Ein roter Mustang ist kein Fluchtwagen

Pöppelbaum bekam sein Meer am nächsten Tag. Er stürzte sich in die Wellen, versuchte sich beim Surfen und tobte sich richtig aus. Ich lag am Strand und behielt ihn im Auge. Aber er schien wieder ganz auf der Höhe zu sein, die Tropfen zeigten keine Wirkung mehr. Ich schwamm ebenfalls ein paar Runden, doch als sich eine Qualle an meinem Fuß festsaugte, hatte ich genug. Mein Handy klingelte. Der Anrufer hatte den Inkognito-Modus eingestellt. Ich hatte keine Lust auf Stress und drückte den Anruf weg. Plötzlich kam mir die fixe Idee, dass Stickel und Billerbeck mein Handy orten könnten. Ich wusste, dass es solche Bezahldienste gab. Mist.

Wayne von einem vorzeitigen Aufbruch zu überzeugen war nicht einfach, aber schließlich gab er nach.

Unser Mietwagenverleih hatte eine Station in Cocoa Beach. Wir tauschten den auffälligen roten Mustang kurzerhand um und nahmen einen grauen Chevrolet-Kleinwagen.

Auf dem Weg zum Flughafen begegneten uns glücklicherweise keine Rachegöttinnen.

»Ich stelle mich in die Schlange zum Check-in und du gibst den Wagen ab«, schlug ich vor. »Ich will so schnell wie möglich aus der Schusslinie der Beretta

Alles klappte reibungslos. Wir passierten die Sicherheitskontrolle und gingen in den Warteraum. Bald würden wir in der Luft sein – Richtung Deutschland.

 

Nach der Landung griff sich Wayne am nächsten Pressestand ein Bierstädter Tageblatt.

»Lies mal – auf der ersten Mantelseite.«

 

VIDEO BEWEIST: MORD AN SEKTENCHEF WAR DIE RACHE EINER FRAU
Von Tageblatt-Reporter Carsten Biber

 

»Seit wann heißt Bärchen denn Carsten?«, witzelte ich und überflog den Artikel.

Kleist hatte eine Pressemitteilung herausgegeben, aber nicht gesagt, wie er an das Video gekommen war. Das war gut. So konnte ich die Geschichte nachdrehen.

 

Mein Golf wartete im Düsseldorfer Flughafenparkhaus.

»War doch ein schöner Trip, oder?«, meinte Wayne, als er seinen Koffer einlud. »Du bist sogar ein bisschen braun geworden, Grappa.«

»Eher rot«, widersprach ich. »Ich habe einen Sonnenbrand – das ist die bittere Wahrheit.«

»Ein paar Regentage und du bist wieder ganz die Alte«, grinste Wayne. »Ich hätte übrigens nie gedacht, dass du so gemein tricksen kannst. Wie du die Mädels reingelegt hast, das war nicht von schlechten Eltern.«

»Lass uns bitte darüber schweigen, ja?«

»Und was sagst du, wenn dich dein Hauptkommissar fragt, wie du an den Film gekommen bist?«

»Das entscheide ich spontan, wenn er mich fragt.«

»Ich schweige, Grappa«, versprach der Bluthund. »Wäre ja auch irgendwie doof, wenn wir uns über Bärchen Biber und seinen Betroffenheitskoffer aufregen, während du Leute unter Drogen setzt, um an Informationen zu kommen.«

»Das kannst du nicht vergleichen«, sagte ich – eine Spur zu scharf. »Ich hatte mit den zwei Tussen noch eine Rechnung offen. Außerdem hätten wir auch den Sheriff rufen können. Beweissicherung in einem Mordfall.«

Es war schon wieder Abend, als wir Bierstadt erreichten. Ich setzte Wayne am Parkplatz des Verlagshauses ab und fuhr nach Hause.