31
Der Nebel wurde zu leichtem Nieselregen, während Abbey fieberhaft Steinbrocken aus dem Krater räumte, sie mit der Spitzhacke herausschlug und über den Rand warf. Der Meteorit war durch etwa dreißig Zentimeter Erde in das Gestein darunter eingedrungen, hatte Steine und Dreck verspritzt und eine Masse aus zersplittertem Fels und Matsch zurückgelassen. Es überraschte sie, wie klein der Krater war, nur etwa einen Meter tief und gut einen Meter fünfzig breit. Es nieselte jetzt kräftiger, und der Grund des Kraters verwandelte sich in Schlamm, eine matschige Pfütze mit Steinbrocken darin.
Abbey stemmte ein besonders großes Stück Fels heraus und rollte es zum Kraterrand hinauf, wo Jackie es packte und ganz hinauszerrte.
»Da drin sind verdammt viele Steine«, bemerkte Jackie. »Woher sollen wir wissen, welcher der Meteorit ist?«
»Glaub mir, das wirst du merken. Er besteht aus Metall – Nickel und Eisen.«
»Was, wenn er so schwer ist, dass wir ihn nicht hochheben können?«
Abbey löste einen weiteren Brocken vom Grund des Kraters, stemmte ihn hoch und hievte ihn über den Rand. »Uns fällt schon was ein. In der Zeitung stand, er sei etwa fünfzig Kilo schwer.«
»In der Zeitung stand, er sei wahrscheinlich nur fünfzig Kilo schwer.«
»Je größer, desto besser.« Abbey räumte kleinere Steine weg und kippte ein paar Schaufeln zähen Schlick über den Rand. Während sie weiterarbeiteten, ging das Nieseln in kräftigen Regen über. Trotz ihrer Regenjacke war sie bald durchnässt. Kalter Schlamm schwappte immer wieder über den Rand ihrer Stiefel, bis ihre Füße bei jeder Bewegung darin quatschten.
»Hol den Eimer und das Seil aus dem Beiboot.«
Jackie verschwand im Nebel und kam fünf Minuten später zurück. Abbey befestigte das Seil am Henkel und schöpfte eimerweise Matsch, den Jackie hochzog und auskippte, ehe sie den Eimer für die nächste Ladung hinunterreichte.
Abbey ächzte, als sie eine weitere Ladung Matsch hochstemmte. Sie griff zur Schaufel und stocherte damit im Schlick herum. Die Spitze traf klirrend auf Gestein. »Das hier ist Felssohle.« Weiteres Stochern. »Der Meteorit muss irgendwo da drin sein, zwischen dem zersplitterten Gestein.«
»Und, wie groß ist er?«
Abbey überlegte und rechnete kurz nach. Was war noch einmal das spezifische Gewicht von Eisen? Sieben und ein paar Zerquetschte. »Ein Fünfzig-Kilo-Meteorit«, sagte sie, »hätte etwa fünfundzwanzig, dreißig Zentimeter Durchmesser.«
»Mehr nicht?«
»Das ist schon ganz schön groß.« Abbey schob die Hacke zwischen zwei geborstene Steinbrocken, stemmte sie mit einem schmatzenden Geräusch im Schlamm auseinander und rollte sie mühsam zum Kraterrand hoch. Sie war mit Matsch bedeckt, und der Regen rann ihr den Nacken hinab, doch das war ihr egal. Sie war im Begriff, die Entdeckung ihres Lebens zu machen.
Randy Worth schraubte das Motorpanel der Marea wieder fest und wischte seine schmierigen Fingerabdrücke ab. Er beugte sich zur Seite und leuchtete mit der Taschenlampe in den Motorraum – alles sah ganz normal aus, nichts verriet seine Arbeit. Er schloss die Klappe, drückte sie fest an und wischte auch hier fettige Abdrücke weg.
Das Werkzeug kam wieder in den Rucksack, den er verschloss und sich über die Schulter hängte. Er stand auf und sah sich um. Sein Blick glitt über sämtliche Flächen auf der Suche nach irgendwelchen verräterischen Spuren seiner Anwesenheit. Alles sauber. Er überprüfte sämtliche Motoreinstellungen, Schalter und Hebel und vergewisserte sich, dass sie alle so standen, wie er sie vorgefunden hatte.
Er schlüpfte aus der Steuerkabine und lauschte zur Insel hinüber. Der Regen trommelte jetzt aufs Dach und tanzte auf dem Wasser, doch er konnte immer noch den Lärm hören, den sie beim Graben machten, das Scheppern von Metall auf Stein, die aufgeregten Stimmen. Es hörte sich an, als würden sie noch eine Weile beschäftigt sein.
