69

Harry Burr ging den Kiesstrand entlang, die halbautomatische Waffe in der einen Hand, in der anderen die Taschenlampe, mit der er zwischen die Bäume und Felsen leuchtete. Er versuchte, irgendwo flüchtende Gestalten auszumachen, ein Gesicht zwischen den Bäumen schimmern zu sehen, irgendetwas. Er wusste, dass sie auf der Insel waren – ihr Boot lag auf dem Strand, und auf dem Herd waren Hamburger verbrannt. Er war außerdem ziemlich sicher, dass Ford keine Schusswaffe bei sich trug – sonst hätte er sie schon in der Bar oder auf dem Parkplatz benutzt. Er war also der Einzige hier, der eine Waffe hatte.

Er fluchte leise. Irgendwie hatten sie doch Wind davon bekommen, dass er hier war. Vermutlich hatten sie sein Boot gehört, denn nachts trug das stille Wasser Motorenlärm sehr weit. Trotzdem hielt er alle Trümpfe in der Hand: Er hatte sie auf einer kleinen Insel in die Enge getrieben, sie konnten ihm nicht entkommen, außer mit dem Ruderboot. Sie konnten nicht zu ihrem Boot hinausschwimmen – die Flut strömte nun mit voller Kraft herein und zog mit einer Geschwindigkeit von mehreren Knoten an der Insel vorüber. Sie würden an ihrem Boot vorbeigetrieben werden und ertrinken.

Es gab zwei Boote auf dieser Insel: ihres und seines.

Es war nicht schwer zu erraten, was sie tun würden: Sie würden versuchen, eines davon zu erreichen. Seine erste Aufgabe bestand folglich darin, sie zu sichern. Er ging den Strand entlang zu ihrem Beiboot. Er dachte daran, es einfach in die Strömung hinauszuschieben, wollte aber das Risiko nicht eingehen, selbst hier festzusitzen, falls etwas schiefgehen sollte. Stattdessen packte er die Fangleine und zerrte es hinauf in den Wald, wo es mehr oder weniger gut versteckt war. Dann löste er die Ruder und versteckte sie an weit voneinander entfernten Stellen im Himbeergestrüpp. Sie würden Stunden brauchen, um beide zu finden.

Jetzt zu seinem eigenen Boot.

Ein plötzliches helles Licht über seinem Kopf ließ ihn geduckt herumfahren, die Waffe schussbereit, doch dann merkte er, dass es vom Himmel kam. Vom Vollmond. Er starrte hinauf, während sich ein breiter Strahl aus der Oberfläche zu lösen schien und in den Nachthimmel hinausschoss. Ein weiterer heller Fleck erschien auf der gegenüberliegenden Seite. Was zum Teufel war das?

Nur eine seltsame Wolke, die vor dem Mond vorbeizog und eine seltsame optische Täuschung erschuf.

Er arbeitete sich schnell und leise durch den Wald zur Nordseite der Insel und seinem eigenen Beiboot vor. Es lag friedlich im noch helleren Mondlicht. Er wollte es gerade vom Strand schleppen und verstecken wie das andere, als ihm eine Idee kam: Er konnte es als Köder offen liegen lassen, sich verstecken und einfach abwarten, bis sie kamen, um es sich zu holen. Wenn sie feststellten, dass ihr Boot fehlte, würden sie seines nehmen wollen. Was blieb ihnen sonst übrig? Sie konnten sich nicht ewig verstecken.

Er suchte sich ein gutes Versteck hinter ein paar Felsbrocken am Rand des Strandes und wartete.

Der Himmel wurde langsam immer heller, und er blickte erneut nach oben und fragte sich, was zum Kuckuck heute mit dem Mond los war. Die seltsame Wolke wurde immer größer, und sie sah jetzt doch nicht mehr wie eine Wolke aus.

Er wandte sich ab, konzentrierte sich auf das unmittelbare Problem und wartete darauf, dass sie kamen. Es dauerte nicht lange: Nach ein paar Minuten entdeckte er einen Schatten, der sich am Waldrand entlangbewegte. Er hob seine Desert Eagle, schaltete die Laser-Zielvorrichtung ein, überlegte es sich dann aber anders und schaltete sie wieder aus. Warum sie mit einem hüpfenden roten Punkt verschrecken? Sie würden nah genug herankommen, so dass er sie auch ohne Ziellaser erschießen konnte.

Aber die Silhouette war allein. Es war das Mädchen. Ford war nicht bei ihr.

Der Krater
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