warum sie die Festplatte wollten. Deshalb war es ihm unmöglich, zu verstehen, warum Ford und das Mädchen von Brooklyn nach Washington reisten, einen Wagen stahlen, damit nach Maine fuhren und dann auf einem Boot aufs Meer verschwanden. Er wusste nur, dass Ford eine Festplatte besaß, die zweihunderttausend wert war. Und mehr brauchte er eigentlich auch nicht zu wissen.

Der Krater
cover.html
haupttitel.html
navigation.html
chapter1.html
chapter2.html
chapter3.html
chapter4.html
chapter5.html
chapter6.html
chapter7.html
chapter8.html
chapter9.html
chapter10.html
chapter11.html
chapter12.html
chapter13.html
chapter14.html
chapter15.html
chapter16.html
chapter17.html
chapter18.html
chapter19.html
chapter20.html
chapter21.html
chapter22.html
chapter23.html
chapter24.html
chapter25.html
chapter26.html
chapter27.html
chapter28.html
chapter29.html
chapter30.html
chapter31.html
chapter32.html
chapter33.html
chapter34.html
chapter35.html
chapter36.html
chapter37.html
chapter38.html
chapter39.html
chapter40.html
chapter41.html
chapter42.html
chapter43.html
chapter44.html
chapter45.html
chapter46.html
chapter47.html
chapter48.html
chapter49.html
chapter50.html
chapter51.html
chapter52.html
chapter53.html
chapter54.html
chapter55.html
chapter56.html
chapter57.html
chapter58.html
chapter59.html
chapter60.html
chapter61.html
chapter62.html
chapter63.html
chapter64.html
chapter65.html
chapter66.html
chapter67.html
chapter68.html
chapter69.html
chapter70.html
chapter71.html
chapter72.html
chapter73.html
chapter74.html
chapter75.html
chapter76.html
chapter77.html
chapter78.html
chapter79.html
chapter80.html
chapter81.html
chapter82.html
chapter83.html
chapter84.html
chapter85.html
chapter86.html
chapter87.html
chapter88.html
chapter89.html
chapter90.html
chapter91.html
chapter92.html
chapter93.html
chapter94.html
chapter95.html
chapter96.html
chapter97.html
chapter98.html
chapter99.html
chapter100.html
chapter101.html
chapter102.html
chapter103.html
info_autor.html
info_buch.html
impressum.html
hinweise.html