Er ging zum Heck, band sein Beiboot los und stieg ein. Seine Haut juckte, seine Kopfhaut kribbelte unerträglich, und hinter seinen Augäpfeln ging irgendetwas Merkwürdiges vor sich. Meth, er brauchte Meth, und zwar schnell. Er hatte hart gearbeitet – er hatte es sich verdient. Er pullte kräftig, so stark sogar, dass ein Ruder aus der Dolle sprang. Fluchend und mit zitternden Händen befestigte er es wieder und ruderte weiter. Bald war die Marea im Nebel verschwunden, und ein paar Minuten später tauchte sein eigener Kahn daraus auf, fleckig von Rost und Öl.
Er kletterte an Bord und zog sich in die winzige Steuerkabine zurück, wo er seinen Vorrat und die Pfeife hervorkramte. Mit bebenden Fingern nahm er einen Rock heraus, versuchte, ihn in die Pfeife zu legen, ließ ihn fallen, fluchte, suchte hektisch danach, bekam ihn endlich in die Pfeife und zündete ihn an.
O Scheiße, war das gut. Er lehnte sich stöhnend zurück und spürte, wie er im ersten Rausch steif wurde. Er stellte sich vor, was er mit diesen Schlampen anstellen würde, wenn er sie erst hatte.
Abbey schaufelte Matsch in den Eimer und stemmte Steinbrocken heraus, und allmählich legte sie den Grund des Kraters frei, wo der Fels gesplittert war. Es regnete immer heftiger, und sie hörte schon die Brandung auf den unsichtbaren Felsen unter ihnen. Da kam Dünung auf – sie mussten bald fertig werden.
Sie stemmte einen besonders großen Gesteinsbrocken heraus, und Jackie stieg zu ihr herunter, um ihr dabei zu helfen, das Ding aus der Grube zu bugsieren. Abbey stocherte noch ein bisschen mit der Schaufel herum, kniete sich dann hin und tastete mit den Händen in dem eiskalten Schlamm herum. »Er hat hier alles ziemlich zertrümmert. Aber ich glaube, wir haben ihn bald.«
»Du siehst zum Fürchten aus«, bemerkte Jackie lachend.
»Du siehst auch nicht gerade aus wie eine Debütantin beim Cotillion.«
Noch mehr Steine und mehr Matsch kamen aus dem Loch. Sie hielt inne und steckte wieder die Hände in den Schlamm.
»Abbey, wir finden hier keinen Meteoriten.«
»Er ist da. Er muss da sein.«
Sie hockte sich auf die Knie und schaufelte mit den Händen Matsch von der Felssohle. Der Regen begann den Granit sauber zu waschen. Abbey erkannte jetzt mit wachsender Aufregung ein speichenförmiges Muster aus Rissen im Gestein, doch der Schlamm floss immer wieder nach. »Er muss genau hier sein«, sagte sie laut, als könnte sie es damit wahr machen. Sie schöpfte mehr Matsch und Steine in den Eimer.
»Und es war wirklich keiner von den Steinen, die wir weggeschmissen haben, ja?«, fragte Jackie.
»Ich habe dir doch gesagt, dass er aus Nickel und Eisen ist!«
»Man wird doch wohl noch fragen dürfen.«
Verzweifelt und entmutigt tastete Abbey den Grund der Vertiefung ab. Vielleicht hatte sich der Meteorit so fest eingebettet, dass er sich wie ein Teil des Grundfelsens anfühlte. Sie schöpfte mit den Händen so viel Matsch und Schotter wie möglich heraus und füllte den Eimer ein paar weitere Male.
»Jackie, hol einen Eimer voll Meerwasser, dann spülen wir das hier aus.«
Jackie verschwand mit dem Eimer hügelabwärts und kehrte ein paar Minuten später zurück. Abbey kippte den Eimer auf die schlammige, rissige Felssohle.
Mit einem gurgelnden Geräusch verschwand das Wasser in einem Loch im Fels wie im Abfluss einer Küchenspüle.
»Was zum Teufel …?« Sie schob die Finger in das Loch.
»Ich hole noch mehr Wasser.«
Diesmal kam Jackie den Hang heraufgerannt, dass Wasser aus dem Eimer schwappte. Abbey riss ihr den Eimer aus der Hand und goss das Wasser in die Grube. Wieder verschwand es wie in einem Abflussrohr, und diesmal spülte es ein Loch frei, ein vollkommen rundes Loch von zehn Zentimetern Durchmesser im Felsboden, das schnurstracks ins Innere der Erde führte. Ein Netz feiner Risse breitete sich darum aus.
Abbey zog den Handschuh aus, schob die Hand in das Loch und tastete sich so weit vor, wie es ging. Die Seiten waren so glatt wie Glas, das zylindrische Loch so perfekt, als hätte es jemand gebohrt.
Sie nahm ein Steinchen und ließ es mitten hineinfallen. Gleich darauf hörte sie ein schwaches Platschen aus der Tiefe.
Abbey starrte zu Jackie empor. »Er ist nicht hier. Der Meteorit ist nicht hier.«
»Wo ist er?«
»Er ist einfach durchgeflogen.« Und obwohl sie sich bemühte, es zu unterdrücken, brach das Schluchzen aus ihr hervor.